„Christlich-soziales Profil nicht verlieren“

Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) warnt seine Partei vor Gesichtslosigkeit.

Die Presse: Wie geht's der ÖVP? Sie scheint auf ihrem von der Perspektivengruppe angesteuerten Weg Richtung „bunter. breiter. offener“ teilweise ziemlich orientierungslos zu sein.

Siegfried Nagl: Ich bin ziemlich stolz, dass die ÖVP im Unterschied zur SPÖ aus Niederlagen auch lernen kann und nach neuen Antworten auf die Fragen der Zeit sucht. Es ist nicht schlecht, wenn man einmal zugibt, nicht immer gescheiter zu sein und auf jede Frage sofort eine Antwort zu wissen. Nachdenken tut gut, Vordenken ist noch besser.

War das unter Wolfgang Schüssel nicht möglich? Ihr steirischer VP-Chef Hermann Schützenhöfer hat zuletzt über „ideologische Scheuklappen“ und „Realitätsverweigerung“ unter Schüssel geklagt.

Nagl: Nie wird man mich dabei finden, ein schlechtes Wort über meinen Freund Wolfgang Schüssel zu sprechen.

War die Schüssel-ÖVP zu konservativ, dass sie jetzt versucht, sich nach allen Richtungen zu öffnen und dabei die SPÖ teilweise links überholt?

Nagl: Es hat mal wer gesagt, wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht. Ich empfehle daher meiner Partei, trotz einer breiten Diskussion erkennbar zu bleiben und eine Linie zu haben. Eines darf die Volkspartei jedenfalls nicht: Ihr christlich-soziales Profil verlieren. Man muss das Rückgrat und den Mumm haben, das zu sagen, was in einem drinnen steckt, auch wenn ein bisschen gesellschaftlicher Gegenwind da ist. Alles nur schön zu reden, funktioniert in der Politik nicht. Man muss eine Meinung haben. Ich glaube, dass viel zu viele Politiker in ihrer Mediengeilheit permanent danach schielen, wo können sie den nächsten Sager absetzen. Das darf's nicht sein.

Ministerin Andrea Kdolsky kommt derzeit mit vielen Sagern vor. Ist sie der neue „bunte Hund“ der ÖVP?

Nagl: Der Beginn ihrer Amtszeit hat ihr das Image des bunten Menschen eingebracht. Das ist auch okay so. Sie hat den größten Bedarf, bekannt zu werden. Man kann das aber sicher auch mit anderen Inhalten füllen. Jetzt wäre es an der Zeit, dass sie einmal den Dialog mit der Partei sucht.

Sie haben als Leiter der Perspektivengruppe „Integration und Sicherheit“ angekündigt, wieder christliche Wurzeln hineinzubringen. Wie passt das mit Vorstößen zusammen, die in punkto gleichgeschlechtlicher Partnerschaften auch aus Ihrer Partei kommen?

Nagl: Dass man homosexuelle Partnerschaften notariell beglaubigen kann, damit man rechtliche Benachteiligungen wegbekommt, begrüße auch ich.

Wo sind die Grenzen? Für den steirischen VP-Klubobmann Christopher Drexler ist es selbstverständlich, dass das nicht der Endpunkt sein kann. Er fordert eine Regelung vor dem Standesamt.

Nagl: Das ist für mich keine Selbstverständlichkeit. Das Recht, Kinder zu adoptieren, kommt für mich jedenfalls nicht in Frage.

Sie haben sich in einer ersten Reaktion nach der Nationalratswahl im Herbst deutlich gegen eine große Koalition ausgesprochen. Jetzt ist sie hundert Tage alt. Haben Sie mit Ihrer Skepsis Recht behalten?

Nagl: Na ja, ich bleibe jedenfalls dabei, dass eine große Koalition unglaubliche Herausforderungen an den Ersten stellt. Wolfgang Schüssel hat einen guten Weg für Österreich vorgezeichnet und eine kleine Erbschaft hinterlassen. Diese Erbschaft ist zum einen Sprengstoff für eine Koalition, zum anderen tut sie dem Land aber gut.

Wer sollen am 21. April die Stellvertreter von Parteichef Willi Molterer werden?

Nagl: Mir würde einer reichen, auch da kann man schon seine Wunder erleben – ein Chef, ein Stellvertreter. Wer das sein wird, wird die Partei demokratisch entscheiden. Dafür brauche ich keine Quoten oder sonst was.

Ist Minister Josef Pröll ein Kandidat?

Nagl: Ich bin ein großer Fan von Mister Pröll junior. Er ist eine sehr charismatische und freundliche Erscheinung.

Inline Flex[Faktbox] ZUR PERSON: Bürgermeister Siegfried Nagl("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2007)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.