Die FPÖ steht vor der Zerreißprobe

 Andreas Mölzer
Andreas Mölzer(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Heinz-Christian Strache zwang Andreas Mölzer, der nicht mehr ins neue Strategiekonzept passt, zum Rückzug. Die nationalkonservativen Kernwähler werden das nicht so ohne Weiteres hinnehmen.

Wien. Man darf gespannt sein, wie „Zur Zeit“ die Geschehnisse kommentieren wird: als „Kniefall der FPÖ-Führung vor der Political Correctness“? So oder so ähnlich wird es wohl zu lesen sein. Und das könnte für Heinz-Christian Strache dann doch noch zu einem Problem werden: wenn ihn das in freiheitlichen Haushalten viel gelesene (Propaganda-)Blatt aus dem Haus Mölzer fallen lässt – so wie er nun Andreas Mölzer hat fallen gelassen.

Der Unmut dort, im nationalfreiheitlichen Milieu bis hinein in rechtskonservative Kreise, deren Vertreter auch immer wieder in Mölzers Magazin zu Wort kommen, ist beträchtlich. „Die Enttäuschung ist groß“, sagt einer von ihnen. Nach Martin Graf hat Heinz-Christian Strache mit Andreas Mölzer einen weiteren gewichtigen Exponenten des Burschenschafterlagers entfernt.

Die FPÖ steht vor einer Zerreißprobe, die sich fürs Erste in einem Mobilisierungsproblem für die EU-Wahl niederschlagen könnte. Was das nationale Lager zu Wege bringen kann, hat es 2004 bei Mölzers Vorzugsstimmenkampagne gezeigt. Nun wird es sich zurückhalten. An eine eigene Mölzer-Liste ist allerdings nicht gedacht. Auch Mölzer selbst will das allem Anschein nach nicht.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat seinen jahrelangen Wegbegleiter, der einst mitgeholfen hat, ihn auf den Schild zu heben, zum Rückzug gezwungen. Vorbei die Zeiten, als Mölzer Strache in seiner Zur-Zeit-Edition noch ein Interviewbuch („Neue Männer braucht das Land“) gewidmet hat.

Hatte sich Strache nach Mölzers Vergleich der EU mit dem NS-Regime und dessen „Negerkonglomerat“-Sager noch hinter seinen designierten EU-Spitzenkandidaten gestellt – die danach bekannt gewordenen Verunglimpfungen des Fußballidols David Alaba („pechrabenschwarz“) in „Zur Zeit“ von vor zwei Jahren konnte er nicht mehr hinnehmen. Die Distanz, auf die andere europäische rechtspopulistische Parteien zur FPÖ gingen, tat ihr Übriges. Die EU-Allianz vom Front National bis zu den Schwedendemokraten war in Gefahr geraten. Eine Allianz, die – Ironie am Rande – Andreas Mölzer eingefädelt hatte.

Die Strategie der FPÖ-Führung unter Heinz-Christian Strache ist offensichtlich: Oberstes Ziel, dem alles untergeordnet wird, ist es, Wahlen zu gewinnen. Auf ideologische Befindlichkeiten wird keine allzu große Rücksicht mehr genommen. Österreich-Patriotismus statt Deutschnationalismus, das Aufsplitten der Ausländer in zwei Klassen: die Guten, die sich integrieren, die Bösen, die das nicht machen. Kein Anstreifen mehr am rechten Rand, gemäßigter in der Wortwahl.

Dies alles trägt in erster Linie die Handschrift Herbert Kickls, der mit den Burschenschaftern schon immer ein Problem hatte, sich von Ariel Muzicant, dem früheren Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, dennoch mit Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels vergleichen lassen musste.

Ereignisse überschlugen sich

Andreas Mölzers Rückzug war einigermaßen turbulent verlaufen. Am gestrigen Dienstag überschlugen sich die Ereignisse: Erst brach Mölzer das am Vorabend nach der Aussprache mit Strache bis Mittwoch vereinbarte Stillschweigen. In einer Stellungnahme kündigte er seinen Rückzug als EU-Spitzenkandidat an. „Nicht der anhaltende Druck der gesamten politisch korrekten Medienlandschaft des Landes und die geheuchelte Empörung des politischen Establishments der Republik, auch nicht die von der ultralinken Jagdgesellschaft organisierte Hetze zwecks strafrechtlicher Verfolgung meiner Person veranlassen mich dazu. Es ist der offensichtliche Vertrauensverlust in meiner Partei, der mich dazu bewegt“, so Mölzer. Wenig später ergänzte sein Sprecher, dass Mölzer aber auf der freiheitlichen EU-Liste bleiben werde.

Darauf folgte eine Aussendung von FPÖ-Generalsekretär Kickl, in der von „Mölzers Rückzug von seiner Kandidatur zur EU-Wahl“ die Rede war. Woraufhin Mölzers Sprecher via Austria Presse Agentur kundtat, dass sich Mölzer „gänzlich von der FPÖ-Liste für die EU-Wahl zurückzieht“. Nähere Erklärungen werde es erst nach dem Parteivorstand am Mittwoch geben.

Weitere Infos:www.diepresse.com/moelzer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ARCHIVBILD: ANDREAS MOeLZER (FPOe)
Politik

"Heiße Kartoffel" Mölzer-Verhetzungs-Anzeige

Der Autor Köhlmeier hat eine Anzeige in Feldkirch gegen den mittlerweile zurück getretenen FPÖ-Kandidaten für die Europawahl eingebracht. Die Staatsanwaltschaft sieht sich nicht zuständig.
Meinungsforscher: "FPÖ grenzt sich vom braunen Rand ab"
Politik

Meinungsforscher: "FPÖ grenzt sich vom braunen Rand ab"

Der "Emanzipationsprozess" der FPÖ habe schon lange vor Mölzers Abgang begonnen, sagt Meinungsforscher Bachmayer. Eine Umfrage zur EU-Wahl sieht die FPÖ bei 18 Prozent.
FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky
Politik

FPÖ: Mölzers Sohn soll Chefposten bei "Zur Zeit" abgeben

Generalsekretär und EU-Spitzenkandidat Vilimsky stößt sich an der Doppelrolle Mölzers als Parlamentarier und Chefredakteur. Er will die Causa parteiintern diskutieren.
PK 'FP-KANDIDATEN FUeR DIE EU-WAHL': MOeLZER
Politik

23.000 unterstützen Köhlmeiers Anzeige gegen Mölzer

Autor Michael Köhlmeier bringt heute seine Anzeige gegen den zurückgetretenen freiheitlichen Spitzenkandidaten zur EU-Wahl ein.
PK NACH FP�-VORSTAND: VILIMSKY
Europa

Vilimsky: Begriff "Neger" war nicht das Problem

Der Generalsekretär löst Andreas Mölzer als FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl ab. Er sieht sich als "Speerspitze" und will Kompetenzen nach Wien zurückholen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.