100 Tage Regierung: Schüssel und das Motto "Speed kills"

FESTAKT ZU 20 JAHREN EU-BEITRITTSVERHANDLUNGEN: SCHUeSSEL
FESTAKT ZU 20 JAHREN EU-BEITRITTSVERHANDLUNGEN: SCHUeSSEL(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Rückblick auf Schwarz-Blau: Es gab wohl keine andere Regierung, die einen so dynamischen und forschen Start an den Tag legte.

Wien. Eine Regierung, die unter schwierigen Bedingungen antritt – das gab es schon öfter. Als Wolfgang Schüssel am 4.Februar 2000 von Bundespräsident Thomas Klestil mit steinerner Miene angelobt wurde, hatte er mit ganz anderen Problemen als mit einer maroden Bank zu kämpfen. Die schwarz-blaue Regierung stand von Anfang an unter großem Druck: Im Ausland beschlossen die anderen EU-Mitgliedstaaten wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ Sanktionen gegen Österreich. Und im Inland formierte sich der Widerstand auf der Straße und manifestierte sich in wöchentlichen Donnerstagsdemos.

Die Regierung Schüssel antwortete mit einem Aktionismus, den Klubchef Andreas Khol später "Speed kills“ nennen sollte. Innerhalb kürzester Zeit wollte Schwarz-Blau das Land umgestalten und Reformen in Bereichen in Gang setzen, die zuvor als unreformierbar galten. Schon in den ersten Wochen waren in wesentlichen Bereichen die Weichen gestellt. So etwa mit dem Privatisierungsgesetz, das die Grundlage für den späteren Verkauf von Unternehmen wie Staatsdruckerei, Dorotheum, Telekom Austria oder Voestalpine bildete.

Für große Aufregung sorgten zwei Vorhaben im Sozialbereich: zum einen die Pensionsreform für Beamte, Eisenbahner und ASVG-Versicherte mit einer Anhebung des Frühpensionsalters und zum anderen Änderungen im Gesundheitsbereich wie die Einführung einer Ambulanzgebühr, die später von den Höchstgerichten gekippt wurde.

Weitere wichtige Vorhaben, die bereits in den ersten 100 Tagen der Regierung Schüssel I auf den Weg gebracht wurden: die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter, eine Reform des Mietrechts inklusive Abschaffung des Hausbesorgergesetzes, die Liberalisierung des Strommarktes oder ein neues ORF-Gesetz.

Es gab wohl keine andere Regierung, die einen derartig dynamischen und forschen Start an den Tag legte. Gleichzeitig war das Kabinett Schüssel I auch sehr fehleranfällig. Das gilt einerseits für die Personalauswahl: Vor allem auf FPÖ-Seite passierten Fehlgriffe wie Kurzzeit-Justizminister Michael Krüger oder die als Sozialministerin überforderte Elisabeth Sickl. Andererseits mussten etliche der mit „Speed“ beschlossenen Reformen wieder zurückgenommen werden. Neben der Ambulanzgebühr betraf das etwa auch das Zivildienstgesetz.

Auch das Kabinett Schüssel II startete im Jahr 2003 mit einigem Elan. So gab es wieder eine Pensionsreform mit Abschaffung der Frühpension, ein neues Asylgesetz und den Kaufvertrag für die Eurofighter. Die im Jahr 2007 folgende Regierung Gusenbauer musste sich mit bescheideneren Reformen begnügen – etwa der Senkung der Klassenschülerhöchstzahl. Das lag aber auch daran, dass in der Großen Koalition die Einigung auf Reformen wieder schwieriger wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2014)

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