Ämter sollen nicht mehr schweigen

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Ostermayer(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Regierung einigt sich auf ein Verfassungsgesetz, das die Behörden ab 2016 zu mehr Auskünften verpflichtet. Doch ein Ombudsmann, der das kontrolliert, kommt nicht.

Wien. SPÖ und ÖVP haben sich auf eine Abschaffung des Amtsgeheimnisses in der bisherigen Form geeinigt. Ab 2016 sollen neue Regeln in der Verfassung gelten. Nur was bedeutet der von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer am Dienstag vorgelegte Entwurf? „Die Presse“ ist den wichtigsten Fragen nachgegangen.

1 Wie ist die Rechtslage bisher, und warum war die bestehende Regelung unbefriedigend?

Das Amtsgeheimnis ist momentan in der Verfassung verankert. Allerdings war auch bisher schon verbrieft, dass Bürger ein Recht auf Information haben, sofern nicht andere wichtige Interessen dadurch verletzt werden. Das Problem war vor allem, dass die Gesetzeslage in der Praxis restriktiv gehandhabt wurde. So wurde zum Beispiel einem Bürger von der Gemeinde Langenzersdorf mitgeteilt, dass das Ergebnis der Vorzugsstimmen bei der Gemeinderatswahl geheim bleibt.

2 Was ändert sich durch die Novelle, und welche Stellen sind davon betroffen?

Die neue Regelung dreht den Spieß gewissermaßen um. Statt verschwiegen soll die Verwaltung grundsätzlich auskunftsfreudig sein. „Informationen von allgemeinem Interesse, insbesondere allgemeine Weisungen, Statistiken, Gutachten und Studien“ müssen die Behörden von sich aus veröffentlichen. Das ist tatsächlich ein Fortschritt gegenüber jetzt. In der Vergangenheit wurde kritisiert, dass manche Ministerien zwar öffentliches Geld für Studien ausgeben, aber diese nur dann veröffentlichen, wenn das Ergebnis dem Minister politisch in den Kram passt.

Die neuen Veröffentlichungsregeln gelten für alle Organe der Gesetzgebung, Verwaltung und der Gerichtsbarkeit – und zwar sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Und auch für Unternehmen, die überwiegend der öffentlichen Hand gehören.

3 Wann können die Behörden auch in Hinkunft die Auskunft verweigern?

Wer als Bürger spezifische Fragen hat, soll auch darüber Auskunft erlangen. Aber Ausnahmen bleiben. Geheim sind Akten etwa weiterhin, wenn es dafür zwingende außenpolitische Gründe gibt. Oder die Verschwiegenheit wegen der nationalen Sicherheit, der Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe nötig ist. Die Behörde hat zu entscheiden, wann einer dieser Gründe vorliegt. Das sei kein Fortschritt, betont der Wiener Jus-Dekan Heinz Mayer gegenüber der „Presse“. Schon bisher hätten Bürger Auskunft bekommen müssen, wenn keiner dieser Gründe dagegen spricht.

Laut Novelle kann auch über die in der Verfassung ausdrücklich genannten Bereiche hinaus noch per einfachem Gesetz eine Schweigepflicht für Themen angeordnet werden. Das ärgert Josef Barth von der Initiative transparenzgesetz.at. Er sieht im Entwurf „keinen Fortschritt, im Gegenteil“, sagt er.

4 Was kann man als Bürger tun, wenn die Behörde eine Auskunft zu Unrecht verweigert?

Schon bisher konnten Bürger gerichtlich feststellen lassen, dass das Auskunftsrecht verletzt wurde. Das Problem: Einblick in die Unterlagen hatten weiterhin nur die Behörden. Und diese sollen sich manchmal auch nach einem Gerichtsurteil wenig auskunftsfreudig gezeigt haben.

Deswegen forderte die Initiative transparenzgesetz.at, dass ein Informationsbeauftragter zwischengeschaltet wird, der in Streitfällen die Akten betrachtet und entscheidet, ob ein Bürger eine Auskunft erhalten darf. Daraus wird nichts. Man habe nicht mit einer neuen Funktion „die Verwaltung aufblähen wollen“, sagt Ostermayer. Stattdessen sollen Bürger sich gerichtlich (bis hin zu Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof) beschweren können, wenn eine Auskunft verweigert wird. Die Behörden müssten aber gegenüber den Gerichten weiterhin nicht alle strittigen Akten vorlegen, meint Dekan Mayer. Es reiche aus, wenn sie glaubhaft machen, warum sie einen bestimmten Punkt geheimhalten wollen. Es sei „ein Riesenproblem“, dass kein Informationsbeauftragter komme, meint Experte Hubert Sickinger von der Transparenzinitiative, auch aus finanziellen Gründen, falls Bürger erst Gerichtskosten zahlen müssten, um Auskunft zu erhalten.

5 Woran wird man nun messen können, ob die Novelle ein tatsächlicher Fortschritt ist?

Viel wird davon abhängen, wie die Detailgesetze aussehen, die der Verfassungsbestimmung folgen. Die einfachgesetzlichen Normen sollen bis Mitte 2015 fixiert werden. Und entscheidend wird auch sein, ob die Novelle ein Umdenken bei Behörden bewirkt, wenn Bürger in der Praxis Auskunft begehren.

Für den Beschluss des Verfassungsgesetzes – es wird nun in Begutachtung geschickt – ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die Zustimmung der Opposition ist wahrscheinlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2014)

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