Markus Wallner: Der sanfte Schwarze, der dennoch aneckt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner hat - zumindest kurzzeitig - eine Gesamtschuldebatte losgetreten. Trotz eines Rüffels will er an dem Modell festhalten, auch wenn er in der Landesregierung als entscheidungsschwach gilt.

Ein Monarch ist Markus Wallner jedenfalls nicht. Dieser Titel scheint Herbert Sausgruber vorbehalten zu sein, dem politischen Ziehvater und Vorgänger Wallners als Landeshauptmann. Sausgruber, hört man heute in der Vorarlberger Opposition, war der strenge Landesvater mit eiserner Hand, und Wallner, der ist ein Dialogmensch. Kann zuhören. Pflegt keine Rasenmähermentalität. Ist offen für Visionen über parteipolitische Trennwände hinweg. Wallner selbst sagt, er wolle in der Landesregierung „keine Verletzungen“. Und alle sagen, man gehe respektvoll, kollegial miteinander um. Fast könnte man glauben, in Vorarlberg wurde der Frieden erfunden.

Aber da ist ja noch Wien. Wallners jüngster Vorstoß, entgegen der ÖVP-Bundeslinie für einen Gesamtschulversuch zu plädieren, hat die Bildungsdebatte im ganzen Land kräftig angeheizt. „Ich bin ja nicht das Christkind, dass ich alles erfüllen kann“, antwortete Bundesobmann Michael Spindelegger in Richtung Bodensee. Diese Reaktion stieß sogar der Vorarlberger Opposition sauer auf. „Mich würde interessieren“, so Vorarlbergs SPÖ-Klubobmann Michael Ritsch, „ob sich Spindelegger getraut hätte, Erwin Pröll das auszurichten.“ Aber dass Wallner die Debatte um die Gesamtschule nach der nächtlichen Sonntagsitzung, die Spindelegger eiligst einberufen hatte, nicht weitergeführt hat, bringt ihm den Vorwurf der Entscheidungsschwäche ein. Diesen Vorwurf hört man übrigens oft. Einen zweiten medialen Anlauf für die Gesamtschule will Wallner jedenfalls nicht nehmen: „Ich bin nicht bemüht, kalten Kaffee aufzuwärmen.“

Ganz vom Tisch ist das Thema nicht. Obwohl Wallner zu Beginn seiner Amtszeit der Idee einer Gesamtschule nicht viel abgewinnen konnte, wollen mittlerweile alle Landtagsparteien Vorarlberg als eine Modellregion etablieren. Ein Forschungsprojekt dazu läuft bereits, derzeit wird eine umfassende Befragung mit rund 22.000 Beteiligten durchgeführt.

Die Gesamtschulfrage erörtert Wallner auch bei sich zu Hause: Sein sechsjähriger Sohn ist in der Volksschule, seine 13-jährige Tochter besucht die Neue Mittelschule, die 15-Jährige eine höhere Wirtschaftsschule. Dank der Erfahrungen seiner Kinder könne er einen direkten Vergleich anstellen, sagt der Landeschef.

Er selbst besuchte Volks- und Hauptschule, dann das Bundesoberstufenrealgymnasium in Feldkirch. In Innsbruck hat der 46-Jährige Politik und Geschichte studiert, dann bei der Industriellenvereinigung und der EU-Kommission in Brüssel angeheuert. Der Partei ist er 1994 beigetreten, nur ein Jahr später war er in der Gemeindevertretung von Frastanz, seiner Heimat nahe der Grenze zu Liechtenstein.

Späte Reaktion auf Ärztemangel. Die enge Zusammenarbeit mit dem damaligen Landeshauptmann Sausgruber begann spätestens mit seiner Funktion als Landeshauptmannstellvertreter (2006). Wallner führte auch das Ressort Gesundheit, hinterließ aber nicht den besten Eindruck. Er habe viel zu spät auf den eklatanten Ärztemangel im Land reagiert, werden seine Kritiker nicht müde zu betonen. Tatsächlich ist Vorarlberg durch den Abgang der Mediziner in die Schweiz und nach Süddeutschland ernsthaft in die Bredouille geraten. Die vor einem halben Jahr beschlossene Spitalgehaltsreform soll nun Abhilfe schaffen.

Ende 2011 wurde Kronprinz Wallner nach dem überraschenden Abgang Sausgrubers schließlich gekrönt. Rückblickend sagt Wallner, dass der Übergang glatt gelaufen sei: Für Vorarlberg so mustergültige Fahrwege wie die solide Haushaltsführung – keine Neuverschuldung – habe er von seinen Vorgängern übernommen und weitergeführt. Seine Handschrift will Wallner in der Bildung setzen – dabei sei die Gesamtschule nur ein Teil des Ganzen. So werde etwa aus Landesmitteln die schulische Frühförderung (etwa muttersprachlicher Unterricht) finanziert.

Ein anderes Steckenpferd Wallners ist die Bürgerbeteiligung: Die Installierung von Bürgerräten stieß auf breite Resonanz. Die Räte stehen Politikern beratend zur Seite, vertreten die Meinung der Bürger. Zudem gilt Wallner als bürgernah. Unter dem Motto „Treffpunkt Landeshauptmann“ pilgert er durch das Land, schüttelt Hände und lässt sich erzählen. Freilich fliegen ihm dafür Sympathien zu, und mit Blick auf die Landtagswahl heuer im Herbst müsste Wallner in einem traditionell tiefschwarzen Land wie Vorarlberg eigentlich nichts befürchten. Aber das Ländle gilt für die Neos als Weideland, sie könnten der ÖVP schmerzvolle Stimmenverluste bringen. Das weiß auch Wallner.

Daher wird sein Vorpreschen in Sachen Gesamtschule auch als Wahlkampfradau bewertet, zumal die Einführung derselben der Zustimmung des Bundes bedarf. Er selbst sieht sich noch nicht im Wahlkampf, erst im Sommer soll es so weit sein. Die große Frage, ob er die ÖVP-Absolute halten kann, wird sich im Herbst stellen. Die Grünen bereiten sich auf eine Regierungsbeteiligung vor, die SPÖ ist gesprächsbereit, mit der FPÖ hat die Volkspartei bereits Koalitionserfahrung.

Dass Wallner seinen Posten nach der Wahl halten wird, daran zweifelt allerdings kaum jemand. An ihm selbst liege das aber nicht, sagen seine Kritiker, dafür sei Wallner viel zu kantenlos und trocken. Vielmehr sei er eben der Landeshauptmann eines traditionell bürgerlichen Landes, in dem die ÖVP nun einmal an allen Schlüsselstellen und in den allermeisten Bürgermeistersesseln zu finden ist.

Steckbrief

1967
Markus Wallner wird in Bludenz geboren. Er besucht Volks- und Hauptschule, später das Realgymnasium in Feldkirch. Wallner studiert Politik und Geschichte in Wien.

1994
Wallner tritt der ÖVP bei. Er wird Mitglied der Gemeindevertretung seiner Heimat Frastanz, ab1999 ist er Landesgeschäftsführer der Partei.

2006
Wallner wechselt in die Landesregierung, wird Stellvertreter Herbert Sausgrubers. Nach dem Abtritt Sausgrubers wird Wallner Ende 2011 Landeshauptmann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2014)

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