Ein Richter im U-Ausschuss

Barbara Prammer (SPÖ)
Barbara Prammer (SPÖ)(c) Teresa ZÖTL
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SPÖ und ÖVP sind sich einig: Der Nationalratspräsident und ein Richter sollen künftig gemeinsam Untersuchungsausschüsse leiten.

Wien. Die SPÖ will, dass der Nationalratspräsident künftig Untersuchungsausschüsse leitet, die ÖVP will Richter mit dieser Aufgabe betrauen. Jetzt haben sich die beiden Koalitionsparteien auf einen Kompromiss geeinigt: Der Nationalratspräsident soll den Vorsitz übernehmen, ihm soll aber ein emeritierter Richter zur Seite gestellt werden. Die Aufgabenteilung: Der Vorsitzende soll für Geschäftsordnungsbelange wie die Tagesordnung zuständig sein, während der Richter das Beweiserhebungsverfahren leitet und auch selbst die Auskunftspersonen befragt.

Kritik an dieser Lösung übte ausgerechnet Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ): Sie finde es nicht gut, wenn ein Richter die Befragungen durchführt, denn dann stelle sich die Frage nach der Rolle der Abgeordneten. Prammer würde den Vorsitz in die Hände eines Abgeordneten legen. Der „Mischmasch“ zwischen Vorsitz, Richter und Verfahrensanwalt müsse jedenfalls noch aufgelöst werden, findet Prammer.

„Erst recht ein Tribunal“


Auch die Opposition steht dem Vorschlag kritisch gegenüber. Neos-Abgeordneter Nikolaus Scherak sieht einen Widerspruch zu den wichtigsten Intentionen der Regierungsparteien: „Ich verstehe den Vorschlag nicht. Man will dem Untersuchungsausschuss den Tribunalcharakter nehmen. Wenn es aber ein Triumvirat von Vorsitzendem, Richter und Verfahrensanwalt gibt, entsteht erst recht der Charakter eines Tribunals.“
Der grüne Abgeordnete Dieter Brosz ist überzeugt, dass der Vorschlag unausgereift sei, da SPÖ und ÖVP Nachfragen zu dem Kompromiss nicht hätten beantworten können. Der Teufel stecke im Detail: An einer Beiziehung eines Richters werde die Reform nicht scheitern, aber dass die Präsidentin dann pro forma im U-Ausschuss sitzt, „wird mit Sicherheit nicht gehen“.

FPÖ-Abgeordneter Gernot Darmann ortet einen erzwungenen Kompromiss, damit „beide nicht das Gesicht verlieren“. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein Richter das gesamte Beweiserhebungsverfahren durchführen soll, denn immerhin gehe es um politische Aufklärung.
Einig sind sich alle Oppositionsparteien in einem Punkt: Ein Parlamentarier – am besten einer der Opposition – solle den Ausschuss führen.

Generell ist die Opposition aber optimistisch, dass wie geplant bis zum Sommer neue Verfahrensregeln für Untersuchungsausschüsse beschlossen werden können. Die Verhandlungen würden gut vorangehen, man sei sich auch schon in vielen Punkten einig – vor allem im Kernpunkt, wonach künftig die Opposition selbst U-Ausschüsse einberufen kann.

Was darf die Minderheit?


Offen ist neben der Frage des Vorsitzes noch ein weiterer wichtiger Punkt: Welche Rechte hat die Minderheit während des Verfahrens. Auch die Anforderung von Akten, die Ladung von Zeugen und die Beendigung des U-Ausschusses müssten von der Minderheit beschlossen werden können, fordert Brosz. Sonst werde man einer Neuregelung nicht zustimmen, das sei sinnlos. Die Koalitionsparteien wollen Beschlüsse der Minderheit in diesen Punkten beeinspruchen können – entscheiden sollen dann externe Richter.

Wie Barbara Prammer ankündigte, bekommen die Verhandler demnächst Unterstützung aus Deutschland: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wird das oft als Vorbild genannte deutsche Modell präsentieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2014)

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