Neonazismus-Vorwurf: Straches Reichskriegsflagge

APA (HELMUT FOHRINGER)
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Ewald Stadler belastet den FPÖ-Chef, der „Österreich“ klagte. Der „Kühnen-Gruß“ im Gerichtssaal – Gottfried Küssel und Franz Radl sagten als Zeugen aus.

Wien. Gottfried Küssel ist um zehn Minuten zu früh da. Und so muss der Ex-VAPO-Führer vor dem Verhandlungssaal 204 widerwillig ein zehnminütiges Blitzlichtgewitter erdulden. Interview-Anfragen wehrt er ab. Er spricht erst im Gerichtssaal. Nein, es habe nie irgendeine Beziehung zwischen ihm und Heinz-Christian Strache gegeben, sagt er vor Richterin Alexandra Mathes am Landesgericht aus. Er kenne den FPÖ-Chef persönlich gar nicht. Und er schließe es mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus“, dass Strache einst an Wehrsportübungen der VAPO teilgenommen habe.

Es ist der zweite Prozesstag im Verfahren Heinz-Christian Strache gegen „Österreich“. Die Tageszeitung hatte Strache Nähe zum Neonazismus unterstellt. Strache bestreitet die Verdächtigungen – Mitgliedschaft bei der VAPO, Aktivitäten bei Gerd Honsiks Nationaler Front, das Posieren vor „Nazi-Denkmälern“ – und klagte.

Eine wichtige Rolle spielt jenes Foto, das Strache mit drei ausgestreckten Fingern zeigt. Die Richterin will klären, ob dies der „Kühnen-Gruß“, benannt nach einem deutschen Neonazi-Führer, hervorgegangen aus dem „Widerstandsgruß“ der rechten Szene gegen die versöhnliche Ost-Politik Willy Brandts, sei. Als Sachverständigen hat Mathes den Historiker Gerhard Botz geladen.

„Lockere Form des Grußes“

Und dieser argumentiert recht vorsichtig: Es sei nicht auszuschließen, dass es sich bei Straches Handhabung um eine „veralltäglichte, lockere Form“ des Kühnen-Grußes handle. Er gebe jedenfalls zu bedenken, dass der Mann auf dem Foto neben Strache die linke Hand zur Faust reckt, das hier also sehr wohl von „politischen Grüßen“ gesprochen werden könne. Franz Radl, ehemals rechtsextremer Aktivist und ebenfalls als Zeuge zugegen, kann auf dem Foto keinen Kühnen-Gruß erkennen: Denn dazu müsste der rechte Arm ausgestreckt sein, bei Strache ist er allerdings abgewinkelt. Ein Bezug von Strache zu Küssel, die er beide gut kenne, sei auch ihm, Radl, nicht bekannt.

Ewald Stadler, der frühere FPÖ-Volksanwalt, weiß mit dem Drei-Finger-Gruß ebenfalls wenig anzufangen. Allerdings machte Stadler auf ein anderes Detail aufmerksam: die Krawatte, die Strache bei dem Burschenschafter-Treffen trägt, von dem das Foto stammt. Diese ziere nämlich die deutsche Reichskriegsflagge, so Stadler. „Und die ist ideologisch eindeutig konnotiert.“

Auch jener Kärntner Landwirt, auf dessen Grundstück Strache und seine Kameraden ihre „Paintball-Spiele“ alias Wehrsportübungen veranstaltet haben, wird befragt: Nein, Strache kenne er nicht. Wer in seinem Wald unterwegs sei, könne er nicht kontrollieren. Die Viking-Jugend habe bei ihm aber ihre Lager aufgeschlagen, ja das stimme. „Wenn sie den Dreck wieder wegräumen, habe ich ihnen gesagt, habe ich kein Problem damit.“ Deren politischer Hintergrund sei ihm unbekannt gewesen. Nach mehrmaliger Nachfrage gibt er zu, dass NDP-Chef Norbert Burger „einmal in den 80ern“ bei ihm in Zweikirchen gewesen sei.

Die Verhandlung wird am 1. April fortgesetzt. Dann wird Andreas Mölzer als Zeuge vernommen. Auch Andreas T., neben Strache auf den alten Fotos zu sehen, heute NPD-Ideologe in Deutschland, wird noch einmal geladen. Er ist gestern nicht erschienen.

SCHWARZ-WEISS-ROT

Die Reichskriegsflagge war die Fahne der Streitkräfte des kaiserlichen Deutschen Reichs. Sie blieb mit leichter Modifizierung auch in der Weimarer Republik in Verwendung. Auch die Wehrmacht NS-Deutschlands zog mit der „Reichskriegsflagge“ in den Zweiten Weltkrieg.

Heutzutage wird die schwarz-weiß-rote Fahne (meist mit schwarzem Kreuz in der Mitte) bevorzugt bei Neonazi-Aufmärschen mitgetragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2008)

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