Die Rückkehr des Wutsteirers

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STEIERMARK-WAHL: TV-EINSTIEG(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die steirischen ÖVP-Abgeordneten proben den Aufstand gegen die Bundespartei und schließen damit an die Tradition der Volkspartei unter Landeshauptmann Krainer an.

Wien/Graz. Zu Zeiten, als der Begriff des „Wutbürgers“ noch nicht erfunden war, gab es schon Ähnliches: den Wutsteirer. Er saß in der Grazer Burg (dem Sitz der Landesregierung) oder im Vorstand der Landes-ÖVP und gefiel sich darin, Richtung Wien oder Niederösterreich zu wettern. Seinen Höhepunkt erlebte er in der Zeit des Landeshauptmannes Josef Krainer. Mit dem Niedergang der steirischen ÖVP ist es aber still um ihn geworden. Jetzt ist der Wutsteirer wieder da. Angestachelt von der Regierungsbildung in Wien hat er sich wieder lautstark zu Wort gemeldet. Und er ist auch nicht mehr nur in der ÖVP beheimatet, sondern hat längst auch schon die SPÖ unterwandert. Die ÖVP verweigert ihre Zustimmung zum Regierungsprogramm, droht damit, den Klubzwang im Hohen Haus zu verweigern und setzt gleich die ganze Regierung auf die „Watchlist“. Heißt das, dass Minister künftig nicht mehr über den Wechsel oder den Semmering dürfen?

Jedenfalls hat die steirische ÖVP auch schon andere Landesparteien angesteckt: Die Salzburger und die Tiroler drohen ebenfalls offen damit, der Bundespartei im Parlament die Gefolgschaft verweigern zu wollen. Die steirische SPÖ ist so verärgert über die Bundespartei, dass Landeshauptmann Franz Voves gleich seine bundespolitischen Funktionen hinwirft. Eine starke Ansage in einer Partei, in der öffentlicher Widerspruch verpönt ist (außer bei den Jungen, die müssen sogar).

Das Hochhalten der eigenen Landesidentität und das Wettern gegen die Zentrale in Wien ist natürlich nicht nur eine steirische Spezialität. Das können die Kärntner und die Tiroler fast ebenso gut. Aber dort ist es eher die Konfrontation Land gegen Bund. In der Steiermark heißt das Match Landespartei gegen Bundespartei.

Ein rebellisches Volk

Zurückgeführt wird das steirische Selbstverständnis als rebellisches und aufmüpfiges Volk auf die Zeiten eines Erzherzog Johann. Aber das ist vermutlich etwas weit hergeholt. Realistischer ist da eine zeitlich näher liegende Epoche: Der frühere Landeshauptmann Josef Krainer (von 1981 bis 1996) hat die steirische Volkspartei zu einer Organisation geformt, die anderen Landesparteien weit voraus war und sich auch nicht scheute, ihren elitären Charakter über die Grenze des Semmerings hinaus zu vertreten. Krainer versammelte eine ganze Reihe von Querdenkern um sich, die erkannten, wie eng das traditionelle Weltbild der ÖVP war, und die weit darüber hinaus dachten. Ein Bernd Schilcher, ein Gerhard Hirschmann oder ein Herbert Paierl kämpften gegen den Mainstream der Volkspartei an.

Kampf gegen die Draken


Einen Höhepunkt erlebte das steirische Rebellentum in den 1980er-Jahren, als die Regierung die Stationierung der Abfangjäger Draken in der Steiermark beschloss. Der Widerstand gegen den „fliegenden Schrott“ gipfelte in einem Misstrauensantrag der steirischen ÖVP-Abgeordneten gegen den ÖVP-Verteidigungsminister Robert Lichal. Im Kabinett Lichals saß damals übrigens ein junger niederösterreichischer ÖAABler namens Michael Spindelegger. In der Zeit nach Josef Krainer erlahmte das steirische Rebellentum etwas. Die einstigen liberalen Querdenker erschöpften sich in gegenseitigen Grabenkämpfen. Und die ÖVP verlor unter Waltraud Klasnic erstmals den Sessel des Landeshauptmanns an die SPÖ. Franz Voves als erster SPÖ-Landeshauptmann der Steiermark entwickelte einer Spezialform des steirischen Rebellentums: die des „Grantelns“ Richtung Wien. Das bekam schon Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zu spüren, als er Personalwünsche nicht zur Zufriedenheit der steirischen Genossen erfüllte und dafür vor laufender Kamera gemaßregelt wurde. Und auch seinem Nachfolger Werner Faymann wird der Unmut recht deutlich ausgerichtet (siehe Kulisse unten).

Wirkungsloser Protest


Rückblickend betrachtet blieb der Protest der Wutsteirer bisher recht wirkungslos. Die Draken sind selbstverständlich in der Steiermark stationiert worden. Das wichtigste Infrastrukturprojekt der Steirer, der Semmering-Basistunnel, wurde trotz aller Bemühungen jahrzehntelang verzögert. Und auch in der Bundes-ÖVP haben die Steirer nie dieselbe Rolle spielen können wie die Niederösterreicher oder die Oberösterreicher. Aber das war vermutlich auch nie die Absicht. Das Ritual des Rebellentums dient in erster Linie dem Machterhalt im eigenen Land. Restösterreich ist den Steirern da relativ egal.

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