Karmasin: Im Zweifelsfall Adoption für heterosexuelle Eltern

Sophie Karmasin
Sophie Karmasin(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Familie ist dort, wo Liebe ist, sagt Familienministerin Sophie Karmasin. Eine Idealform will sie nicht von oben herab vorgeben, die müsse jeder für sich selbst definieren.

Wie läuft bei Ihnen daheim der Muttertag ab?

Sophie Karmasin: Ich nehme an, dass die Kinder mit Unterstützung meines Mannes das Frühstück vorbereiten werden. Und dass es eine kleine Überraschung geben wird – natürlich nicht im materiellen Bereich. Über Blumen freue ich mich auch sehr.

Also ein sehr traditioneller Ablauf.

Genau. Traditionell, aber gut.

Dabei wurden Sie ja eigentlich in die Regierung geholt, um das traditionelle Familienbild der ÖVP über Bord zu werfen.

Mir ist wichtig, verschiedenste Familienbilder, die es in Österreich gibt, zu akzeptieren, nicht zu bewerten, sondern gleichermaßen mit Rahmenbedingungen zu versehen.

Die ÖVP hatte früher die traditionelle Familie – verheiratete Eltern mit Kindern – im Blickfeld. Das wurde schon aufgebrochen mit der Aussage „Familie ist, wo Kinder sind“. Sie gehen noch einen Schritt weiter?

Das Bild ist ein bisschen offener: Familie ist dort, wo sich Menschen zu Hause fühlen. Und ich würde noch ergänzen: wo Liebe ist. Und das beschreibt die unterschiedlichen Konstellationen, die da sein können: Ehe, Alleinerzieher, Patchworkfamilien, Mehrgenerationen-Familien. Das ist Realität in Österreich, und die gilt es zu akzeptieren.

Es gibt also keine Idealform von Familie?

Die Idealform definiert sich jeder selbst. Ich will nicht von oben herab vorgeben oder diktieren, was anzustreben wäre. Weil das Problematische an einem Ideal wäre, dass diejenigen, die dem nicht entsprechen, sich in irgendeiner Form minderwertig fühlen könnten.

Auf Plakaten bezeichnen Sie auch gleichgeschlechtliche Paare als Familie. Was sagt der typische ÖVP-Anhänger dazu?

Ich habe durchaus ambivalente Reaktionen darauf. Auch sehr positive, die uns sagen, selbstverständlich können Homosexuelle auch eine Familie sein. Aber natürlich hat es für manche einen gewissen Gewöhnungseffekt. Das muss man auch respektieren.

Aber der Aufstand unter den Parteifunktionären ist ausgeblieben?

Ich erlebe in Sitzungen, dass die meisten sehr wohl der Meinung sind, dass wir eine Öffnung angehen müssen.

Gehört auch der Parteichef dazu, der vor Jahren nicht gewusst hat, ob er es gut finden soll, wenn homosexuelle und heterosexuelle Paare sich auf dem Standesamt treffen?

Ich bin grundsätzlich gegen jede Ungerechtigkeit im Familienbereich. Homosexuellen Paaren das Standesamt zu verweigern ist so eine Ungerechtigkeit, die ich nicht verstehe, und zum Glück der Parteiobmann auch nicht mehr.

Wenn man sich schon öffnet bei diesem Thema und Widerstände in Kauf nimmt – warum geht man da nicht gleich noch einen Schritt weiter und eröffnet Homosexuellen die Möglichkeit der Adoption?

Da möchte ich schon unterscheiden: Da steht das Kindeswohl im Vordergrund. Im Moment haben wir zehnmal mehr adoptionswillige heterosexuelle Eltern als Kinder. Daher sehe ich auch keine Notwendigkeit, diesen Ablauf zu verändern. Wenn wir auf der Suche nach Eltern wären, könnten wir uns die Frage ansehen.

Das heißt aber: Im Zweifelsfall gibt man doch heterosexuellen Eltern den Vorzug.

Wie eben ausgeführt, ja. Studien aus dem amerikanischen Raum kommen zwar zu dem Ergebnis, dass es keinen negativen Einfluss auf das Adoptivkind hat, wenn es bei einem homosexuellen Paar aufwächst. Es gibt aber noch keine fundierten Studien dazu aus unserem Kulturkreis. Ich bin aber dafür, dass homosexuelle Paare Pflegeeltern werden können.

Gegner der Adoption durch Homosexuelle argumentieren auch mit Studien, die aber das Gegenteil sagen.

Die kenne ich nicht, werde sie mir aber gern anschauen.

Hat es Sie eigentlich geärgert, dass Ihr Ministerkollege Andrä Rupprechter bei dem Thema vorgeprescht ist?

Geärgert nicht. Ich finde es nur grundsätzlich besser, man spricht die Dinge vorher mit den zuständigen Ministern ab. Aber ich bin nicht dagegen, dass jemand seine Meinung äußert.

Was ist Ihre wichtigste Aufgabe?

Familie hat in Österreich einen hohen Stellenwert, und auch der Kinderwunsch ist stark ausgeprägt. Aber es gibt viel weniger Kinder als gewünscht werden. Gründe dafür sind die finanzielle Situation, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, es geht aber auch um Wertschätzung. Das ist das Thema.

Ist es tatsächlich Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass es mehr Kinder gibt?

Aufgabe ist es, Rahmenbedingungen herzustellen. Da geht es um Kinderbetreuungseinrichtungen, um Unternehmen, wie sie mit Vereinbarkeitsfragen umgehen, um die Gesetzeslage zu Karenzzeiten und finanziellen Leistungen. Wir wollen ein Klima schaffen, in dem man gern Ja zu Kindern sagt. Das ist sehr wohl Aufgabe der Politik. Wenn daraus mehr Kinder resultieren, ist das ein Zusatznutzen.

Österreich gibt relativ viel Geld für Familien aus. Ist das gut eingesetzt?

Wir liegen im Mittelfeld. Wir haben einen hohen Anteil an Direktzahlungen und relativ wenig Sachleistungen wie Kinderbetreuungseinrichtungen. Im internationalen Bereich sehen wir, dass ein anderes Verhältnis zu einem besseren Familienklima führt.

Dann hätten Sie aber die Familienbeihilfe nicht erhöhen dürfen.

Wir haben bei den neuen Mitteln in dieser Legislaturperiode ein Verhältnis von 50 zu 50 bei Geld- und Sachleistungen. Bisher war das Verhältnis 80 zu 20. Eine gewisse Veränderung ist da schon im Gange.

Aber wenn tatsächlich Sachleistungen der bessere Weg sind, müssten Sie bestehende Mittel umschichten.

Das ist leicht gesagt, wäre aber schwierig durchzubringen – auch bei den Familien, die an das System gewöhnt sind. Die Familien brauchen dieses Geld, vor allem bestimmte Gruppen wie Alleinerzieherinnen oder Familien mit mehreren Kindern. Das wäre wirklich brutal, wenn man in diesem Bereich etwas tun würde, und das lehne ich entschieden ab.

Wenn Sie ein familienfreundliches Klima schaffen wollen: Haben Sie mit Ihrem Ministerium überhaupt einen größeren Einfluss?

Davon bin ich überzeugt. Allein die Stimme der Familien und der Jugend in der Bundesregierung zu sein, die gewisse Themen einfordert, macht einen Unterschied.

Ihre Funktion ist es quasi, Lobbying für die Familien zu machen?

Genau. Das ist eine Querschnittsmaterie, die viele andere Ressorts betrifft. Auch über die Medien kann ich das Thema Familienfreundlichkeit stets präsent halten. Aber ich habe schon auch genug eigene Themen, die ich verantworte.

Das Unterrichtsministerium kürzt die Mittel für die Ganztagsbetreuung. Sind Sie da einverstanden?

Ich bin froh, dass nicht in den Schulklassen gespart wird. Einsparungen sind nicht erfreulich, das ist klar. Aber es gab den Auftrag des Finanzministers an jedes Ressort. Mir ist es gelungen, im Verwaltungsbereich zu sparen, nicht bei Leistungen für die Familien.

Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek ist das offensichtlich nicht gelungen.

Der Bildungsbereich ist sehr komplex, und ich will da nicht von außen gute Ratschläge geben. Aber ja, wenn wir die Schulverwaltung an die Länder ausgliedern würden, gäbe es schon einiges zu holen.

Wie beurteilen Sie als ehemalige Meinungsforscherin die Performance der Regierung?

Es fällt mir schwer, in diese Rolle wieder hineinzuschlüpfen. Ich bin jetzt mit voller Begeisterung und Leidenschaft in dem politischen Amt.

Aber Sie werden zugeben, dass die Regierung zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gut dasteht.

Natürlich waren jetzt sehr schwierige Themen zu entscheiden und zu transportieren. Bei der Hypo sagt der Vizekanzler treffend, man solle nicht die Feuerwehr strafen, sondern den Brandleger. Leider wird aber oft sehr vereinfacht die Feuerwehr beschuldigt. Auch die Einsparungen im Budget sind ja keine freudigen Botschaften. Aber das ist erledigt, jetzt geht es darum, Reformen umzusetzen.

Wie die Steuerreform. Was soll die den Familien bringen?

Gerade für die Familien soll es eine Entlastung geben. Wir haben schon viele kreative Ideen ausgearbeitet, die werden jetzt in die Steuerungsgruppe eingebracht.

Soll die Steuerreform schon 2015 kommen?

Wo soll jetzt das Geld herkommen? Wir können die Reform seriöserweise erst machen, wenn sie finanzierbar ist. Auch weil wir an die zukünftigen Familien und Kinder denken müssen.

Steckbrief

5. 1. 1967
Sophie Karmasin wird in Wien geboren. Vater Fritz Karmasin ist Meinungsforscher und leitet das Gallup-Institut, Mutter Helene ist Motivforscherin.

1995
Karmasin steigt in die Motivforschungsagentur ihrer Eltern ein. Zuvor arbeitete sie bei Werbeagenturen und als Produktmanagerin bei Henkel.

2006
Sie übernimmt die Geschäftsführung der Karmasin Motivforschung.

2013
Karmasin bewertet im ORF die Auftritte der Politiker in den TV-Duellen vor der Nationalratswahl. Wenig später ist sie selbst in der Politik: ÖVP-Chef Michael Spindelegger macht sie zur Familienministerin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2014)

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