Homosexuelle und der „weite Weg“ der ÖVP

(c) Die Presse (Eva Rauer)
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Selbst konservative Vertreter der ÖVP wollen mehr Rechte für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Auch wenn es um symbolische Punkte geht, ist dies ein Zeichen der Öffnung einer Partei.

Wien. Dass Homosexuelle nach der Verpartnerung keinen gemeinsamen Familiennamen tragen dürfen, sei „eine unnötige Kränkung“. Auch sollte man der Symbolik wegen die Verpartnerung in einem Standesamt ermöglichen. Das sagt niemand Geringerer als Andreas Khol, Chef des ÖVP-Seniorenbunds und als Vertreter des konservativen Lagers in der ÖVP bekannt. Die von Familienministerin Sophie Karmasin vorgeschlagenen Änderungen befürwortet Khol. Justizminister Wolfgang Brandstetter und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner betonten am Dienstag, sie könnten sich eine solche Novelle „gut vorstellen“.

Das ist sinnbildlich dafür, dass die ÖVP sich nun leichter mit einem Thema tut, das ihr jahrelang schwergefallen ist: die Rechte von Homosexuellen. Auch wenn Khol im Gespräch mit der „Presse“ sein Ja zur Novelle damit erklärt, dass man der jüngeren Judikatur von Verfassungsgerichtshof (VfGH) und Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) zu Homosexuellen nachkommen wolle. In früheren Zeiten aber ließ es die ÖVP erst auf ganz konkrete Urteile ankommen. Bevor der VfGH im Jahr 2002 den umstrittenen §209 des Strafgesetzbuchs aufhob, war man nicht bereit, das Schutzalter für homosexuelle Beziehungen unter 18 Jahre zu senken. Auch als der steirische ÖVP-Politiker Christopher Drexler 2004 einen Vorstoß für eine Eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle wagte, reagierte der damalige ÖVP-Chef, Wolfgang Schüssel, betont einsilbig. Dazu sage er „am besten nichts“, erklärte er nach dem Ministerrat. Warum? „Deshalb“, so Schüssels Antwort auf die Nachfrage.

Bewegung brachte erst 2007 die von Josef Pröll geleitete Perspektivengruppe. Pröll – damals Umweltminister – war dafür, dass Homosexuelle eine Eingetragene Partnerschaft im Standesamt schließen können. Das missfiel dem damaligen Innenminister, Günther Platter, aber auch einem gewissen Michael Spindelegger, zu dieser Zeit Zweiter Nationalratspräsident. „Es ist ja so, dass im Standesamt zur schönen Jahreszeit besonders gern geheiratet wird – das führt automatisch zum Kontakt zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren. Ob das so gut ist, sei dahingestellt“, sagte der heutige Parteichef 2008 im „Presse“-Interview.

Andere in der Partei formulierten härter. Der inzwischen verstorbene Nationalrat Vinzenz Liechtenstein warnte 2005 vor dem „Homo-Irrweg“. Die Wiener Gemeinderätin Ines Anger-Koch kritisierte die Idee gleichgeschlechtlicher Pflegeeltern: „Das griechische und römische Reich, wo Sodom und Gomorra dann immer mehr wurden, sind zugrunde gegangen“, meinte sie 2006. Andererseits gab es in der ÖVP die Initiative „Stark, schwarz. Schwul“. Ihr bekanntester Proponent, Feri Thierry, ist inzwischen als Generalsekretär zu den Neos abgewandert.

Schranken eingebaut

Als Pröll die Parteispitze erklomm, wurde die Homo-Partnerschaft (ab 2010) eingeführt. Die ÖVP sei einen „sehr weiten Weg gegangen“, erklärte er damals. Das Thema sei ein No-go gewesen, nun werde die Neuerung „von den meisten“ in der Partei mitgetragen. Damit dem so ist, baute man Schranken ein: keine Zeremonie, kein Familienname. Einer der Partner darf den Namen des anderen zusätzlich führen, aber ohne Bindestrich zwischen den Nachnamen. Erst der VfGH hob das Bindestrich- oder Zeremonieverbot auf. Was blieb, ist das Verbot des Familiennamens oder das fehlende Recht auf eine Verpartnerung im Standesamt. Laut Gesetz hat sie bei der Personenstandsbehörde stattzufinden, abseits der Statutarstädte ist das die Bezirkshauptmannschaft.

Karmasins Vorstoß ist laut ihr selbst nicht mit Spindelegger abgesprochen. Oder ist alles ein Parteimanöver, um von der Debatte über ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare, das die ÖVP-Spitze ablehnt, wegzukommen? Vorreiter Drexler glaubt das nicht und freut sich über „modernere“ gesellschaftspolitische Ansätze in der ÖVP: „Ich sehe nun die ersten zarten Pflänzchen sprießen. Schön.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2014)

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