Die Bilanz der neuen Köpfe

Analyse. So unterschiedlich das ÖVP-dominierte Quintett auch agiert: So richtig gefloppt ist keiner der neuen Minister und Staatssekretäre.

Andrä Rupprechter ist das Enfant terrible der Regierung. Im Links-rechts-Schema ist der Unkonventionelle nicht wirklich einzuordnen. Erst schwor er bei der Angelobung beim „heiligen Herzen Jesu Christi“, dann bekannte er seine studentische Vergangenheit als Trotzkist. Einen ÖH-Vertreter der Boku putzte er mit den Worten „Von einem aus Mecklenburg-Vorpommern brauchen wir uns nicht sagen zu lassen, wie wir Wissenschaftspolitik gestalten. Als ich studiert habe, herrschte dort noch Realsozialismus“ hinunter. Und er machte sich für ein Adoptionsrecht für Homosexuelle stark. Um eine Pointe ist er selten verlegen. Der Tiroler Landesrätin der Grünen überreichte er einen Heuballen mit dem Hinweis: „Aber bitte nicht rauchen.“ Fachlich macht der frühere EU-Agrarexperte seine Sache bisher besonnen und routiniert. (oli) [ Fabry ]

Sophie Karmasin war als Familienministerin einer der personellen Coups, mit denen ÖVP-Obmann Michael Spindelegger aufwartete. Der Umstieg der Meinungsforscherin in die Politik war allerdings überschattet vom allgemeinen Chaos, als es im ÖVP-Parteivorstand um die Ministerposten ging. Karmasin hatte das Glück, als Familienministerin rasch die schon länger geplante und aus Spargründen kurzfristig abgesagte Erhöhung der Familienbeihilfe umsetzen zu können. Allerdings ist diese finanzielle Verbesserung noch weit von der von der ÖVP im Wahlkampf versprochenen 7000-Euro-Steuerbegünstigung pro Kind und Familie entfernt. Überraschend ist, dass Karmasin mit ihrem deutlich liberaleren Familienbild in konservativen Kreisen der ÖVP oder mit Frauenquoten je nach Branche bei der Wirtschaft nicht mehr angeeckt ist. (ett)

Wolfgang Brandstetter. Der Justizminister nahm sich sehr rasch des heißen Eisens Weisungsrecht an. Gerade wenn es um strafrechtliche Fragen geht, zeigt der neue Minister seine Kompetenz. Zu zivilrechtlichen Fragen äußert er sich hingegen kaum bis gar nicht. So wollte er explizit keine Meinung zum Thema Adoptionsrecht für homosexuelle Paare oder zur Erbrechtsreform kundtun.

Brandstetter agiert als besonnener Fachmann, lässt aber ein Auftreten als Politiker ebenso vermissen wie rechtspolitische Visionen. Er macht dies zum Teil bewusst, um seine Parteiunabhängigkeit zu betonen. Dass er aber der ÖVP zuzurechnen ist, zeigte sich erst diese Woche wieder, als der Minister eine Pressekonferenz mit ausschließlich schwarzen Seniorenvertretern abhielt. (aich) [ APA ]

Jochen Danninger erfüllt für Michael Spindelegger ungefähr dieselbe Funktion wie Josef Ostermayer für Werner Faymann. Der ÖVP-Finanzstaatssekretär versucht, dem Vizekanzler still im Hintergrund arbeitend den Rücken freizuhalten. Große, öffentlich inszenierte Auftritte und Eigenprofilierung sind bei dieser Job-Description nicht vorgesehen. Danninger kommt wie der ÖVP-Chef und etliche von dessen politischen Vertrauten aus dem CV. Über Mangel an Beschäftigung kann er sich nicht beklagen. Neben Hypo, Hypo, Hypo beschäftigt ihn derzeit das Doppelbudget – und die durch die, erraten, Hypo gestiegene Staatsverschuldung. Zuvor hat er den Beamtengehaltsabschluss mitverhandelt und – mindestens ebenso schwierig – den ÖVP-Wirtschaftsbund doch noch zur Zustimmung zum Steuerpaket bewegen können. (d.n.) [APA ]

Sonja Steßl war als Finanzstaatssekretärin die Überraschung im SPÖ-Team. Die Steirerin, die aus dem Nationalrat kam, war seither mit ihrer Funktion als rote „Aufpasserin“ von ÖVP-Ressortchef Michael Spindelegger ausgelastet, die SPÖ bezeichnet sie lieber als Spiegel-Ressortverantwortliche. Erfreulich war das für die freundliche Juristin aus Feldbach nur bedingt, es ging dabei auch um die Steuererhöhungen ab März. Nun steckt Steßl mitten in den Arbeiten für das Doppelbudget 2014/15. In ein Fettnäpfchen ist sie seit dem Amtsantritt nicht getreten. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sich in Steßls Kabinett derzeit mehr Kommunikationskompetenz – vom Ex-Kanzlersprecher bis zum früheren SPÖ-Kommunikationschef – ballt als in der verwaisten SPÖ-Zentrale. (ett) [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2014)

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