Strasser-Prozess: Die Agentengeschichte, neu erzählt

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Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser rückt von der "wüsten" Version seiner Agentengeschichte ab. Zum Vorwurf der Bestechlichkeit bekennt er sich weiter "nicht schuldig".

Wien. Man durfte gespannt sein: Würde Ernst Strasser dem Gericht erneut seine viel bestaunte Agentenversion präsentieren? Würde er dabei bleiben, dass er als EU-Parlamentarier mit zwei undurchsichtigen Lobbyisten nur verhandelte, um im Alleingang deren geheimdienstlichen Hintergrund aufzudecken? Nun kennt man die Antwort: Aus der „etwas überspitzt formulierten, wüsten Agentengeschichte“, wie dies selbst Strassers Anwalt Thomas Kralik ausdrückt, wurde eine Agentenversion light.

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Kurz zur Einleitung: Auf Anordnung des Obersten Gerichtshofs (OGH) wurde Strassers Verurteilung, vier Jahre Haft wegen Bestechlichkeit, aufgehoben; die Prozesswiederholung startete am Dienstag. Dabei stellte sich auch die Frage, ob denn der OGH als unsichtbarer Gast im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien mit dabei sein würde. Genau dies war der Fall. Sowohl die Anklage, erneut vertreten durch Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna, als auch der 57-jährige Angeklagte vollzogen einen deutlichen Schwenk. Dazu muss man wissen, dass dem OGH im Ersturteil der Konnex zwischen Strassers Geldforderung („Meine Klienten zahlen mir 100.000 Euro pro Jahr“) und der möglichen Beeinflussung eines konkreten Amtsgeschäfts fehlte. Die Anklägerin schaffte nun Abhilfe. Sie nannte gleich vier konkrete „Gesetzesvorhaben, auf die Strasser Einfluss nehmen sollte“. Der Ex-Politiker habe dies versprochen– und dafür Geld verlangt.

Strasser attackiert Anklägerin

Die Gesetzesvorhaben laut Anklage: eine EU-Richtlinie zur Beschränkung gefährlicher Stoffe in Elektrogeräten, eine Richtlinie zur Rücknahme von Elektroschrott durch den Handel, eine Gentechnikrichtlinie und eine Anlegerschutzrichtlinie.

Strasser wiederum (auf die Frage nach seinem Beruf sagte er „selbstständig“, auf die Frage nach seinem Einkommen „5000 Euro netto monatlich“) griff die Anklägerin an. Etwa so: „Ich bin sehr gespannt, wie Sie belegen wollen, dass ich auf die Elektroschrottrichtlinie Einfluss genommen habe.“ Strassers Botschaft – und damit hat er wohl auch den OGH-Entscheid vor Augen – lautet nun: „Ich habe versprochen für allgemeine Beratung zur Verfügung zu stehen, sonst nichts.“

Im konkreten Einzelfall habe er also nie seine Stimme oder seine Amtstätigkeit zum Verkauf angeboten. Die neue Richterin, Helene Gnida, (sie verhandelt stringent und gilt als streng) arbeitete Strassers Geschäftstätigkeit heraus. Dieser trat nach seiner Zeit als Innenminister im Kabinett Schüssel (2000 bis 2004) als Unternehmensberater auf. Und übernahm Beteiligungen an mehreren Gesellschaften. Aktuell führt Strasser die Beteiligungsgesellschaft GP.

Als er im Juni 2009 als ÖVP-Delegationsleiter in das EU-Parlament gewählt wurde (Ausscheiden aus dem EU-Parlament: März 2011), schränkte er seine privatwirtschaftliche Tätigkeit ein, gab sie aber nicht auf. Genau dies beleuchtete Gnida, sodass Strasser einige Mühe hatte, die von ihm genannte rote Linie zwischen seiner Geschäfts-bzw. Lobbying-Tätigkeit und seinem Abgeordnetenmandat darzustellen. Zwischen November 2010 und März 2011 traf er sich dann fünfmal mit verdeckt arbeitenden englischen Journalisten.

Diese gaben sich als Vertreter einer Lobbying-Agentur aus und wollten Strasser anheuern. Ja, er habe sich eine Zusammenarbeit vorstellen können, erklärt Strasser nun. Aber erst habe er die Seriosität dieser Firma prüfen wollen. Da ihm einiges verdächtig vorgekommen sei, habe er allmählich einen Geheimdienst hinter den „Lobbyisten“ gewittert. Das ist neu: Strasser stellt nicht gänzlich auf die Agentenversion ab. Er gesteht zu, anfänglich auch geschäftliches Interesse gehabt zu haben.

Als Zeuge trat der nunmehrige ÖVP-Delegationsleiter in Brüssel, Othmar Karas, auf und belastete Strasser. Dieser habe ihm damals den Entwurf eines Abänderungsantrags für die Anlegerschutzrichtlinie geschickt. Dazu seien von Strassers Büro acht Anrufe und vier Mails gekommen. Das habe ihn skeptisch gemacht. Eingebracht habe er den Antrag nicht. Am Donnerstag wird weiterverhandelt.

AUF EINEN BLICK

Wegen Bestechlichkeit stand Ex-ÖVP-Innenminister und Ex-EU-Parlamentarier Ernst Strasser erneut vor Gericht. Er bekannte sich „nicht schuldig“. Die Strafdrohung beträgt unter Bedachtnahme auf das Recht in Belgien und Großbritannien bis zu sieben Jahre Haft. Der in Wien geführte Prozess soll kommende Woche zu Ende gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2014)

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