Graz: Schwarz-Grün mit Notfallskoffer

(c) APA (Markus Leodolter)
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Die Koalition ist beschlossen und präsentiert ihre Schwerpunkte. Auch ein eigener Ausschuss für's Streitschlichten ist geplant.

GRAZ. Die schwarz-grüne Ehe in Graz ist vollzogen. Nachdem die Gremien beider Parteien Sonntagabend die für Graz neue Regierungspartnerschaft abgesegnet hatten, wurde Montagvormittag die Koalition von den Fraktionsvorsitzenden besiegelt – begleitet von erdrückender Symbolsprache.

Auf ihre Umhängetasche hatte die Chefin der Grazer Grünen, Lisa Rücker, den Aufdruck „Bürgermeisterin“ bereits eigenhändig um die Vorsilbe „Vize“ ergänzt. Als Fragment grünen Revoluzzergeists blitzte unter Rückers Sakko in blutroten Lettern „Rathausbesetzerin“ vom Leiberl. ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl konterte Outfit-mäßig mit farblich perfekt auf Rückers laubgrünen Ring abgestimmter Krawatte.

Nach knapp vierwöchigen Verhandlungen war man sich aber auch inhaltlich näher gekommen. Resultat ist ein Koalitionsvertrag, den die beiden Parteien als Handlungsleitlinie „über den Denkhorizont der fünfjährigen Legislaturperiode hinaus“ (Nagl) verstanden wissen wollen. Schwerpunktmäßig hat man sich auf elf Leitprojekte geeinigt, die auf Basis der beiden Wahlprogramme als logischer gemeinsamer Nenner zu erwarten waren. So will man möglichst schnell ein kostenloses, aber verpflichtendes Kindergartenjahr einführen, so wird eine flächendeckende Nachmittagsbetreuung in Schulen angepeilt, so sollen Bürgerbeteiligung und Integrationsmaßnahmen in Siedlungen forciert und das Image als Menschenrechts- und Fahrradstadt mit konkreten Projekten aufpoliert werden. „Das ist ein verbindlicher Pakt, man wird uns daran messen können“, versprechen Nagl und Rücker. Auch in stadteigenen Gesellschaften will man den politischen Einfluss wieder stärken: Aufsichtsräte und deren Vorsitzende sollen wieder von Politikern abgelöst werden.

Neu ist auch ein eigener Koalitionsausschuss als „Erste Hilfe“-Streitschlichtgremium, sollte es in Sachfragen koalitionsintern doch einmal zu keiner Einigung kommen. Knackpunkte sollen von schwarzen und grünen Stadtregierern samt Klubobleuten weiterverhandelt werden. Erst wenn es dort zu keinem Konsens kommt, wird das Thema in den koalitionsfreien Raum gestellt.

In Sachen Finanzierung der Vorhaben sei der Pakt „verdächtig ungenau“, kommentiert der Grazer SP-Chef Wolfgang Riedler das Ergebnis. Zwar verspricht er „konstruktive projektbezogene Mitarbeit“, bei der ersten Sitzung des neuen Gemeinderats wird die SPÖ aber einen eigenen Antrag auf den Posten des Vizebürgermeisters stellen. „Wir sind noch immer zweitstärkste Fraktion im Rathaus“, sagt Riedler, der sich heute mit Nagl und Rücker trifft. „Wir wollen niemanden demütigen“, verspricht Nagl. Auch mit der KPÖ soll gesprochen werden. Keine direkte Kooperation wird es dagegen mit der FPÖ geben.

NEUE REGIERUNG IN GRAZ

Die ÖVP von Bürgermeister Siegfried Nagl (li.) bekommt die Ressorts Finanzen, Sport, Wirtschaft, Jugend, Schule. Die Grüne Lisa Rücker (re.) übernimmt Verkehr und Umweltagenden. Für die SPÖ bleiben Kultur, Gesundheit, Soziales. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2008)

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