Volksanwaltschaft: Ärger mit Behörden steigt

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Noch nie beschwerten sich so viele Bürger über Missstände in der Verwaltung wie im Vorjahr. Gegenüber 2012 stieg die Zahl der Beschwerden um rund ein Viertel.

Wien. „Die Reaktion war wieder typisch.“ Erst spreche die Behörde nur von Einzelfällen und bestreite Missstände. Doch dann zeigt sich: Es gibt mehrere Fälle, in denen etwas nicht so gelaufen ist, wie es sollte.

So beschreibt Volksanwalt Günther Kräuter den Umgang der Behörden mit Beschwerden der Volksanwaltschaft am Beispiel Mindestsicherung. Zu bemängeln gab es bei der Bilanzpressekonferenz der Volksanwälte am Donnerstag einiges. So habe die Bearbeitung eines Antrags auf Mindestsicherung fast neun Monate gedauert. Drei Monate dürfte es laut Gesetz höchstens dauern, aber das werde oft nicht eingehalten, sagt Kräuter. „Es geht nicht um Nebensächlichkeiten, sondern um existenzielle Not, die uns immer wieder begegnet“, mahnt er.

Auch der Pendlerrechner des Finanzministeriums, mit dem die Höhe des Pendlerpauschale im Internet berechnet werden kann, sorgt für Ärger. „Man wird auf absurde Pfade geleitet. Die Route wird durch den Wald und durch Stock und Stein berechnet“, kritisiert Volksanwältin Gertrude Brinek. Und die Berechnung könne jeden Tag anders ausfallen. Besonders ärgerlich: Erhalten Bürger wegen der Fehler des Rechners ein geringeres Pendlerpauschale, so können sie dieses erst ein Jahr später im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung richtig stellen.

Insgesamt 19.249 Beschwerden gingen im Vorjahr bei der Volksanwaltschaft ein. So viel wie noch nie. Gegenüber 2012 stieg die Zahl der Beschwerden um rund ein Viertel. In rund 8000 Fällen wurde dann auch ein formelles Prüfverfahren eingeleitet. Davon wiederum konstatierten die Volksanwälte in 16 Prozent der Fälle einen tatsächlichen Missstand. Auch dieser Wert liegt im langjährigen Schnitt hoch. Die vielen Beschwerden seien ein „Signal an Politik und Verwaltung“, meinte Kräuter (die drei Vertreter der Volksanwaltschaft entstammen ebenfalls der Politik und wurden von den mandatsstärksten Parteien, SPÖ, ÖVP und FPÖ, nominiert). Auf fast 300 Seiten haben die Volksanwälte nun in ihrem Bericht ans Parlament die aktuellen Missstände in der Verwaltung im Jahr 2013 aufgezählt.

Besonders häufig werden Beschwerden im Fremden- und Asylrecht eingebracht. Vor allem die lange Dauer von Verfahren beim Asylgerichtshof wird angeprangert. Die Situation habe sich hier „nicht entspannt, sondern eher verschärft“, konstatieren die Volksanwälte in ihrem Bericht. Der Asylgerichtshof selbst ging Anfang des Jahres im neuen Bundesverwaltungsgericht auf.

Zwölfjährige über Beschneidung befragt

Eine Beschwerde gegen das Bundesasylamt (Außenstelle Innsbruck) gab es wiederum, weil ein zwölfjähriges Mädchen zu ihrer Genitalbeschneidung befragt wurde. Das verstärkte die psychischen und gesundheitlichen Probleme des Kindes. Nötig war die Befragung nicht, weil die Mutter des Kindes ohnedies grünes Licht für eine gynäkologische Untersuchung des Mädchens gegeben hatte. Das Innenministerium wies inzwischen das Bundesasylamt an, es in derartigen Fällen bei einer Untersuchung zu belassen.

Kritisiert wird von den Volksanwälten auch die „Rettungsgebühr“ für eine Tote. Ein Wiener fand seine 91-jährige Großtante tot in der Wohnung und rief die Rettung. Die Rettung erklärte, man solle einen Notarzt anfordern, weil die Reanimation vielleicht noch möglich wäre und man zumindest die Todesursache feststellen müsse. Die Frau war nicht mehr zu retten, aber der Mann bekam von der MA 70 eine Gebühr von 88 Euro für den Einsatz vorgeschrieben,

„Auch in der Verwaltung sind boshafte Menschen am Werk“, befindet Volksanwalt Peter Fichtenbauer – so wie diese generell in der Gesellschaft zu finden seien. Er bemängelt unter anderem, dass Soldaten im Ausbildungsdienst weder einen Kündigungschutz genießen noch arbeitslosenversichert sind. In einem konkreten Fall wäre eine Soldat, der sich verletzt hatte, auf die Mindestsicherung angewiesen gewesen, wenn nicht das Verteidigungsministerium geholfen und ihn als Vertragsbediensteten angestellt hätte.

Fortschritte konstatieren die Volksanwälte beim Arbeitsmarktservice, das wegen absurder Kurse in der Kritik stand (so musste der Exchef einer großen Firma einen Kurs besuchen, in dem er lernte, Bewerbungen zu schreiben). Das AMS Wien etwa verändert sein Kurssystem grundlegend. Ein Problem bleibt die Sachwalterschaft: Die Beschwerden von Betroffenen, die sich ihrem Sachwalter ausgeliefert fühlen, nehmen weiterhin zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2014)

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