ÖVP-Frontalangriff gegen Haidinger

INNENAUSSCHUSS. Der „Kronzeuge“ bleibt bei Vorwürfen gegen Kabinettsmitarbeiter im Innenministerium. Schon 2004 hat Ex-Kripo-Chef Informationen an Grün-Abgeordneten Pilz versprochen.

WIEN. Ein Hauch von Untersuchungsausschuss wehte am Dienstag durch das Parlament. Im Lokal VI, wo einst Eurofighter- und Banken-U-Ausschuss stattfanden, war der frühere Kripo-Chef Herwig Haidinger als Zeuge vor den Innenausschuss geladen. Und zwar öffentlich, seine Aussage durfte sogar gefilmt werden. Die SPÖ hatte schon vor zwei Wochen angekündigt, dass dieser Innenausschuss die letzte Chance für die ÖVP sei, einen Untersuchungsausschuss zu verhindern.

Haidinger blieb im Ausschuss bei seinen bisherigen Äußerungen: Ja, das Ministerbüro habe von ihm Unterlagen im Fall Bawag angefordert, die dann umgehend in den Medien gelandet seien. Ja, der ehemalige Kabinettschef Philipp Ita habe von ihm verlangt, Unterlagen für den Banken-U-Ausschuss vorab an den ÖVP-Parlamentsklub zu schicken. Und: Im Fall Kampusch sei eine Evaluierung der Ermittlungsarbeit vom Ministerbüro abgedreht worden.

An Neuem hatte der Zeuge Haidinger diesmal wenig zu berichten. Am aufregendsten noch: Einer seiner Mitarbeiter habe auf Anweisung des Ministerbüros noch nicht freigegebene kriminalpolizeiliche Statistiken an die ÖVP-Niederösterreich geschickt. Auf seine Anweisung, das zu beenden, habe der Mitarbeiter gemeint: „Mir kann eh nichts passieren, ich habe das zweimal gelöscht.“

„Die ganze Polizei angeschüttet“

Dieses Mal war es nicht die Opposition, die das Geschehen im Ausschuss bestimmte, sondern die ÖVP, die einen Generalangriff auf Haidinger startete und versuchte, seine Glaubwürdigkeit zu untergraben. Den Startschuss dazu setzte Innenminister Günther Platter: „Haidinger hat den ganzen Polizeiapparat angeschüttet.“ Die Frage sei, warum Haidinger seine Vorwürfe nicht sofort weitergeleitet habe: „Dies wäre der einzig richtige Weg und die Pflicht des Beamten Haidinger gewesen.“

ÖVP-Abgeordneter Helmut Kukacka ließ dann mit internen Aktenvermerken und E-Mails aufhorchen. Haidinger habe am 7. März 2006 in einem Mail versucht, die damalige Innenministerin Liese Prokop unter Druck zu setzen, er habe mit Enthüllungen gedroht, sollte er nicht stellvertretender Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit werden. Der Angesprochene sieht das anders: Er habe die Funktion gebraucht, um Rechtswidrigkeiten im Ressort abzustellen. Ein weiterer Vorwurf: Haidinger habe im Jahr 2004 dem grünen Abgeordneten Peter Pilz vertrauliche Informationen versprochen. Pilz habe dann angerufen und bei Haidingers Stellvertreterin die Infos urgiert, was diese in einem Aktenvermerk festgehalten hat. Haidinger kontert: Informationen seien versprochen worden, aber keine vertraulichen. Die elegante Antwort von Pilz: „Da haben wir noch einen Grund für einen Untersuchungsausschuss.“

Schließlich stellten die ÖVP-Abgeordneten an Haidinger die Frage, ob er jemals sein Dienstauto für private Zwecke verwendet habe. Dass Haidinger jetzt von Ausschussvorsitzendem Rudolf Parnigoni (SPÖ) belehrt wurde, dass er nicht unter Wahrheitspflicht stehe, sorgte für Empörung bei der ÖVP. Haidinger konnte sich an eine private Fahrt erinnern: Er habe seine Frau suchen müssen, die knapp vor der Entbindung stand.

Im Kreuzfeuer von FPÖ und BZÖ stand dann der Leiter des Büros für Interne Angelegenheiten (BIA), Martin Kreutner. Die FPÖ verdächtigt das BIA, Parteichef Heinz-Christian Strache observiert zu haben, das BZÖ vermutet Telefon-Abhöraktionen gegen Landeshauptmann Jörg Haider. Kreutner wies beides zurück. Im Falle Haiders gebe es zwar Abhörprotokolle, diese seien aber von einer anderen Dienststelle, die in einer ganz anderen Causa ermittelt hat, gemacht und dem BIA zur Verfügung gestellt worden.

Dass das BIA im Altersheim der Schwiegermutter von Altbundeskanzler Franz Vranitzky nach der Telefonnummer gefragt hat, erklärte Kreutner mit dem Auftrag des Staatsanwalts: Man habe diskret ermitteln müssen. Und zu SPÖ-Klubobmann Josef Cap, warum man nicht einfach ihn angerufen habe: „Ich habe auch Ihre Telefonnummer nicht. Und ich weiß auch nicht, ob Sie eine Schwiegermutter haben.“

Staatsanwalt ermittelt

Wie die Oberstaatsanwaltschaft mitteilte, werden in der Innenministeriumsaffäre über 20 Fakten auf mögliche strafrechtlich relevante Aspekte überprüft. Dabei geht es unter anderem um die angebliche Vertuschung von Ermittlungspannen im Fall Kampusch, den Export von 800 Scharfschützengewehren an den Iran, der trotz einer gegenteiligen Weisung vollzogen wurde, sowie eine angeblichen „Scheinausschreibung“ bei einer Projektvergabe im Konzentrationslager Mauthausen und ein laut Haidinger nicht den Normen entsprechendes Genehmigungsverfahren für eine Schießstätte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2008)

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