Sorge vor allmächtigen Anklägern

Anwälte-Präsident Wolff
Anwälte-Präsident Wolff Die Presse/Fabry
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Anwälte-Präsident Wolff und Professor Fuchs sind dagegen, dass der Minister sein Weisungsrecht über Staatsanwälte verliert. Zur Demokratie gehöre die Mitwirkung des Ministers.

Wien. Seit Jahren ist das Weisungsrecht des Justizministers über die Staatsanwälte umstritten. Nun will der neue Amtsinhaber, Wolfgang Brandstetter, eingreifen und das Weisungsrecht zumindest in der derzeitigen Form abschaffen. Lob gibt es für den von der ÖVP gestellten Minister dafür von SPÖ und Grünen. Sie forcieren schon länger die Idee eines vom Parlament bestimmten, unabhängigen Bundesstaatsanwalts an der Weisungsspitze. Aber sind wirklich alle dafür, den Justizminister zu entmachten?

Mitnichten. So plädieren die Anwälte dafür, dass der Justizminister sein Weisungsrecht nicht verliert. „Wir sind der Auffassung, dass es auch im Justizbereich eine letztinhaltliche politische Verantwortlichkeit geben muss“, sagt Rupert Wolff, Präsident des österreichischen Rechtsanwaltskammertags. In der Öffentlichkeit scheine zwar der Eindruck zu herrschen, dass das Weisungsrecht politisch missbraucht werde. „Aber aus meiner praktischen Erfahrung ist das nicht so“, erklärt der oberste Anwalt im Gespräch mit der „Presse“.

Trotzdem müsse man dem Eindruck entgegenwirken. Daher sei es zu begrüßen, wenn der Minister eine Expertengruppe zum Thema einsetzt. Wolff hätte bereits ein paar Vorschläge, wie eine Reform aussehen könnte. So könnte man „die Weisungen ins Internet stellen“, damit sie auch transparent für alle und nicht nur für das Parlament sind. Zumindest, soweit dadurch kein Geheimhaltungsinteresse eines Betroffenen verletzt werde.

Weisenrat für den Minister?

Gut vorstellen kann sich Wolff auch einen Weisenrat, der dem Justizminister bei Weisungen zur Seite steht. Diesem könnten etwa der Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH), ein Anwältevertreter und ein Mitglied der Zivilgesellschaft angehören, meint Wolff. Der Weisenrat sollte aber nur ein „beratendes Organ“ bei Weisungen sein. „Die Letztentscheidung soll beim Minister liegen. Das ist ein wesentliches Bauelement unserer Demokratie. Und das ist gut so“, betont Wolff.

Eine weitere Möglichkeit zur Reform wäre ein General- oder Bundesstaatsanwalt, der vom Parlament gewählt wird, diesem verantwortlich ist und das Weisungsrecht statt des Ministers ausübt. „Dies würde allerdings eine neue beamtete Struktur erzeugen“, meint Wolff. „Und ein Mehr an Verwaltung ist nicht gut.“ Auch Helmut Fuchs, Vorstand des Instituts für Strafrecht an der Uni Wien, hält wenig von der Idee. „Mir ist ein demokratisch legitimierter Justizminister lieber als ein allmächtiger Bundesstaatsanwalt“, sagt Fuchs. Denn alle fünf Jahre gebe es Wahlen, ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt wäre aber wohl länger im Amt.

Und wenn man in das Gesetz schreibt, dass der Bundesstaatsanwalt vom Parlament abgewählt werden kann? „Dann wäre ja auch der Bundesstaatsanwalt wieder abhängig von den Mehrheitsparteien“, entgegnet Fuchs. Der Professor plädiert dafür, das Weisungsrecht beim Minister zu belassen. „Es ist noch nichts Besseres erfunden worden“, sagt er. Weisungen müssten schriftlich erteilt werden, ein Missbrauch sei kaum möglich. Zudem könnten Betroffene gegen Entscheidungen der Staatsanwälte Fortführungsanträge bei Gericht stellen. Dann müsse ohnedies ein unabhängiger Richter entscheiden, ob die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwälte korrekt war.

„Balance der Staatsgewalten“

„Es gibt die Vorstellung, dass Unabhängigkeit das Höchste ist. Das glaube ich nicht“, sagt Fuchs. Es müsse die unabhängigen Richter geben, aber daneben auch die Staatsanwaltschaft, die dem Minister untersteht. „Nur eine Balance zwischen den Staatsgewalten garantiert unsere Freiheit. Ein reiner Richterstaat wäre nicht richtig“, sagt Fuchs. „Ich hätte sonst ein bisschen Sorge vor einer allmächtigen Staatsgewalt.“ Es brauche die Kontrolle.

OGH-Präsident Eckart Ratz hat bereits im vergangenem Jahr erklärt, man müsse vermeiden, „dass die Staatsanwälte einen Staat im Staat bilden“. Diese Warnung halte er aufrecht, sagt Ratz zur „Presse“. Man solle nun aber Brandstetter einmal die Möglichkeit geben, seine konkreten Ideen vorzustellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2014)

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