Die Macht der Sachverständigen

(c) Clemens Fabry
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Die Gutachter stehen wegen ihrer Arbeit und der deutlich gestiegenen Kosten in der Kritik. Zu Recht?

Wien. Der Bericht des Rechnungshofs spricht Bände: Zwischen 2008 und 2012 stiegen die Kosten für Sachverständige im Ermittlungsverfahren um rund 280 Prozent – auf 19,57 Millionen Euro. Dazu kommt die in Prozessen immer wieder aufkeimende Kritik an der Arbeit der Gutachter. Aber was steckt hinter den Vorwürfen, und warum werden Sachverständige immer wichtiger? Fünf Thesen zur Erklärung des Problems:

1 Sachverständige sind in immer
größerem Ausmaß nötig.

Die Zahl der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist zwar insgesamt gesunken. Aber seit 2008 wurden durch die Finanzkrise viele komplexe Ermittlungen nötig. Das erklärt auch die hohen Ausgaben für Sachverständige. Gleichzeitig kritisiert die Anwaltschaft aber auch, dass Sachverständige oft freie Hand bekommen und Aufträge daher „übergenau“ ausführen. Das kann höhere Kosten verursachen.

2 Der amtlich bestellte Sachverständige hat große Macht.

Im Strafverfahren ist das tatsächlich so. Während im Zivilverfahren private Gutachten eine Rolle spielen, ist in Strafangelegenheiten nur das Gutachten des amtlich bestellten Sachverständigen relevant. Das ist nicht unumstritten. Ein Kritikpunkt ist zudem, dass der vom Staatsanwalt für die Ermittlungen engagierte Gutachter später auch vom Gericht herangezogen wird. „Der Sachverständige wird so zum Zeugen der Anklage“, meint Josef Weixelbaum, Vizepräsident der Anwälte. Zwei verschiedene Gutachter zu betrauen würde aber die Kosten erst recht erhöhen, gibt Thomas Keppert, Obmann der Steuer- und Rechnungswesensachverständigen für Wien, Niederösterreich und Burgenland, zu bedenken.

3 Die Bestellung der Gutachter ist intransparent, deren Zahl begrenzt.

Ein Staatsanwalt sucht sich den Sachverständigen aus einer fixen Liste aus – ohne Ausschreibung. „Wir haben ein Problem bei der Auswahl der Sachverständigen, es gibt nicht so eine große Auswahl, wie es scheint“, betont Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium. Viele Experten würden sich nicht in die Liste eintragen lassen wollen, zumal man als Gerichtsgutachter „besonderen Anfeindungen ausgesetzt ist“.

Der Beschuldigte habe bei der Bestellung des Gutachters zu wenig mitzureden, lautet ein weiterer Kritikpunkt. Laut Pilnacek wird aber eine Gesetzesänderung erwogen, um der Verteidigung „mehr Möglichkeiten“ zu geben und sie konkrete Vorschläge bei der Gutachterbestellung machen zu lassen. So soll die Bestellung des Gutachters künftig weniger ein Streitthema sein.

4 Auch Sachverständige machen immer wieder Fehler.

Gutachtern wird heute stärker denn je auf die Finger geschaut. Mit ein Grund für die gestiegenen Kosten sei die Litigation-PR, meint Gerhard Jarosch, Präsident der Staatsanwälte. Weil sich Prozessbeteiligte PR-Experten für die Öffentlichkeitsarbeit holen, müssten Gutachten immer genauer ausfallen, damit die Sachverständigen sich gegen die erwartete Kritik absichern.

„Wer das Gutachterproblem der Justiz verstehen will, sollte sich den Telekom-Prozess ansehen. Unglaublich“, twitterte etwa Patrick Minar, ein Experte auf dem Gebiet der Litigation-PR, unlängst. Dass seine Zunft schuld an gestiegenen Gutachterkosten ist, glaubt er aber keinesfalls. „Es ist evident, dass Gutachten oft drastische Schwachstellen aufweisen“, betont er.

„Kein Sachverständiger ist unfehlbar“, sagt Keppert. Aber ein „guter Sachverständiger mit Selbstvertrauen“ werde, wenn tatsächlich einmal ein Fehler aufgezeigt wird, niemals ein Problem haben, das zuzugeben, meint der Gutachter. „Leider gibt es aber auch Kollegen, die auf falschen Gutachten beharren“, meint Keppert.

5 Die Justiz verlässt sich stark auf den Sachverständigen.

Im Prozess muss ein Richter das Gutachten auf seine Schlüssigkeit prüfen. Das passiere nicht immer, wird kritisiert. Das Dilemma: Würde ein Jurist sich in einer Materie auskennen, hätte er ja keinen Gutachter gebraucht. Abhilfe schaffen könnte die direkte Beschäftigung von mehr Fachexperten bei Anklägern, wie es das bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft schon gibt. Juristen und Gutachter arbeiten dort nebeneinander. Und es kann Kosten sparen, wenn Fachexperten fix beim Staat angestellt sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2014)

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