Italien: Das EU-Duell der beiden Populisten

Italien, EU-Wahl, Renzi, Grillo
Italien, EU-Wahl, Renzi, Grillo(c) REUTERS (REMO CASILLI)
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Im italienischen Wahlkampf geht es gar nicht mehr um Europa, sondern voller Verbissenheit darum, wer die Entscheidungsschlacht gewinnt: Matteo Renzi oder Beppe Grillo.

Rom. „Wir schaffen soziale Gerechtigkeit! Wir schenken jenen, die wenig verdienen, ein 14.Monatsgehalt!“ So ruft's der eine. Der andere wütend: „Das ist Stimmenkauf! Italien wird von einem vulgären Lügner, einem schäbigen Hanswurst aus der Provinz regiert!“

Vier Wochen vor der Europawahl hat sich die Kampagne in Italien auf eine verbissene und täglich schärfere Entscheidungsschlacht zwischen zwei einzelnen Männern zugespitzt: dem Regierungschef Matteo Renzi (39) und Volkstribun Beppe Grillo (65). Zur Wahl steht keiner von beiden. Aber es eint sie eine Legitimitätskrise, die durch einen Sieg am 25.Mai geheilt werden soll. Renzi hat im Februar die Regierung seines sozialdemokratischen „Parteifreunds“ Enrico Letta aus dem Amt geputscht, seither führt er die Partei wie ein Alleinherrscher. Er betrachtet die Europawahlen als eine Volksabstimmung über sich selbst und seinen Reformkurs; er weiß: Nur bei einem Sieg hat er innenpolitisch Ruhe.

Ähnliche Wählerschichten

Beppe Grillo, der bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr aus dem Stand 25 Prozent der Stimmen geholt hat und seither seine Fünf-Sterne-Bewegung mit harter Hand auf strengem fundamentaloppositionellen Kurs hält, sieht in Renzi seinen einzigen wirklichen Rivalen in der italienischen Politik. Grillo hat Stimmen damit gesammelt, dass er die „alte, korrupte politische Klasse komplett nach Hause schicken“ wollte – und jetzt nimmt ihm Renzi die Butter vom Brot: Im Eiltempo hat er sich darangemacht, das Parlament zu verkleinern, Dienstwagen abzuschaffen; bereits jetzt hat Renzi nahezu alle „Alten“ in seiner Partei ausmanövriert und auf die Plakate zur Europawahl neue Gesichter gedruckt.

Renzi sagt, was Grillo immer gesagt hat: dass in der Krise „diejenigen zahlen sollen, die sich bisher nicht beteiligt haben – die überbezahlten Manager von Staatsbetrieben, die Banken, die Bürokratie“. Doch anders als der oppositionelle Grillo hat Renzi jetzt die Macht, das durchzusetzen.

Renzis und Grillos Wählerschichten überschneiden sich in weiten Bereichen: Das sind junge, intelligente Leute, die genug vom jahrzehntelangen Stillstand und von der Wiederkehr der immer gleichen Gesichter haben. Grillo will die Institutionen zerschlagen, Renzi will Italien innerhalb der Institutionen umstülpen – auch wenn er dafür erst einmal seine eigene, traditionell zerstrittene Partei revolutionieren muss. Das Volk steht auf Renzis Seite. Ein Drittel der Wählerstimmen sollte er nach aktuellem Stand der Umfragen abräumen, das wären gut acht Punkte mehr, als seine Sozialdemokraten bei der Parlamentswahl 2013 eingefahren haben. Grillo dagegen könnte von 25 auf 21 Prozent zurückfallen. Praktisch sieht er nur mehr eine Möglichkeit zur Gegenwehr: Renzi lächerlich zu machen. Als Satiriker hat Grillo Berufserfahrung in solchen Dingen.

Und das Thema Europa? Verblasst, auch wenn Renzis und Grillos Positionen überaus stark sind. Renzi, das hat er bei einer Parlamentsrede vor dem EU-Gipfel im März so eindeutig klargemacht wie kein italienischer Politiker in den letzten zehn Jahren, ist glühender Europäer. Grillo ist exakt das Gegenteil, weil er auch noch das letzte Stammtischargument im Volk gegen den Euro, gegen die „abgehobene EU-Bürokratie“, gegen das „Nicht-mehr-Herr-Sein im eigenen Haus“ und gegen die von Brüssel und Berlin aufgezwungene, „Italien kaputt machende Austeritätspolitik“ aufgreift. Will Renzi die Bilanzregeln der EU – also beispielsweise die Defizitgrenze – so weit wie möglich ausreizen, so will Grillo sie schlicht abschaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2014)

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