Pflegefall Pflege: Die leidige Suche nach dem Geld

BUNDESKANZLER FAYMANN BESUCHT PFLEGEWOHNHEIM
BUNDESKANZLER FAYMANN BESUCHT PFLEGEWOHNHEIM(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
  • Drucken

Für 2017 und 2018 sind von der Regierung je 350 Mio. Euro zusätzlich für die Pflege paktiert. Die Kosten steigen rasant. Umstritten bleibt, woher das Geld künftig kommen soll.

Wien/Graz/Linz. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und der ÖVP-Sozialsprecher im Nationalrat, August Wöginger, sind sich einig. Für die Jahre 2017 und 2018 wurden schon jetzt im Regierungspakt jeweils 350Millionen Euro zusätzlich für die Pflege vereinbart. „An das halten wir uns auch“, versichert der ÖVP-Abgeordnete im Gespräch mit der „Presse“. Alles andere werde dann bei den Verhandlungen über den neuen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die 2015 vorgesehen sind, Thema sein. Von der Koalition auf Bundesebene wird die neue Diskussion über die künftige Pflegefinanzierung gebremst. Die ist nach der am Dienstag verkündeten Abschaffung des Regresses, also des Rückgriffs auf Vermögen von Angehörigen, ab Juli in der Steiermark losgebrochen.

Ländervertreter, voran der steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP), aber auch die Salzburger ÖVP-Klubobfrau Gerlinde Rogatsch, drängen mit Vehemenz auf eine längerfristige Lösung, wie das Geld für Pflege künftig aufgebracht wird. Hintergrund dafür ist, dass sie fürchten, dass die Mittel von mehr als vier Milliarden Euro trotz der Aufstockung für 2017 und 2018 nicht reichen werden. Dabei ist noch gar keine Anhebung des Pflegegeldes für die rund 450.000 Bezieher geplant, obwohl das Pflegegeld zuletzt 2008/09 angehoben wurde.

Anstieg auf fünf Milliarden Euro

Im Sozialministerium wird erläutert, dass die beiden Tranchen von 350 Millionen auf den von den Landeshauptleuten gemeldeten Zahlen beruhen. Schon bisher wurde vom Bund außertourlich in den Budgettopf gegriffen: Allein von 2011 bis 2014 wurden in Summe bereits beinahe 700 Millionen Euro zusätzlich für die Pflege bereitgestellt. Nach den Prognosen, die der „Presse“ nach Recherchen bei Bundes- und Landesstellen vorliegen, steigen die öffentlichen Ausgaben von 2014 bis 2020 von rund 4,3 auf fünf Milliarden Euro (siehe Grafik) für die Pflege in Heimen und zu Hause durch mobile Dienste und Angehörige. Gemessen am Anteil an der Wirtschaftsleistung ist der Beitrag von 1,35 Prozent auf gut 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aber rückläufig.

Die Presse

Eine Klärung der langfristigen Finanzierung wurde bei den Regierungsverhandlungen im Herbst des Vorjahres ausgeklammert. Zu tief war die Kluft: Von SPÖ-Seite wird und wurde die Erbschafts- und Vermögensteuer in die Debatte eingebracht, für die ÖVP kommt das nicht infrage. Letztlich ist eine Entscheidung offen, weil es gegen alle Vorschläge Vorbehalte und Widerstände gibt.

Wiedereinführung der Erbschaftssteuer: Das ist die Lieblingsvariante der Gewerkschaft,der SPÖ und des SPÖ-Pensionistenverbandes, um auf Dauer mehr Geld für die Pflege zur Verfügung zu haben. Der Vorschlag scheitert(e) am Nein der ÖVP.


•Finanzierung aus dem Budget und damit aus dem allgemeinen Budget- und Steuertopf: Das ist bereits bisher der Fall, angesichts des Sparkurses und des Planes der Regierung, keine neuen Schulden zu machen, stößt diese Variante an Grenzen.


Vermögenszuwachssteuer: Eine Zweckbindung der Einnahmen aus der Vermögenszuwachssteuer wird vor allem vom ÖVP-Seniorenbund angestrebt.


Einkommensabhängige Abgabe: Der Bundesvorstand des ÖVP-Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) hat das 2012 auf Basis eines Modells des oberösterreichischen ÖAAB grundsätzlich unterstützt. Es handelt sich aber nicht um ein ÖVP-Modell, der Bundes-ÖAAB steht zu den im Koalitionspakt fixierten Mehrausgaben von zweimal 350 Millionen Euro 2017 und 2018. Das Modell aus Oberösterreich sieht vor, dass ein bestimmter Prozentsatz eines Bruttoeinkommens über einer Freigrenze von 1000 Euro für die Pflege aufgewendet wird, von Selbstständigen ebenso wie Arbeitnehmern, Pensionisten, aber etwa auch Einnahmen aus Mieten.


Höhere Sozialversicherungsbeiträge: Diese Variante wird derzeit von SPÖ und ÖVP abgelehnt, weil dies die Lohnnebenkosten erhöhen würde. Außerdem wurden bei der Einführung des Pflegegeldes Mitte 1993 bereits 0,4 Prozent der Krankenkassenbeiträge für die Pflege zugesagt. Die Umsetzung dieses Modells ist daher äußerst unwahrscheinlich.


Pflegeversicherung: Eine eigene Sparte im Rahmen der Sozialversicherung gilt aus demselben Grund als unwahrscheinlich, weil auch dies die Lohnnebenkosten erhöhen würde. Der Großteil der SPÖ- und ÖVP-Politiker wendet sich daher gegen dieses Finanzierungsmodell.


Verpflichtende private Pflegeversicherung: Das wird von der SPÖ abgelehnt, weil dies vor allem Bezieher mittlerer und niedrigerer Einkommen zusätzlich belasten würde.


Freiwillige Pflegeversicherung: Angebote dafür von Versicherungen gibt es schon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Altenbetreuung
Innenpolitik

Verstärkter Wettbewerb um Pflegepersonal ab 2017

Wegen einer Pensionierungswelle droht ein neuer Engpass an Pflegekräften. Bemühungen um die Übertragung von Kompetenzen von Ärzten sind im Gang.
Stempel Pflegegeld
Innenpolitik

Gutscheine statt Pflegegeld erhitzt Gemüter

Um die Kosten für die Pflege zu bremsen, werden mehr Sach- statt Geldleistungen überlegt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.