Aktionismus: Als im Plenum musiziert wurde

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Die Neos sind nicht die Ersten, die im Parlament künstlich Aufsehen erregen wollen. Schon in der Monarchie war dies üblich.

Wien. Auch am Donnerstag verließen die Neos wieder das Plenum, um gegen die Budgetpolitik der Regierung zu protestieren. Am Tag zuvor war sogar ein Aktionismuswettbewerb zwischen Opposition und Koalition ausgebrochen: Hatten die Neos auf ihren Plätzen noch Schilder mit dem Text „Sorry! Wegen Budgetricks geschlossen“ hinterlassen, legten Mandatare von SPÖ und ÖVP pinkfarbene Luftmatratzen und Schwimmreifen auf die leeren Plätze, um so eine mangelnde Arbeitsbereitschaft der Mandatare zu rügen.

Klingt kindisch, doch betrachtet man die Geschichte des österreichischen Parlamentarismus, so sind diese Aktionen wahrhaftig nichts Außergewöhnliches. Bereits in Zeiten der Monarchie ging es im Reichsrat wild zu. Vor allem tschechische Abgeordnete liebten es, während der Sitzungen mit Ratschen und Tschinellen zu musizieren, wobei nicht der künstlerische Ausdruck, sondern die Erzeugung von Lärm im Vordergrund stand. Redner sollten gestört und die Zuständigkeit des Reichsrats für Böhmen und Mähren generell infrage gestellt werden. Aber auch für Poesie war Platz: Abgeordnete rezitierten Gedichte in ihrer Muttersprache, um Abstimmungen zu verzögern. Die Gedichte verstanden zwar nur die Mandatare, die dieselbe Muttersprache hatten, aber das störte weder Redner noch Stenografen. Denn die Stenografen kümmerten sich um nicht deutsche Kommentare ohnedies nie, sondern hielten nur deutschsprachige Ausführungen fest.

Mark Twain staunte nicht schlecht


Überhaupt waren stundenlange Reden, um die Abläufe zu stören, im Reichsrat ebenso üblich wie Raufereien. Selbst wenn das Verhalten der Parlamentarier ausländische Gäste verschreckte. Ein gewisser Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt als Mark Twain, soll entsetzt gewesen sein, wie es im Parlament zuging. Twain lebte von 1897 bis 1899 in Wien und beobachtete die politischen Zustände in der Monarchie genau. Beschimpfungen (etwa „Bordellvater“, „besoffener Hanswurst“), Tumulte und eine zwölfstündige Filibusterrede im Reichsrat hinterließen bei dem Schriftsteller Kopfschütteln. Die Tradition der Filibusterreden wurde freilich auch fast ein Jahrhundert später noch im Hohen Haus zelebriert.

Die Grüne Madeleine Petrovic redete 1993 zehn Stunden lang zum Thema Jute, um zu verhindern, dass die Kennzeichnungspflicht für Tropenholz geändert würde. Darauf wurde in der Geschäftsordnung festgelegt, dass Abgeordnete im Plenum maximal vierzig Minuten reden dürfen. Später wurde der Wert sogar auf zwanzig Minuten herabgesetzt. Für parlamentarische Ausschüsse galt diese Regel aber nicht, weswegen Werner Kogler 2010 im Budgetausschuss zwölfeinhalb Stunden sprach. Und die Rede mit den Worten „Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte“ beendete.

Künftig Strafen fürs Schwänzen?

Überhaupt neigten Grün-Politiker immer wieder zum Aktionismus. Rollstuhlfahrerin Theresia Haidlmayr besetzte einmal das Rednerpult im Plenum (worauf andere Abgeordnete ihre Reden von ihrem Sitzplatz hielten). Einmal wurde sogar eine Hakenkreuzfahne (aus Protest im Zuge der Debatte um die Vergangenheit des früheren Bundespräsidenten Kurt Waldheim) gehisst. Eine Grün-Mandatarin stillte ihr Baby im Plenum; andere verkleideten sich: So kam Peter Pilz einmal im Udo-Proksch-Outfit. Taferln (von der FPÖ geliebt) oder Geschenke für die Regierungsbank hatten auch andere Oppositionsparteien gern dabei: Selbst wenn man sich wie BZÖ-Chef Josef Bucher schon einmal bei Plüschtieren vertun kann, indem man unter dem Gelächter des Plenums einen Pandabären als „Koalabären“ überreicht.

Der Auszug der Neos-Mandatare könnte übrigens erneut für eine Änderung der Geschäftsordnung sorgen: Die ÖVP fordert, dass Geldstrafen für Abgeordnete eingeführt werden, wenn diese unentschuldigt fernbleiben. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) erklärte, für die Idee offen zu sein.

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