Studenten über Sozialdienst empört

ÖH-Kandidaten halten Schüler-Mentoring-Modell der Regierung für „absurd“.

WIEN. Eine Welle der Empörung lösten Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) mit ihrem Modell aus, wonach Studenten ihre Studiengebühren von 363,36 Euro im Semester künftig durch die Studienberatung („Mentoring“) oder Nachhilfe von Schülern abdienen können: Die Spitzenkandidaten aller Fraktionen zur ÖH-Wahl vom 22. bis 24. Mai erteilen dem eine Absage.

„Wer weiß denn, ob Studenten dazu geeignet sind?“, sagte Lisa Schindler vom SPÖ-nahen VSStÖ bei einer „Presse“-Diskussion. Sie müssten erst für diese Aufgaben ausgebildet werden, und das wäre „einfach absurd“. Fanny Rasul von den Grün-Alternativen StudentInnen (GRAS) pflichtete bei: „Das ist nicht vernünftig administrierbar.“ Das Geld, welches das neue System verschlingen würde, solle der Staat besser für die Finanzierung von „wer weiß wie vielen Studienplätzen“ aufwenden.

Vom Kanzler „richtig enttäuscht“

Noch problematischer wäre es, dürften Studenten, wie ursprünglich diskutiert, ihren „Sozialdienst“ beim Roten Kreuz oder in einem Hospiz leisten: Für solche Tätigkeiten fehle ihnen erst recht die Qualifikation, sind sich Rot und Grün einig, die derzeit mit 16 (VSStÖ) und 14 (GRAS) der 62 Mandate in der ÖH-Bundesvertretung die Studentenspitze bilden. Vom SPÖ-Kanzler sei man „richtig enttäuscht“, dass er keine gute Alternative zu den Studiengebühren erwirkt habe.

Auch die ÖVP-nahe AG (14 Mandate) ist mit dem Modell aus dem Ressort „ihres“ Ministers Hahn „total unzufrieden“: „Nicht ausgereift“, urteilte Samir Al-Mobayyed knapp. „Wer wird um 6,06 Euro arbeiten wollen, wenn es anderswo mehr Geld gibt?“, sagte er zum Stundenlohn, den Mentoring und Nachhilfe brächten. Hartwig Brandl von den Fachschaftslisten (11 Mandate): Der Sozialdienst dürfe nicht „politisches Feigenblatt“ sein, sondern die Uni-Gebühr müsse abgeschafft werden.

Julia Wagentristl (Kommunisten, 1 Mandat) meint im Namen ihrer Fraktionsspitze: Studenten müssten „bereits genug arbeiten, um sich ihr Studium zu finanzieren“. Philipp Weingartner (Liberale, 1 Mandat): „Wer nebenbei arbeitet, kann es sich jetzt schon aussuchen.“ Elisabeth Schwetz (Freiheitliche, 1 Mandat): „Es bräuchte sicher mehr als 6 Euro Stundenlohn.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2007)


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