Europa-Wahl: Wie die Parteien junge Wähler ködern wollen

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Kondome, Clubbings und Kandidaten auf den hinteren Plätzen sollen die junge Generation zum Wählen motivieren. Ein einfaches Unterfangen wird das nicht.

Wien. Welche ist die größte Herausforderung bei der EU-Wahl? Die Antwort ist in beinahe jedem Parlamentsklub gleich: die Menschen zu überzeugen, überhaupt zur Wahl zu gehen. Sie dazu zu kriegen, genau neben ihrem Parteilogo das Kreuz zu machen, ist dann sozusagen die Königsdisziplin für Politiker.

Vor allem bei jungen Wahlberechtigten müssen sich die Parteien dafür etwas einfallen lassen. Nicht nur, weil Jugendliche weniger als die älteren Generationen an eine bestimmte Partei gebunden sind. Sondern auch, weil sie von ihrem Wahlrecht weniger oft Gebrauch machen. Eine vom Parlament in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass bei der Nationalratswahl 2013 rund 63 Prozent der 16- und 17-Jährigen zur Urne gegangen sind. Bei älteren Erstwählern waren es 59 Prozent. Die allgemeine Wahlbeteiligung lag hingegen bei knapp 75 Prozent – übrigens ein neues Rekordtief bei einer Nationalratswahl.

Bei der vergangenen EU-Wahl fiel die allgemeine Wahlbeteiligung sogar noch niedriger aus: Sie lag bei 46 Prozent. „Die Jungen sind etwas wahlfaul, obwohl die EU ein Zukunftsmodell ist“, sagt die 26-jährige Jessica Müller, die den Jugendwahlkampf der SPÖ koordiniert. „Diejenigen, die jetzt 18 sind, haben Österreich immer als Teil der EU erlebt.“ Das Verständnis für die EU sei also zwar da, „aber es wird viel zu wenig auf die Jugend gehört“. Das verringere das Interesse junger Wähler an Parteipolitik.

Daher versuche die Kampagne zu vermitteln, „dass es etwas bringt, zur Wahl zu gehen“. Etwa, da man mit dem eigenen Votum eine Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse bewirken könne. Thematisch konzentriert sich die SPÖ auf ihre typischen Themen – nur jugendlich übersetzt: also Jugendarbeitslosigkeit, leistbares Wohnen, Bildung. „Aber wir sprechen auch einen Bereich an, der für die Jugend eklatant wichtig ist: Netzneutralität und Datensicherheit“, sagt Müller.

„Freund wird besser, er bemüht sich“

Zu finden sind die konkreten Themen auf einer eigenen Homepage (reclaime-europe.eu) sowie auf YouTube, Facebook und Twitter. Wie groß das Budget der SPÖ-Jugend ist, will Müller nicht verraten: „Es ist auf jeden Fall genug.“ Auch mit dem Spitzenkandidaten der Partei, Eugen Freund, scheint man sich – wenn auch nur langsam – anzufreunden: „Es wird besser, er bemüht sich und ist sehr aufgeschlossen“, sagt Müller.

Mehr Rückhalt unter den jungen Parteifunktionären hat hingegen Othmar Karas, Spitzenkandidat der ÖVP. Die Landesorganisationen der Parteijugend planen Schuldiskussionen, Jungkandidatin Theresia Leitinger fährt außerdem mit ihrem Motorrad durch das Land (siehe Interview links).

Eine eigene kleine Wahlkampftour plant auch der 26-jährige Joseph Waldstein. Vor wenigen Monaten startete er die Initiative „Ich und die EU“, bei der er in Schulen versuchte, unter Jugendlichen das Interesse für die EU zu wecken. Das habe Anklang in der Volkspartei gefunden, erzählt er. Nun ist er auf Platz 18 der Liste Othmar Karas gereiht. Dass er damit eigentlich keine Chance hat, ins Europäische Parlament zu kommen, weiß er („Man kann in der Politik nicht immer den Jackpot gewinnen“). Trotzdem wolle er sich einbringen.

Als politischer Kandidat kann er allerdings nicht mehr EU-Kunde in den Schulen lehren. Daher will er die Jugendlichen auf digitalem Weg erreichen. Auf einer eigenen Homepage (josephwaldstein.eu), aber auch durch die typischen sozialen Netzwerke. Ein großes Thema soll dabei die Freiheit sein, die die Europäische Union ermöglicht. „Gegen diese Euro-Skepsis muss etwas getan werden.“ Allerdings müsse man gerade bei Jugendlichen aufpassen, dass der Wahlkampf nicht zu trocken sei und auch eine witzige Komponente enthalte. „Wir planen deswegen auch Clubbings und Flashmobs.“

„Werden des Nachts unterwegs sein“

In Clubs und Lokalen wird man kurz vor der Wahl auch einige freiheitliche Funktionäre antreffen, die potenzielle Wähler ansprechen wollen. Die Themensetzung ist dann allerdings eine weitgehend andere als bei SPÖ und ÖVP: „Souveränität, der Erhalt der Kulturen, aber auch Beschäftigung und Jugendarbeitslosigkeit werden wir ansprechen“, sagt der 28-jährige Udo Landbauer, der auf Platz fünf der FPÖ-Liste kandidiert. Es werde einige Straßenaktionen in der Nähe von Schulen geben, „aber wir werden meistens wohl des Nachts unterwegs sein“. Dann werde es auch einige „jugendliche“ Wahlgeschenke geben – wie etwa Kondome.

Auf solche Wahlgeschenke setzen auch die Grünen. Sie wollen ebenso – ähnlich wie die FPÖ – Platz eins bei den jungen Wählern erreichen. Dafür werden 250.000 Euro des Wahlkampfbudgets (insgesamt 1,75Mio. Euro) in eine Jugendkampagne investiert. Dafür sollen alle jungen Parteifunktionäre auf die Straße gehen. Außerdem könnte es laut Kommunikationschef Oliver Korschil auch wieder ein Jugendmagazin, „Eva“, geben. Thematisch will man – abseits der typischen Themen wie Jugendarbeitslosigkeit – auf den Bereich Tierschutz setzen. Das komme bei der Jugend besonders an.

Eines fehlt allerdings den meisten Parteien: ein junger Kandidat an wählbarer Stelle. Derzeit sind nur vier der 766 Abgeordneten in Brüssel unter 30. Mit den Neos könnte allerdings bald der jüngste Kandidat ins Parlament einziehen: Der 25-jährige Stefan Windberger kandidiert auf Platz zwei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2014)

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