Ex-Minister Strasser wurde wegen Bestechlichkeit zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Nun bleibt ihm nur noch eine allerletzte Möglichkeit: ein weiterer Gang vor den OGH.
Dreieinhalb Jahre Gefängnis sind es also geworden. Nur ein halbes Jahr weniger als im ersten – später vom OGH aufgehobenen – Prozess, in dem Ernst Strasser eine vierjährige Haftstrafe erhielt. Damit schwinden nun die Möglichkeiten für den Ex-ÖVP-Innenminister, dem Gefängnis zu entgehen. Eine allerletzte, wohl nicht besonders große Chance bleibt dem 57-Jährigen noch. Der neuerliche Gang vor die Höchstrichter. Genau diesen wird er auch antreten. Sein Anwalt Thomas Kralik hat noch Donnerstagabend, sofort nach Urteilsverkündung, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet.
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Strasser war gefasst. Wie aus seinem Umfeld verlautet, rechnete er damit, erneut verurteilt zu werden. Sein nach einem Skiunfall lädiertes linkes Bein über das andere geschlagen, saß er fast entspannt da, als Richterin Helene Gnida vom Straflandesgericht Wien in ihrer typischen straffen, unverblümt-emotionslosen Art die Entscheidung des von ihr geleiteten Schöffensenats verkündete. Dreieinhalb Jahre Haft wegen Bestechlichkeit. Strasser habe 2010 als Abgeordneter zum EU-Parlament Geld, nämlich ein jährliches 100.000-Euro-Honorar, für die Abänderung zweier EU-Richtlinien gefordert. Es handelte sich um eine Richtlinie zur Eindämmung von gentechnisch modifizierten Pflanzen und eine Richtlinie zum Verbot von gefährlichen Stoffen in Elektrogeräten. Genau diese Formel, Gesetze gegen Geld, hatte das frühere Mitglied der österreichischen Bundesregierung immer bestritten.
Und darin, in der Art seiner Verantwortung, lag wohl bereits der Grundstein für die hohe Strafe.
Mit Milde konnte Strasser nicht rechnen. Dafür war seine Version von angeblichen Geheimagenten für das Gericht viel zu weit weg von jeglicher lebensnaher Betrachtung.
Strasser hatte bis zuletzt behauptet, er habe die beiden als Lobbyisten getarnten englischen Journalisten Jonathan Calvert und Claire Newell als mögliche Mitarbeiter eines Geheimdienstes enttarnen wollen. „Was soll eigentlich ein solcher Dienst von Doktor Strasser wollen?“, fragte die Richterin. Und schloss sich ihrem Richterkollegen Georg Olschak, dem Richter aus dem ersten (aufgehobenen) Prozess, an. Schon Olschak hatte dem Angeklagten erklärt: „Sie werden in Österreich kein Gericht finden, das diese Verantwortung glaubt.“ Bis jetzt behielt Olschak Recht. Auch die aktuelle Richterin stieß sich daran, dass Strasser wörtlich davon gesprochen hatte, fremde Agenten könnten ihn „einsperren und massakrieren“. Die Richterin: „Und dabei hat der Angeklagte gelacht.“ Erst auf ihr Nachfragen habe er zumindest zugestanden, dass dies symbolisch gemeint gewesen sei.
Eingestürztes Kartenhaus
Das nunmehrige Gericht wusste auch, warum ein „erfundener Geschehensablauf“ meist nicht hält: „Alles muss diesem Geschehensablauf angepasst werden.“ Und dies ließe sich eben nur selten durchziehen. Wenn man „ein Kartenhaus baut“, so müsse dieses halten, auch wenn man den Richter durch das Kartenhaus führt. Wenn das Haus bei dieser Führung „aber schon im Vorraum“ zu bröckeln beginne und dann spätestens „im Wohnzimmer komplett zusammenbricht“, dann habe man als Angeklagter verloren. Strasser, dessen in Brüssel und London im Jahr 2010 geführten Gespräche mit den vermeintlichen Lobbyisten heimlich aufgezeichnet wurden, habe keine Anstalten gemacht, Agenten zu enttarnen, er habe „offenkundige Bemühungen“ gezeigt, die Gesetzgebung im Sinne potenzieller Auftraggeber zu beeinflussen.
Einschränkung der Fußfessel
Letztlich musste der Verurteilte eine weitere strenge Entscheidung hinnehmen: So wie schon im ersten Rechtsgang wurde im Urteil ausgesprochen, dass ihm eine Fußfessel zumindest für die komplette erste Hälfte der verhängten Haftdauer verwehrt ist.
Wie stehen nun die Chancen bei einem neuerlichen Gang vor den OGH? Wohl wenig rosig. Schon einmal waren die Höchstrichter bemüht worden. Sie hatten einen Rechtsfehler in der Begründung des ersten Urteils gefunden. Und auch dazu gesagt, wie ein Urteil wegen Bestechlichkeit untermauert sein müsse. Das hatte nun dazu geführt, dass sowohl Anklage als auch Gericht peinlich bemüht waren, sich nur ja kein zweites Mal eine derartige Kritik (samt Urteilsaufhebung) einzuhandeln. Einen neuerlichen Rechtsfehler zu finden, dürfte also schwierig werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2014)