Gegen die EU sei "das Dritte Reich wahrscheinlich formlos und liberal", sagte der FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl. Eine Entschuldigung lehnt er ab.
Die Kritik am freiheitlichen Spitzenkandidaten für die EU-Wahl reißt nicht ab. Andreas Mölzer hatte die Bürokratie der Europäischen Union mit dem Dritten Reich verglichen . Die EU sei eine Diktatur, „das Dritte Reich wahrscheinlich formlos und liberal", zitierte die „Süddeutsche Zeitung" Mölzer in ihrem „Magazin". Dafür hagelte es Rücktrittsaufforderungen.
„FP-Obmann Strache muss seinen Spitzenkandidaten Andreas Mölzer sofort zum Rücktritt von seiner Kandidatur bewegen", betonte Grüne-Chefin Eva Glawischnig am Montag in einer Aussendung. „Wer keinen Unterschied erkennen kann zwischen dem totalitären Regime eines Hitler und der EU-Kommission", der habe im Europäischen Parlament nichts verloren. Immerhin wurden damals Zeitungen, Literatur und Kunst zensiert, die freie Religionsausübung massiv behindert. „So sah das laut Mölzer angeblich so liberale Alltagsleben im NS-Regime aus", meinte Glawischnig.
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, sah in Mölzers NS-Vergleich eine gezielte Provokation. „Damit möchte er wohl gegenüber seiner politischen Klientel eine unbefangene Beziehung zu einschlägigem Gedankengut deutlich machen", mutmaßte Deutsch. Mölzer zeige auch „unverhohlen, dass es sich bei diesem Vergleich nicht um einen sogenannten spontanen rhetorischen 'Ausrutscher' handelt, sondern dass er vielmehr in keiner Weise bereit ist, auf derartig einschlägige verdrehte und geschmacklose Narrative zu verzichten." Der Freiheitliche solle seine Kandidatur umgehend zurückziehen.
Andreas Mölzer hat schon oft mit Äußerungen für Wirbel gesorgt, doch die FPÖ stand bisher stets hinter ihm. Nach seinem Vergleich der EU-Bürokratie mit dem „Dritten Reich“, der Verwendung des Wortes "Negerkonglomerat" und der Attacke gegen Fußballer David Alaba hat sich das nun geändert: Mölzer zieht sich wegen "Vertrauensverlust in der Partei" als EU-Spitzenkandidat zurück. Eine Auswahl von Sagern, mit denen Mölzer aufregte. APA/HERBERT PFARRHOFER Zurück zu den alten Werten, lautete das Credo des Publizisten, der in den 90er-Jahren in einem „profil"-Interview über sich selbst meinte: „Das rechtsintellektuelle Lager bin ich allein." APA Für einen Eklat sorgte Mölzer im Februar 1992: Vor dem Freiheitlichen Akademikerverband äußerte er seine Befürchtung, dass sich in Deutschland und Österreich eine „Umvolkung" anbahne. Dieser Eklat sorgte nicht nur für massive Kritik, sondern führte indirekt auch zur Abspaltung von Heide Schmidt von der FP und zur Gründung des Liberalen Forums. 2004 zog Mölzer in seiner Eigenschaft als Herausgeber und Chefredakteur der Wochenzeitung „Zur Zeit" den Zorn seiner Parteikollegen auf sich. Unter dem Titel „Was bleibt von der Dritten Kraft?" stellte er die FPÖ als „marginalisierten" und „ohnmächtigen kleinen Partner in einer Mitte-Rechts-Koalition" dar und als eine Partei, der „Freund und Feind - mit Ausnahme der eigenen Parteiführung - bescheinigen, gescheitert zu sein". Im Jänner 2005 enthielt sich Mölzer bei der Abstimmung im EU-Parlament über eine Resolution zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz der Stimme. Der Grund: „Die heutige Republik Österreich hat keine Mitverantwortung zu tragen.“ Zwei Monate später folgte der Höhepunkt des Streits zwischen den Anhängern Jörg Haiders und dem rechten Flügel der Partei. Mölzer wurde parteischädigendes Verhalten vorgeworfen und aus der Kärntner FPÖ ausgeschlossen. APA Auch nach seinem Ausschluss ebbte die Kritik an der FPÖ nicht ab. In einem Gastkommentar in der „Kleinen Zeitung“ erklärte Mölzer 2012: „Klar fällt es den politischen Erben Jörg Haiders schwer, den rechtlich mehr als fragwürdigen und moralisch als skrupellos zu bezeichnenden politischen Stil des Bärentalers einzubekennen.“ APA/HERBERT PFARRHOFER Immer wieder Wirbel um Mölzer Auch für Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, hat sich Mölzer „für jegliches politisches Amt in einem demokratischen Land disqualifiziert". Er glorifiziert "ein diktatorisches System, zu dessen Kern Rassenwahn, politische Verfolgung und Genozid gehört haben", so Pollak per Aussendung. Für Wolfgang Moitzi, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend, ist Mölzer sowohl als EU-Wahl-Kandidat als auch als „Abgeordneter rücktrittsreif".
Mölzer: "Das lasse ich mir nicht verbieten" Mölzer zeigte sich von der Kritik bisher unbeeindruckt. In einem Interview mit der Tageszeitung „Österreich" erklärte er am Sonntag: „Ich habe einen generellen Vergleich mit den Regimes im 20. Jahrhundert gemacht. Und es ist so: Diese Diktaturen hatten weniger Regeln als die EU." Von einem Rücktritt will er nichts wissen, eine Entschuldigung lehnt er ebenfalls ab: „Das habe ich schon immer gesagt und das lasse ich mir nicht verbieten."
Bei der letzten EU-Wahl war Ernst Strasser dem Europapolitiker Othmar Karas vor die Nase gesetzt worden. Mit seinem Vorzugsstimmenwahlkampf trug Karas damals wesentlich zum Erfolg der ÖVP bei. Diesmal setzt die Volkspartei ganz auf Karas und auf einen Pro-Europa-Kurs. Man könne gar nicht anders, sagt Generalsekretär Gernot Blümel. „Europa ist in unserer DNA verankert.“ Blümel gesteht, dass ein Negativwahlkampf leichter zu führen sei. „Die Europaskeptiker sprechen den Bauch an, wir den Kopf.“ Es werde darum gehen, die eigenen Argumente gut rüberzubringen. (c) APA Das Wahlkampfbudget will Blümel (Bild) nicht verraten, man wolle aber einen ordentlichen Wahlkampf auf die Beine stellen. Social-Media-Aktivitäten werden einen Schwerpunkt bilden, die Mobilisierung der eigenen Mitglieder einen weiteren. Aufgrund der traditionell niedrigen Wahlbeteiligung bei EU-Wahlen kann die Volkspartei schon mit den eigenen Mitgliedern ein respektables Ergebnis erreichen. Und gerade in diesem Kernsegment komme Karas gut an, sagt Blümel. Eine Gefahr droht noch bei der Listenerstellung: Da es maximal sechs wählbare Plätze gibt, könnte man – wie schon bei der Regierungsbildung – einige Landes- und Teilorganisationen verärgern. (c) APA Eugen Freund geht auf Reisen. Nach seinem nicht gerade glücklichen Start in den EU-Wahlkampf wird der SPÖ-Spitzenkandidat in den nächsten Wochen durch die Bundesländer tingeln – (noch) nicht, um Reden auf öffentlichen Bühnen zu halten, sondern um allen Landesparteien einen Besuch abzustatten. Die Parteibasis wolle den pensionierten ORF-Journalisten persönlich kennenlernen, lautet die diesbezügliche Erklärung aus der Bundespartei. Es gibt aber auch eine inoffizielle: Freund müsse die skeptischen Funktionäre möglichst schnell von sich überzeugen, um sie für den Wahlkampf zu mobilisieren. (c) APA Dementsprechend bescheiden nimmt sich auch das Wahlziel aus: stärker werden als im Jahr 2009, als man fast zehn Prozentpunkte verloren hat. Anders als vor der Nationalratswahl wird der Anspruch auf Platz eins nur zaghaft erhoben. Das sagt auch einiges über die internen Umfragen aus. Inhaltlich bleibt die SPÖ ihren Themen treu: Es wird wieder um Beschäftigung gehen, garniert mit ein wenig Kapitalismuskritik. Inoffizieller Wahlkampfauftakt ist die Sitzung des Parteirats am 28. Februar in Wien. Wie hoch sein Budget ist, verrät Wahlkampfleiter Norbert Darabos (Bild) vorerst nicht. Das gilt auch für die Kampagnendetails: Man verhandle gerade mit der einen oder anderen Agentur. (c) APA Das Spitzenkandidaten-Duo der FPÖ hat sich die Arbeit in etwa so aufgeteilt: Harald Vilimsky (Bild) wird die Kritik an der EU formulieren – und zwar „durchaus deftig“, wie es heißt. Andreas Mölzer, der erfahrene Abgeordnete und Publizist, soll dann die Lösungsansätze skizzieren. Eine Art „Good Cop, Bad Cop“ also. Grundsätzlich werde sich die FPÖ „als europaskeptische, aber nicht als europafeindliche Partei“ positionieren, sagt Mölzer. Ihr Ziel sei eine Alternative „zum zentralistischen Bundesstaat EU“, nämlich eine „Konföderation selbstbestimmter Staaten und Völker“. (c) APA Mit dieser Haltung rechnet man sich Chancen auf Platz eins aus, auch wenn Mölzer (Bild) vorsichtig bleibt: „Wir sehen uns schon auf Augenhöhe mit der SPÖ und der ÖVP. Aber alles Weitere ist eine Frage der Mobilisierung.“ In den Intensivwahlkampf will die FPÖ rund um Ostern starten. Für den 1. Mai, den Tag der Arbeit, ist ein großes Event geplant – vermutlich in Wien. Und obwohl er „kein Plakatfetischist“ sei und bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad habe, wird Mölzer dann auch auf Plakaten zu sehen sein. Gemeinsam mit Vilimsky und Parteichef Heinz-Christian Strache. Wie viel man sich das kosten lasse, bleibt bis auf Weiteres das Geheimnis von Wahlkampfleiter Herbert Kickl. (c) APA Die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek weiß: „Mit Außenpolitik gewinnt man keinen Blumentopf.“ Es sei schwierig, Menschen davon zu überzeugen, dass die EU-Wahl für sie persönliche Konsequenzen nach sich zieht. Genau das ist eine der Hauptaufgaben ihrer Partei: Jene Menschen, die bei der Nationalratswahl am 29. September ihr Kreuz bei den Grünen gemacht haben, zu überzeugen, es auch am 25. Mai zu tun. Wenn möglich, noch ein paar mehr: 12,5 Prozent bzw. drei Mandate wollen die Grünen erreichen. (c) APA Dafür wollen sie nach Ostern in den Intensivwahlkampf starten. 1,7 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Den Wahlkampf leiten Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner und sein Kommunikationsteam rund um Martin Radjaby. Das Thema Energiewende (und der Kampf gegen die Atomindustrie) soll laut Wallner (Bild) im Mittelpunkt stehen. Aber auch der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, die Bildung sowie die Korruptionsbekämpfung. Gekämpft wird auch um Vorzugsstimmen: Die niederösterreichischen Grünen sind mit Listenplatz fünf für ihre Chefin Madeleine Petrovic alles andere als zufrieden und haben einen Vorzugsstimmenwahlkampf angekündigt. Die Mittel für eine persönliche Kampagne sollen aber gerecht verteilt werden. (c) APA Neos-Chef Matthias Strolz kann es gar nicht oft genug betonen: „Wir sind verliebt in Europa. Wir lieben Europa.“ Diese Sprüche wird man auch in den nächsten Monaten bis zur EU-Wahl noch hören. Denn der Wahlkampf soll emotionalisieren, sagt Grace Pardy, die für die Neos-Kampagne zuständig ist. Dabei will die Partei vor allem im Internet und durch persönliche Kontakte auf Wählerfang gehen. So wird es die „Neos at Home“-Abende wieder geben, bei denen Parteianhänger in den Wohnzimmern mit potenziellen Wählern plaudern. Das hat einen Grund: Die Mittel sind begrenzt. Rund eine Million haben die Neos für den Wahlkampf budgetiert. Nun hofft man auf weitere Spenden. Fabry Wer Spitzenkandidat wird, ist allerdings offiziell noch nicht klar. Aller Voraussicht nach wird es aber die Abgeordnete Angelika Mlinar werden. Vorher muss sie sich aber einer Vorwahl stellen: Jeder EU-Wahlberechtigte kann online für seinen Lieblingskandidaten stimmen, dazu geben auch Vorstand und Parteimitglieder ihre Präferenzen ab. Am 15. Februar entscheidet sich bei einer Vollversammlung, ob Mlinar tatsächlich an der Spitze kandidieren darf. Ein Ziel hat die Partei aber schon jetzt: Zehn bis elf Prozent will man erreichen. APA Hans-Peter Martin ließ sich die Entscheidung über eine Kandidatur bis zum Schluss offen. Am 25. März gab er sie schließlich bekannt: Er wird nicht kandidieren. Im Gespräch mit dem "Falter" erläuterte er seine Gründe für das Karriere-Aus: "Zu viele Mächtige in Österreich wollen keine echt unabhängige Person in der Politik. Und der Sog hin zur rechtsradikalen FPÖ ist beängstigend stark, begünstigt sogar noch von einigen Medien", sagte Martin.Vor fünf Jahren hatte Martin rund 18 Prozent der Stimmen erhalten. (c) APA Sicher antreten wird ein anderer EU-Abgeordneter: Ewald Stadler, derzeit auf einem BZÖ-Mandat, hat mit den „Rekos“ eine eigene, konservativ-katholische Partei gegründet. Auch das BZÖ will diesmal wieder antreten. Das Team Stronach dagegen denkt noch über eine Kandidatur nach. Es fehlen nicht nur die finanziellen Mittel, es fehlt auch ein zugkräftiger Spitzenkandidat. Für ein Antreten haben sich die Piraten entschieden – sie bilden gemeinsam mit der KPÖ eine Liste. (c) APA Freund reist, FPÖ spielt ''Good Cop, Bad Cop'' >> Interview mit „Österreich"
(Red.)
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