Billigarbeiter aus Rumänien und Bulgarien: Gefahr „bewältigbar“

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Ab 1. Jänner können Bulgaren und Rumänen hierzulande ohne Beschäftigungsbewilligung einen Job annehmen. Zunächst wird die Migration anschwellen, Ängste sind laut Experten aber unbegründet.

Wien. Die siebenjährige Übergangsfrist ist zu Ende. Ab 1. Jänner 2014 gilt für Rumänen und Bulgaren, was für andere EU-Bürger längst Realität ist: der freie Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Aller Vorbehalte zum Trotz wird von offizieller Seite aber stets betont, dass die Angst vor einer Überschwemmung mit billigen Arbeitskräften aus dem Osten unbegründet sei. Auch die Gefahr einer Ausbeutung des Sozialsystems durch die in London und Berlin gefürchtete Armutsmigration schätzen Innenministerium und Arbeitsmarktservice (AMS) als gering bis nicht existent ein.

Der Hauptgrund: Die Zahl der zugewanderten Rumänen und Bulgaren ist schon seit deren EU-Beitritt im Jahr 2007 relativ stark angestiegen, ohne Probleme zu verursachen. So hielten sich Anfang 2012 etwa doppelt so viele Migranten aus diesen beiden Ländern in Österreich auf als noch fünf Jahre zuvor, nämlich 61.412 Personen. Nach Schätzungen einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) wird diese Zahl bis Ende 2015 noch einmal um 72 Prozent steigen und dann 106.220 Personen betragen. „Die Nettomigration wird vor allem im ersten Jahr der Liberalisierung anschwellen“, glauben die Autoren. 2014 werden es laut Erwartungen des IHS 1380 bulgarische und 4367 rumänische Bürger sein, die allein wegen der Arbeitsmarktöffnung nach Österreich kommen – zusätzlich zu jenen 5000 Personen, die ohnehin eingewandert wären.

Hauptlast sind die Tagespendler

„Dieser Effekt ist relativ gering und bewältigbar“, beruhigt AMS-Vorstand Johannes Kopf in einem Gespräch mit der „Presse“. Aus der Öffnung zu den 2004 beigetretenen östlichen Mitgliedstaaten habe man gelernt, dass die Hauptlast für den österreichischen Arbeitsmarkt Tagespendler seien, die die Kombination aus niedrigen Lebenshaltungskosten und höheren Löhnen schätzen.
Dieses Modell kommt für Rumänen und Bulgaren freilich nicht infrage. Einen „Verdrängungsprozess“ auf dem Arbeitsmarkt gebe es durch die Öffnung zwar trotzdem – dieser treffe aber kaum österreichische Arbeitnehmer, meint Kopf.  In der Hauptsache seien es Zuwanderer, die sich länger im Land aufhalten und durch jüngere Kräfte ersetzt würden.

Wasser auf die Mühlen der Gegner einer Arbeitsmarktöffnung ist ein ganz anderer Punkt. Nach Schätzungen des IHS werden jene Personen, die nach dem 1. Jänner nach Österreich kommen, ein geringeres Ausbildungsniveau aufweisen als Zuwanderer der Jahre 2007–2013. Migranten mit höherer Qualifikation konnten ja schon bisher unter bestimmten Voraussetzungen ohne Beschäftigungsbewilligung in Österreich arbeiten, hatten also keinen Grund zu warten. Früher mussten Bulgaren und Rumänen zudem mindestens zwölf Monate in Österreich beschäftigt sein, um hierzulande auch Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben.

Ab morgen fällt diese Regelung: So kann sich beispielsweise ein Rumäne, der in seinem Land mehrere Jahre als Bauarbeiter tätig war, diese Vordienstzeiten schon nach kurzer Beschäftigungsdauer in Österreich anrechnen lassen und im Fall eines Jobverlusts auch Arbeitslosengeld beantragen.

Dennoch blickt Kopf dem Jahreswechsel gelassen entgegen. Österreich habe das Recht, Personen ohne ausreichende finanzielle Absicherung wieder auszuweisen, erklärt er. Generell hält sich der AMS-Chef also an den Spruch: „Armut ist nicht mobil.“

Weitere Infos: www.diepresse.com/europa

Auf einen Blick

Ab 1. 1. 2014 haben Rumänen und Bulgaren nach einer siebenjährigen Übergangsfrist freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Ein Massenansturm ist aber nicht zu befürchten, beruhigen Experten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2013)

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