Ankläger künftig Staat im Staat? "Das ist doch Käse"

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Auch wenn der Justizminister keinen Einfluss mehr nehmen könnte, würde man kein Eigenleben entwickeln, sagt Staatsanwälte-Präsident Jarosch. Und so viel Freiheit wie italienische Ankläger wolle man gar nicht.

Wien. „Wir können kein Staat im Staat sein. Das ist doch Käse.“ Gerhard Jarosch, Präsident der Vereinigung der Staatsanwälte, kann die Kritik an einer Abschaffung des ministeriellen Weisungsrechts nicht verstehen. Denn die Entscheidung eines Staatsanwalts über Anklage oder Einstellung eines Verfahrens unterliege ohnedies immer gerichtlicher Kontrolle, meint Jarosch im Gespräch mit der „Presse“.

Man brauche also keine Befürchtungen zu haben, dass Staatsanwälte falsch handeln, wenn der Minister sein Weisungsrecht verliert, sagt Jarosch. Justizminister Wolfgang Brandstetter hatte die Debatte mit seiner Ankündigung, das Weisungsrecht zu reformieren, entfacht. Eine Expertenkommission soll Vorschläge erarbeiten. Bis zur Entscheidung soll ein juristischer Weisenrat bei Weisungen eingebunden sein. Kanzler Werner Faymann erklärte am Mittwoch, hinter Brandstetters Plan zu stehen. „Ich unterschreibe und unterstütze das voll.“

Anwälte nicht auf einer Linie

Doch einige prominente Juristen warnen davor, das Weisungsrecht über die Staatsanwälte vom Minister zu einer anderen Stelle – etwa zu einem neuen Bundesstaatsanwalt – zu verlagern („Die Presse“ berichtete am Mittwoch). So erklärte Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs, er hätte „ein bisschen Sorge vor einer allmächtigen Staatsgewalt“. Eckart Ratz, Präsident des Obersten Gerichtshofs, warnte vor einem „Staat im Staat“. Anwälte-Präsident Rupert Wolff erklärte, dass der Justizminister weiterhin Letztverantwortlicher für Weisungen bleiben müsse, das gehöre zur Demokratie.

Wolffs Ansicht ist in der Anwaltschaft aber nicht unumstritten. Der prominente Strafverteidiger Manfred Ainedter etwa spricht sich klar für einen Bundesstaatsanwalt aus. „Staatsanwälte brauchen eine Kontrolle, aber eine fachliche und keine politische“, sagt er.

Weisungsunabhängig wolle man ohnedies nicht sein, betont Jarosch. Das gebe es zwar bei italienischen Staatsanwälten, aber dort würden die Verfahren deswegen extrem lange dauern, weil im Gegenzug jedes einzelne Handeln der Ankläger vom Gericht überprüft wird. Aber an der Spitze der Weisungskette solle in Österreich ein unabhängiger Ankläger stehen. Dadurch könne man selbst den Anschein politischer Weisungen vermeiden (dass es solche wirklich gibt, glaubt Jarosch nicht). Zudem würde man „vorauseilendem Gehorsam“ gegenüber dem Minister verhindern. Und dieses Phänomen könne man auch bei Staatsanwälten nie ausschließen, meint Jarosch.

An der Spitze der Weisungskette könnte laut dem Ankläger sowohl ein Kollegium als auch ein Bundesstaatsanwalt stehen. Die Mehrheit der Staatsanwälte würde aber eine Einzelperson an der Spitze bevorzugen. Die Besetzung solle erfolgen, indem ein Personalsenat ähnlich wie bei Richter- oder Staatsanwälteernennungen den besten Kandidaten vorschlägt. Die Letztentscheidung über die Ernennung könnte dem Parlament aber auch dem Justizminister oder dem Bundespräsidenten zukommen, meint Jarosch.

Politik ohne Absetzungsrecht?

Wichtig wäre ihm, dass der Bundesstaatsanwalt aus Gründen der Unabhängigkeit für „lange Zeit“ (etwa auf zwölf Jahre) bestellt und zuvor nicht von der Politik, sondern nur von einem Gericht abgesetzt werden kann. Das Parlament könnte aber das Recht erhalten, die Absetzung zu beantragen, so Jarosch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2014)

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