Le Pen träumt schon von Paris

Marine Le Pen
Marine Le Pen(c) Reuters (PASCAL ROSSIGNOL)
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Der Front National rechnet bei der EU-Wahl mit einem Durchbruch. Seine Stärke ist die Schwäche der Regierung.

Paris. Für Marine Le Pen sind die Sozialisten (PS) und die Konservativen (UMP) wie „siamesische Zwillinge“ und gleichermaßen verantwortlich für die wirtschaftliche, soziale und moralische Krise, in der Frankreich steckt. Darum sollen beide gleichermaßen abgestraft werden. Als Komplizen einer EU-Kommission, der die Chefin des Front National (FN) jegliche Legitimität abspricht, hätten diese beiden traditionellen Parteien die EU in ein „Gefängnis“ verwandelt. Am 25. Mai bekämen die Wähler aber den „Schlüssel“ in ihre Hand.

Um starke Sprüche und Metaphern ist sie schon wie ihr Vater, Jean-Marie Le Pen, nie verlegen. Marine Le Pens Selbstsicherheit erklärt sich aber auch aus Umfragen, die nun schon seit Wochen regelmäßig den FN bei dieser Europawahl ganz vorn sehen. Wie gebannt, manchmal fast hypnotisiert oder gar in panischer Angst schauen die Verantwortlichen der anderen Parteien und vor allem jene der Linksregierung auf diese Zahlen.

Auch die Aussicht, mit rund einem Viertel der Stimmen vor der UMP und den mit kaum noch 15 Prozent weit abgeschlagenen Sozialisten in Führung zu kommen, beflügelt Marine Le Pen. Sie hat zu Beginn der Woche in Paris das Startsignal zu einem Wahlkampf gegeben, der für sie zum Beginn eines politischen Feldzugs zur Eroberung der Macht in Paris werden soll. Falls nämlich der FN zur „ersten Partei Frankreichs“ wird, will Le Pen den Rücktritt der Regierung, die Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen verlangen.
Manche Gegner der extremen Rechten nehmen die Gefahr durchaus ernst. Le Pen ist nämlich nicht nur im Süden des Landes stark, sie erobert auch immer stärker den Osten. Die radikale Forderung der FN-Nationalisten nach einem Austritt aus dem Euroraum und aus der EU klingt mangels glaubwürdiger Alternativen für viele Wähler verlockend, wenngleich sie sich der Konsequenzen nicht bewusst sind. Eine eigene Währung würde sofort abwerten, Importe aus dem Rest der EU verteuern.

Valls will Erdrutsch verhindern


Der neue sozialistische Premierminister, Manuel Valls, will sich persönlich in der Wahlkampagne engagieren und seinen Popularitätsvorschuss in die Schlacht werfen. Er will einen Erdrutschsieg der Rechten verhindern, weiß aber, dass letztlich für die Bürger nur positive Ergebnisse zählen. Solange sich kein wirtschaftlicher Aufschwung abzeichnet, werden sich die Franzosen die Gelegenheit, die Regierung wie bei den Kommunalwahlen vom März abzustrafen, nicht entgehen lassen.


Der FN, der wieder unter dem verharmlosenden Namen „Rassemblement Bleu Marine“ antritt, ist dazu nicht die einzige Möglichkeit. Die konservative UMP möchte wenigstens ihre absehbaren Verluste begrenzen und setzt auf eine Kampagne unter dem Slogan „Europa der Nationen“, die sich von mehr Integration und föderalistischen Träumen abgrenzt. Aber auch andere euroskeptische rechte „Souveränisten“ sowie auf der linken Gegenseite die Grünen hoffen wie die radikale Linke auf Gewinne.

Die französischen Wähler betrachten die Europawahl schon seit jeher als Gelegenheit, ihren Unmut abzureagieren. Sie wollen dabei gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ihr Zorn gilt nicht nur der EU, sondern auch auch der nationalen Staatsführung. Der politisch schwache und unpopuläre Staatspräsident François Hollande liefert ihnen dieses Mal reichlich Grund dazu. Der angeschlagene Präsident hofft lediglich darauf, dass mit dem voraussehbaren Wahldebakel Ende Mai die Serie der Rückschläge endet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2014)

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