Steuerlast: Bei 1410 Euro netto kassiert der Staat 1215 Euro

WIRTSCHAFTSKAMMER-PRAeSIDENT CHRISTOPH LEITL
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Die Steuerlast stellt längst eine Bedrohung der mittleren Einkommen dar. Wer Lohnkosten senken möchte, muss nicht nur das Steuersystem, sondern auch Sozialversicherungs- und Kammerpflichtbeiträge infrage stellen.

Wien. Es war ziemlich auf den Tag genau vor einem Jahr, als ÖVP-Spitzenkandidat Michael Spindelegger flankiert von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl im Gespräch mit dieser Zeitung verkündete: „Natürlich müssen die Nettoeinkommen steigen und die Lohnnebenkosten gesenkt werden.“ Seither ist viel geschehen in diesem Land. Eine Wahl wurde geschlagen, das wahre Ausmaß des Hypo-Debakels sichtbar, Steuern wurden nicht gesenkt, sondern erhöht.

Die Steuer- und Abgabenquote kletterte auf 45,4 Prozent. In Europa weisen nur noch Frankreich, Dänemark und Belgien eine höhere Steuerlast auf. Österreich hat klassische Hochsteuerländer wie Schweden, Finnland und Italien überholt. Und obwohl die Österreicher noch nie so viel Steuern gezahlt haben, steigt der Schuldenberg des Staates. Mittlerweile liegt er über 80Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Für den Linzer Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider hat die Steuerbelastung längst ein erträgliches Maß überschritten. „Wir stehen kurz vor einer Steuerrebellion“, sagte er in einem ORF-Interview. Eine Steuerentlastung müsse sofort erfolgen, und nicht wie von der Regierung versprochen in zwei bis drei Jahren. Schneider sieht genügend Einsparpotenzial. Sieben Prozent weniger Subventionen und effizientere Bekämpfung des Steuerbetrugs würden zwei Milliarden Euro bringen, meint er.

Steuerkeule trifft untere Einkommen

Längst ist die hohe Steuer- und Abgabenlast kein alleiniges Problem der Spitzenverdiener mehr. Ein seit mehr als zehn Jahren nicht mehr reformiertes Steuersystem und die kalte Progression führten dazu, dass die Belastungslawine die Mittelschicht überrollt hat. Wer heute etwa 2000 Euro brutto im Monat verdient, bekommt 1410 Euro netto auf das Konto überwiesen. 590 Euro holt sich der Staat vom Arbeitnehmer in Form von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, weitere 625 Euro fallen in Form von Arbeitgeberbeiträgen an. Insgesamt kassiert der Staat also 1215 Euro. Und mit einem Nettogehalt von 1410 Euro im Monat liegt man in Österreich weit unter dem Median, also in der unteren Einkommenshälfte. Der Median lag laut Statistik Austria im Jahr 2012 bei 1781Euro netto pro Monat.

Wie „Die Presse“ berichtete, wird die Lohnsteuer bereits heuer die Umsatzsteuer als wichtigste Einnahmequelle überholen. Denn keine Steuer steigt so rasant. Waren es im Vorjahr 24,8 Mrd. Euro, so werden es 2018 bereits 31,9 Mrd. sein. Ein Grund dieses Anstiegs ist die sogenannte kalte Progression. Steigt das Bruttoeinkommen, rutschen Arbeitnehmer oft in eine höhere Steuerklasse. Fazit: Netto bleibt von der Gehaltssteigerung kaum etwas übrig. Nutznießer ist vor allem der Staat (siehe Grafik).

„Ich stehe dafür, dass wir die Steuern für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen senken“, sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Dienstag und fügte hinzu: „Doch damit das fair zugeht, brauchen wir auch Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern.“ All jene, die es trotz des leistungsfeindlichen Steuersystems geschafft haben, sich ein kleines Vermögen zu erarbeiten, sollen neulich zur Kasse gebeten werden. Große Vermögen hingegen sind längst in Stiftungen geparkt und für den Fiskus unsichtbar.

Apropos unsichtbar: Kein Thema in der Lohnkostendebatte ist das ineffiziente, überbürokratisierte Sozialversicherungssystem, ganz zu schweigen von den Zwangsmitgliedsbeiträgen an Arbeiter- und Wirtschaftskammer, die jährlich 700 Millionen Euro an Lohnnebenkosten ausmachen. 14 Kammern mit 10.000 Funktionären müssen schließlich finanziert werden. Zum Vergleich: Das Finanzressort zählt etwa 11.000 Mitarbeiter und wäre übrigens ein gutes Beispiel für Bürokratiereform. Dort wurden seit 2000 etwa 6000 Beamte eingespart. Und trotzdem stieg die Steuerlast. Im Vorjahr kassierte der Staat 142 Milliarden an Steuern und Abgaben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2014)

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