Energie: Bürgerbeteiligungen als Fluch und Segen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Umweltpolitik als Gratwanderung: Wenn Politikern die Luftbelastung egal ist und Bürger die Energiewende vereiteln können.

Haibach ob der Donau. Die Salzburg-Arena ist reserviert, mehr als 1300 Einwendungen von Betroffenen wurden eingebracht, allein 16Sekretärinnen sind im Einsatz: Wenn heute, Montag, in Salzburg die mündliche Verhandlung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die gut 100 Kilometer lange 380-Kilovolt-Stromleitung zwischen Kaprun und der Stadt Salzburg eröffnet wird, zeigt sich exemplarisch die ganze Brisanz bei derartigen Großprojekten. Es geht um die Berücksichtigung der Umweltschutzinteressen durch Einbindung der Bürger in das Verfahren, die freilich angesichts der Dimensionen nur schwer zu bewältigen sind.

Rechtsanwalt Christian Onz schilderte aufgrund seiner einschlägigen Erfahrungen: „Die Behörden würden sich am liebsten verkriechen.“ Dabei seien die rechtlichen Rahmenbedingungen ausreichend. Er erteilte aber der Politik eine kräftige Schelte: Grundsätzlich sei eine vernünftige Beteiligung schon auf einer „vorgelagerten Ebene“ sinnvoll. Letztlich komme jedoch immer die Politik in das Spiel und „sitzt dann der Verwaltung im Genick“. Das Grundproblem: „Der Durchschnittspolitiker hat gar nicht den intellektuellen Atem, sich dem zu widmen.“

Da wurde es zum Abschluss der Frühjahrstagung der österreichischen Juristenkommission am Samstag in Haibach ob der Donau im oberösterreichischen Bezirk Eferding einer Teilnehmerin zu bunt. „Ich bin eine Politikerin“, stellte die Salzburger Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf (ÖVP) demonstrativ fest, also eine dieser „Unfähigen“. „Wir haben ein Kommunikationsproblem mit der Bevölkerung“, räumte sie ein. Gerade bei Großbauten sei es das Schlechteste, zwischen den Positionen von Betreibern und erklärten Gegnern hin- und herzuhüpfen. Sie klopfte sich nach einem entsprechenden Vorwurf über mangelnde Kenntnis in Sachfragen außerdem selbst auf die Brust: „Ein Politiker versteht tatsächlich nicht alles.“ Daher suche er auch Berater. Hintergrund dieser Diskussion war das Generalthema der Tagung über Zustand und Perspektiven der Demokratie.

Rechtsanwalt Onz warnte in seinem Referat auch in ironischer Weise vor einer noch viel weitreichenderen Kluft zwischen Ankündigungen der Politik und rechtlichen Möglichkeiten organisierter Bürgergruppen gerade im Umweltbereich. Dies betrifft die angestrebte Hinwendung zu erneuerbaren Energieträgern. Dass dafür allerdings neue Netze und Stromleitungen notwendig seien, werde nicht deutlich dazugesagt. „Wir haben die Energiewende ausgerufen, das ist es”, so Onz. Denn deren Umsetzung könne durch „die Bürgerinitiative Wanne-Eickel” verhindert werden.

„Eine Art von Minderheitenschutz“

Auf das genau umgekehrte Problem machte hingegen Marlies Meyer, auf Umweltfragen spezialisierte Juristin im Grünen Klub, am Beispiel der Luftbelastung im Raum Graz aufmerksam. Wegen eines drohenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens habe es einen Konsens in der Kommunalpolitik über eine Umweltzone zur Verringerung der Feinstaubbelastung gegeben. Der steirische FPÖ-Landesrat habe dann aber gegen eine Beschränkung des Autoverkehrs mobilgemacht, weil dies auch die Pendler treffen würde. Den Effekt hält Meyer im Sinne des Schutzes der Luftqualität für die Bevölkerung für unzumutbar: „Es kommt zu keiner Umsetzung.“ Eine verstärkte Beteiligung der betroffenen Bevölkerung diene auch dazu, den Umweltschutz zu verbessern: „Das ist eine Art von Minderheitenschutz.“

Hier kommt auf Österreich von EU-Seite allerdings zusätzlicher Druck für Verbesserungen der Bürgerbeteiligung in Umweltschutzfragen zu. Möglicherweise beim Naturschutz, beim Wasserrecht oder beim Immissionsschutz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2014)

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