Bankenunion: Bankenpleiten und geschröpfte Steuerzahler

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Bankenunion, Pleite, Steuerzahler, EU(c) APA/EPA/MAURITZ ANTIN (MAURITZ ANTIN)
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Die vom Europäischen Parlament beschlossene Bankenunion ist ein bürokratisches Monster und verfügt über keinen ausreichenden Abwicklungstopf. Ein Fortschritt ist sie trotzdem.

Die nun vom Europäischen Parlament beschlossene Bankenunion sei eine „Versicherung dafür, dass dem Steuerzahler bei Pleiten nicht mehr in die Tasche gegriffen wird“, sagte der Vizepräsident des Parlaments, Othmar Karas, diese Woche vor dem Beschluss.

Sein Wort in Gottes Ohr, aber bis dahin wird es wohl noch ein wenig dauern. Denn vorerst ist die Bankenunion ein bürokratisches Monster mit einem viel zu kleinen Rettungsfonds. Wie ein solches Konstrukt die neuerliche Heranziehung unbeteiligter Steuerzahler für Fehlentscheidungen von Bankmanagern verhindern soll, wissen wohl nicht einmal dessen Erfinder.

Natürlich ist es ein Fortschritt. Die EU-Staaten selbst haben in den vergangenen fünf Jahren bewiesen, dass sie (im Gegensatz zu den USA) allein nicht in der Lage sind, gefallene Banken ohne große Verluste für die Steuerzahler abzuwickeln. Österreich hat da mit seinem Hypo-Gemurkse ein besonders übles und für die Steuerzahler besonders teures Beispiel der Unfähigkeit abgeliefert. Und die politisch beeinflusste nationale Bankenprüfung hat nicht nur hierzulande nicht immer vertrauenswürdige Ergebnisse geliefert, um das einmal vorsichtig zu sagen.

Wenn also nun die Bankenprüfung und die Bankenabwicklung auf europäische Ebene gehievt werden, dann ist das ein Fortschritt. Bisher sind ja so gut wie alle Maßnahmen, die eine „Hypo 2“ verhindern könnten, von der EU gekommen, etwa das Verbot von Landeshaftungen für Landesbanken. Intern hat man dagegen das Problem nur auf die langen Bank geschoben.

Wenn die Bankenabwicklung allerdings in einem Entscheidungsgeflecht endet, in dem die europäische Finanzaufsicht, die EZB und die EU-Kommission mitmischen, das dann allen Euro-Finanzministern ein Vetorecht einräumt und das im Fall eines Vetos dann erst wieder in den Nationalstaaten endet – dann darf man sich über die Entscheidungsfähigkeit dieses Bürokratiemonsters wohl ernste Gedanken machen. Wie ein derartiges Konstrukt – so hat man das ja geplant – eine rasche Entscheidung über ein Wochenende (also bevor am Montag dann die Bankschalter gestürmt werden) zustande bringen soll, gehört zu den noch ungelösten Rätseln der Bankenunion.

Als größte Errungenschaft der Bankenunion wird uns die Möglichkeit des Bail-in gepriesen: Künftig sollen Steuerzahler erst dann einspringen müssen, wenn Aktionäre, Anleihegläubiger und Sparer mit Einlagen von mehr als 100.000 Euro ihren Obulus geleistet haben.

Sorry, aber wo ist da die Sensation? Dass für eine Aktiengesellschaft in erster Linie Aktionäre und andere Geldgeber verantwortlich sind, gehört zu den elementarsten Regeln einer Marktwirtschaft – und wird außerhalb des europäischen Bankensektors auch überall so praktiziert. Oder mussten etwa bei der Alpine-Pleite Steuerzahler die Rückzahlung der Unternehmensanleihen übernehmen? Und dass Sparguthaben über dem Einlagensicherungslimit nicht geschützt sind, sollte eigentlich auch schon Allgemeingut sein.


Diesen Bail-in von Kapitalgebern und Sparern hätte man überall in Europa bei den vergangenen Bankpleiten durchführen können. (In Zypern und teilweise in Spanien, um zwei Beispiele zu nennen, hat man das auch gemacht.) Dass die Regierungen in Österreich, Deutschland und einigen anderen Euroländern in die Knie gegangen sind und lieber die Steuerzahler zahlen ließen, statt sich mit der Finanzlobby anzulegen, ist eine andere Geschichte. Genau genommen ist der hochgelobte Bail-in also nur eine Korrektur eines großflächigen Politikversagens.

Aber immerhin bekommen wir jetzt einen von Banken gespeisten Abwicklungsfonds, aus dem Bankenpleiten finanziert werden können. 55 Mrd. Euro sollen auf diese Weise bis 2023 zusammenkommen. Klingt beeindruckend, nicht?

Gut, schauen wir uns einmal die Dimensionen an: Die kumulierte Bilanzsumme der für den Abwicklungsfonds infrage kommenden Banken beträgt 25.460 Mrd. Euro. In der heißen Phase der Krise haben die europäischen Staaten zusammen 1130 Mrd. Euro in ihre Bankenrettungen gesteckt. 55 Milliarden sind wie viel Prozent von 25.460 Milliarden? Genau: 0,21 Prozent der kumulierten Bankenbilanzsumme werden im Endausbau im Abwicklungstopf liegen.

Setzen wir das einmal ein bisschen plakativ in Relation zum Hypo-Skandal: Was müsste sich wohl jemand anhören, der sagt, er habe 80 Millionen Euro für die Hypo-Rettung aufgetrieben, der Steuerzahler müsse also nicht mehr beansprucht werden? Ein leichtes Tippen auf die Stirn wäre wohl die angemessene Reaktion.

Kurzum: Die Bankenunion ist ein Fortschritt, wenn auch ein kleiner. Der Abwicklungsmechanismus ist zu kompliziert, der Abwicklungsfonds vom Volumen her ein schlechter Witz. Aber wenn wenigstens der – für Marktwirtschaftler selbstverständliche – Bail-in von Kapitalgebern durchgezogen wird, haben wir schon viel gewonnen. Nur: Eine neue Bankenkrise darf nicht ausbrechen, dann sind wieder wir Steuerzahler dran.


Weil wir gerade bei Bankenskandalen sind: Finanzminister Spindelegger hat die in einem Punkt leicht missglückte Personalauswahl für die Hypo-Untersuchungskommission mit den Worten kommentiert, es lägen „keinerlei Umstände vor, die Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit von Herrn Contzen zulassen“.

Doch: Sie liegen vor und sie lassen zu. Contzen war im Verwaltungsrat des Hypo-Großgläubigers DWS tätig, der, wie alle Hypo-Gläubiger, durch die getroffene Abwicklungslösung auf Kosten der Steuerzahler schadlos gehalten wurde. Bis vor Kurzem hatte Herr Contzen also größtes Interesse daran, dass die Hypo-Abwicklung genauso läuft, wie sie gelaufen ist. Selbst wenn er die Aufarbeitung dieser Vergangenheit jetzt total unparteilich und unabhängig hinkriegt (wovon wir ja ausgehen) wird er sich deshalb immer wieder Zweifeln daran stellen müssen.

Das ist keine große Sache. Aber wieso sich die ohnehin umstrittene Kommission und der ohnehin unter Hypo-Druck stehende Finanzminister das ohne Not antun, werden sie wohl nur selbst wissen.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2014)

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