Das Chlorhuhn kommt mir eher grün vor

Wir haben ein neues Schreckenstier! Sein Name ist aber schön doppeldeutig.

Unter den Monstern, die unsere Fantasie bevölkern, regiert derzeit das Chlorhuhn. Die Grünen fürchten es ebenso wie Greenpeace; und auch Eugen Freund, Spitzenkandidat der SPÖ bei der EU-Wahl, befand, es dürfe „auf keinen Fall auf österreichischen Tellern landen“.

Fragt sich: Wie erkennt man es denn, das Chlorhuhn, wenn es dort gelandet ist? Ich stelle es mir blass und bleich vor, mit viel Gänsehaut, ohne Panier und Paprika, recht armselig, wie ein Suppenhuhn, dem die Suppe verdampft ist...

Ich will ja nicht unappetitlich sein, aber ein bisschen grünlich muss es auch in meiner Vorstellung sein, schon aus Gründen der Wortherkunft. Chlor kommt schließlich von chloros, einem griechischen Wort für grün. Wobei die alten Griechen nicht so genau zwischen Gelb und Grün unterschieden (übrigens auch nicht zwischen dunkel und Blau): Honig war für sie genauso chloros wie Gras; manche erklären das damit, dass das Gras im heißen Griechenland nicht lange grün bleibt. In diese Tradition des verwaschenen Grünbegriffs stellte sich wohl Goethe, als er den Mephisto sagen ließ: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum.“

Das Chlor jedenfalls hat seinen Namen von seiner gelbgrünen Farbe; seinen Geruch kennen wir aus den Hallenbädern, wo es desinfizierend wirken soll. (In dieser Mission kommt es wohl auch auf die Hühner.) Seit 1817 nennt die Biochemie den (gar nicht chlorhaltigen) Stoff, der unsere Wiesen und Wälder grün macht, Chlorophyll.

Dass es auch bei Greenpeace Menschen mit Sinn für Humor gibt, zeigt, dass der Regisseur eines Videos über „Greenpeace Greece“ mit dem Namen Georgios Chloros zeichnet. Oder heißt er wirklich so? Es wäre aber kein gutes Marketing, würden sich die Grünen in Chlorpartei umbenennen, zu schlecht ist das Image des Elements mit der Nummer 17, obwohl es eigentlich nicht viel aggressiver als der Sauerstoff ist, aber an ihn hat sich das Leben halt schon gewöhnt.

Ob gerechtfertigt oder nicht: Der Ruf des Chlors ist so übel, dass er sogar den von Lady Gaga noch verschlechtern kann. Sie ließ für das Video für ihren Song „G.U.Y.“ den Neptune Pool in Kalifornien mit 1,3 Millionen Liter Wasser füllen, entnehme ich der Klatschpresse. Leider wurde das Wasser mit Chlor versetzt und kann jetzt nicht mehr zur Bewässerung verwendet werden. Und das in einer Dürrezeit. Das empört verständlicherweise die Menschen. Vielleicht hätte Wasserstoffperoxid als Desinfektionsmittel mehr Akzeptanz gefunden?

E-Mails an:thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2014)

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