Inside U-Ausschuss: Wie Kontrolle funktioniert

U-Ausschuss
U-Ausschuss(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Tribunal oder Klärung politischer Verantwortung? Wie Untersuchungsausschüsse bisher in der Praxis abliefen. Und warum manche Reformer zu viele amerikanische Gerichtsfilme gesehen haben dürften.

Wien. Die einen halten einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss für ein unerträgliches Tribunal, bei dem nicht wirklich etwas herauskommt. Für die anderen ist es ein notwendiges Kontrollinstrument, das politische Verantwortung aufdeckt. Was stimmt wirklich?

Für die Öffentlichkeit ist das nicht so einfach erkennbar. Denn U-Ausschüsse sind nicht öffentlich, Ton- und Bildaufzeichnungen sind streng verboten. Außer den Abgeordneten dürfen lediglich die Vertreter der Medien zuhören. Ja, man kann die Protokolle nachlesen – aber wer kämpft sich schon durch Tausende von Seiten?

Wenn man als Berichterstatter, der bei allen U-Ausschüssen seit 2006 dabei war, die Eindrücke sortiert, bleibt in erster Linie haften: Die Angelegenheit ist über weite Strecken unglaublich lähmend. Stundenlange Befragungen, in denen Zeugen von untergeordneter Bedeutung dasselbe mehrmals wiederholen müssen, prägen den Alltag. Dazwischen kommen natürlich die Highlights, die in der Berichterstattung breiten Raum finden.

Das kann humoristische Züge tragen, wenn etwa im Eurofighter-U-Ausschuss ein schrulliger Ministerialrat ungefragt erzählt, wie Schießübungen auf das Bild des eigenen Ministers veranstaltet wurden. Es kann sich aber auch plötzlich ein entlarvendes Sittenbild auftun, wenn – ebenfalls zum Thema Eurofighter – PR-Berater erklären, wofür sie sechs Millionen Euro kassiert haben – und die fehlende Antwort mit Arroganz kaschieren.

Pflanzerei im Parlament

Sind die Zeugen einem Tribunal ausgesetzt? Da muss man etwas weiter ausholen. Das Instrument U-Ausschuss hat eine große Stärke: Man kann Politselbstdarstellern, die sich mit ausweichenden Stehsätzen um die Beantwortung von Fragen drücken, etwas entgegensetzen. Zum Vergleich möge man sich einmal dringliche Anfragen in einer Nationalratssitzung anhören: Kaum eine Frage wird da ernsthaft beantwortet, Minister geben Antworten, die oft an Pflanzerei grenzen.

Im U-Ausschuss ist das nicht so leicht möglich. Da kann in einem Frage-Antwort-Spiel einmal, fünfmal, zehnmal nachgefragt werden, bis kein Ausweichen mehr möglich ist. Notwendig dafür: genaue Kenntnis der Akten und eine präzise Fragetechnik. Ist das mit Tribunal gemeint? Vermutlich ja, denn da kann es für die Zeugen auch richtig unangenehm werden. Und da kann es dann auch – wie im letzten U-Ausschuss geschehen – passieren, dass ein ehemaliger Kabinettsmitarbeiter mit der Wahrheit herausrückt: dass nämlich der Finanzminister entgegen bisherigen Behauptungen sehr wohl Einfluss auf den Buwog-Verkauf genommen hat – trotz Auslagerung des Vergabeverfahrens.

Mehrere U-Ausschüsse lang ruhte die eigentliche Ausschussarbeit auf den Schultern von zwei Abgeordneten, nämlich Peter Pilz und Ewald Stadler, die diese Fragetechnik perfektioniert hatten, während andere durch Unkenntnis der Aktenlage und Fragen an der Grenze zur Peinlichkeit auffielen. „Herr Bundeskanzler, hatten Sie im Untersuchungszeitraum Kontakt mit dem Verteidigungsminister?“, könnte als negatives Highlight gelten, wäre da nicht noch die Nachfrage gekommen: „Und bei welchen Gelegenheiten?“ Dass es auch anders geht, hat der letzte U-Ausschuss zum Thema Korruption gezeigt: Da waren dann plötzlich alle Parteien engagiert bei der Sache.

Gesamteindruck aus mehreren U-Ausschüssen: Von Tribunal kann keine Rede sein, der Begriff wird eher gezielt in die Schlacht geworfen, um das lästige Instrument der parlamentarischen Untersuchung zu diskreditieren. Manche Dinge gehören allerdings tatsächlich abgestellt: stundenlange Befragungen, die die Zeugen an die Grenze der physischen Belastbarkeit bringen, sind in den meisten Fällen nicht nötig und könnten mit einer strafferen Verfahrensführung verhindert werden. Auch manche parteitaktische Spielchen wären nicht nötig – als beispielsweise im Korruptions-U-Ausschuss Monika Langthaler Rede und Antwort stand, war bei vielen Fragestellern die Freude erkennbar, endlich auch den Grünen etwas anhängen zu können.

Womit wir bei der Funktion des Vorsitzenden wären. Dass dieser gleichzeitig als Fragesteller auftritt, hatte bisher in der Praxis keine negativen Auswirkungen. Wer sich einen überparteilichen Vorsitzenden wie bei einem Gerichtsverfahren wünscht, hat sich wohl eher amerikanische Gerichtsfilme zum Vorbild genommen und nicht österreichische Gerichte – da führt nämlich der Richter die Vernehmungen fast im Alleingang durch.

Machtloser Vorsitzender

Was tatsächlich Vorteile brächte, wären größere Kompetenzen für den Vorsitzenden. Dessen Möglichkeiten, das Verfahren zu straffen und unnötige Wiederholungen zu unterbinden, sind minimal. Einem Abgeordneten eine Frage verbieten– diese Diskussion fange er sich erst gar nicht an, bekannte Martin Graf, einst Vorsitzender im Banken-U-Ausschuss. Denn das löse eine Debatte aus, die länger als die Beantwortung der Frage dauere.

Bleibt die Frage: Was bringt ein U-Ausschuss? Bisher sind die Ergebnisse nicht so schlecht, wie einige Beispiele zeigen: Beim Eurofighter wurde die Existenz der Firma Vector Aerospace bekannt, über die zigmillionen Euro Schmiergeld gelaufen sein dürften. Der Banken-U-Ausschuss führte zu einer Neuaufstellung der Bankenaufsicht. Und im Korruptions-U-Ausschuss wurden zahlreiche dubiose Zahlungsflüsse von staatsnahen Firmen ins Umfeld von Parteien publik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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