Schulstreit überschattet ÖVP-Klausur

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Die ÖVP-Minister beraten über die Umsetzung des Regierungsprogramms. Familienministerin Sophie Karmasin will aktiv für außerhäusliche Kinderbetreuung werben.

Wien. Ein gelungener Regierungsstart sieht anders aus: Die Parteispitze der Volkspartei war nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen hauptsächlich damit beschäftigt, den Unmut einzelner Landesorganisationen über Programm und Personalentscheidungen zu besänftigen. Mit der Klausur des ÖVP-Regierungsteams am Mittwoch sollte ein Befreiungsschlag gelingen: Parteichef Michael Spindelegger wollte den Fokus auf die Pläne der ÖVP-Minister legen.

Das ging gründlich schief: Kurz vor der Klausur brach der Streit zwischen der Bundespartei und der „Westachse“ – also den Bundesländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg – um die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen erneut aus. Der Vorarlberger Landeshauptmann, Markus Wallner, wünschte sich öffentlich Modellregionen für eine Erprobung der Gesamtschule und handelte sich dafür einen Rüffel von Spindelegger ein: „Ich bin ja nicht das Christkind, dass ich alles erfüllen kann.“

Die Absage an die Gesamtschule sei Teil des Regierungsprogramms, und dem habe auch Wallner im ÖVP-Vorstand zugestimmt. Auch Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner schloss sich dem an: Man möge solche Fragen zuerst parteiintern abklären, bevor man sich öffentlich positioniere.

Einigkeit fehlt

Dass es gerade an der internen Einigkeit fehlt, wird allerdings immer deutlicher. So kommt aus Tirol und Salzburg – wo man mit der Spindelegger-Linie in puncto Schule schon länger unzufrieden ist und ebenfalls Modellregionen bzw. -standorte plant – Unterstützung für Wallner. Die Tiroler Bildungslandesrätin, Beate Palfrader, forderte im ORF-Radio von der Parteispitze mehr Pragmatismus im Umgang mit der Gesamtschule. „Ich bin sehr enttäuscht von der Bundespartei in dieser Frage.“ Salzburgs Landeschef, Wilfried Haslauer (ÖVP), forderte in Sachen Gesamtschule eine entideologisierte Debatte.

Und auch Wallner will bei seinem Weg bleiben. „Wir sind einige Schritte voraus, das macht manche offenbar ein bisschen nervös“, sagt er zur „Presse“. „Man wird dem Land das Denken aber nicht verbieten können.“ Vorarlberg werde sein Forschungsprojekt zur gemeinsamen Schule jedenfalls fortsetzen. Man werde sehen, wie lang die Regierung ihr Nein noch aufrechterhalten könne, so Wallner.

Schwenk bei Familien

Nach der Klausur der ÖVP-Regierungsmitglieder gelang es dem ÖVP-Team dann aber doch, neue Themen in die Debatte einzubringen. Zu verdanken ist dies der neuen Familienministerin, Sophie Karmasin, die die Position der ÖVP in Familienfragen sachte, aber doch adaptiert: Sie will nicht nur die Kinderbetreuungseinrichtungen für unter Dreijährige deutlich ausbauen (was ja schon im Regierungsprogramm steht), sondern diese auch aktiv bewerben: Man müsse „die Eltern aufklären, dass es gut ist, Kinder in außerhäusliche Betreuung zu geben“. Ein Bewusstseinswandel sei herbeizuführen: „Wir verwahren die Kinder nicht, sondern lassen sie neue Erfahrungen machen.“ Wie die Betreuung in den Kindergärten bestmöglich funktionieren kann, soll im Rahmen einer wissenschaftlichen Enquete geklärt werden.

Als ganz konkreten Schritt für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie will Karmasin das „Gütezeichen familienfreundliches Unternehmen“ forcieren. Und zwar, indem sie Ministerien und staatsnahe Unternehmen dazu verpflichtet, diese Zertifizierung im eigenen Bereich durchzuführen. Das Gütezeichen sei nicht nur ein Vorteil für die Familien, sondern auch für die Unternehmen: Dort, wo es umgesetzt ist, würden die Krankenstände um 23Prozent sinken. Die finanziellen Pläne der neuen Familienministerin sind bereits im Regierungsprogramm verankert: Die Familienbeihilfe soll ab Juli angehoben werden. Eines stellte Karmasin aber klar: Das Schulstartgeld, das im September ausbezahlt wird, wird entgegen anderslautenden Berichten beibehalten.

Fischen bei den Grünen

Während Karmasin um neue Akzente in der Familienpolitik bemüht war, versuchte der neue Landwirtschafts- und Umweltminister, Andrä Rupprechter, im Gewässer der Grünen zu fischen: Er will „Österreich zum Umweltvorreiter in Europa machen“ und vor allem die „Green Jobs“ deutlich ausbauen. Derzeit gibt es 170.000Arbeitsplätze im Umweltbereich, in vier Jahren sollen es 200.000 sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2014)

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