Steuern: Warum beide Seiten hart bleiben

Austrian Chancellor Faymann of the SPOe and Vice Chancellor Spindelegger of the OeVP address a news conference after a cabinet meeting in Vienna
Austrian Chancellor Faymann of the SPOe and Vice Chancellor Spindelegger of the OeVP address a news conference after a cabinet meeting in Vienna(c) REUTERS
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Wann kommt die Steuerentlastung? Und wie soll sie finanziert werden? Von einem Kompromiss sind SPÖ und ÖVP noch weit entfernt. Jetzt wird verhandelt – mit open end.

Wien. Der Kanzler sprach am Dienstag ein Machtwort. Der Vizekanzler auch. Die Botschaft beider lautete: Ja, wir wollen eine Steuerentlastung für die breite Masse. Nein, wir sind nicht bereit, von unseren jeweiligen Standpunkten abzuweichen. Und nein, eine Regierungskrise ist das noch nicht. Echt nicht.

Werner Faymann und Michael Spindelegger haben also ein Problem – das erste in dieser noch jungen Amtsperiode, die eigentlich von einem neuen Regierungsstil geprägt sein sollte. Warum SPÖ und ÖVP trotzdem wieder den alten pflegen? Und warum sich der Steuerstreit nicht so leicht beilegen lassen wird: die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1 Wie wahrscheinlich ist es, dass es zu einer Lohn- und Einkommenssteuerreform kommt?

Die Chancen stehen zumindest gut. Der Faktor Arbeit wird in Österreich überdurchschnittlich belastet, eine Entlastung ist auch im Regierungspakt festgeschrieben. Allerdings mit einem Zusatz: Erst dann, wenn sie leistbar ist, also wenn man die Staatsschulden einigermaßen in den Griff bekommen hat. Und eigentlich waren sich SPÖ und ÖVP einig, dass das nicht vor 2016 sein wird.

2 Warum wird die Steuerdebatte dann schon wieder geführt?

Weil die SPÖ Druck macht. Nach dem enttäuschenden EU-Wahlergebnis musste Faymann reagieren. Im Herbst will er als SPÖ-Chef wiedergewählt werden. Und nächstes Jahr stehen vier Landtagswahlen an – in Wien, Oberösterreich, der Steiermark und dem Burgenland.

3 Könnte es deshalb schon 2015 zu einer Steuerentlastung kommen?

Das ist offen. Faymann und Spindelegger haben immerhin außer Streit gestellt, dass das Konzept bis Jahresende fertig sein muss. Im März 2015 soll die legistische Arbeit abgeschlossen sein. Danach weichen die Zeitpläne voneinander ab. Die SPÖ möchte gleich danach mit der Umsetzung beginnen. Die ÖVP glaubt nicht, dass der finanzielle Spielraum bis dorthin groß genug ist. Spindelegger strebt einen Nationalratsbeschluss im Juli 2015 an. Die Reform soll dann 2016 beginnen.

4 Hat auch Spindelegger seine Position geändert?

Das hat er – zwangsläufig. Ursprünglich wollte der Finanzminister nicht vor 2015 über eine Steuerreform reden. Teile der ÖVP, allen voran die schwarzen Arbeitnehmervertreter und die steirische Landespartei, sind in dieser Frage allerdings eher auf SPÖ-Linie. Auch das hat den Reformprozess beschleunigt.

5 Wie soll die Steuerentlastung finanziert werden, wo doch der Staat hoch verschuldet ist?

Das ist die entscheidende Frage in der Koalition. Die SPÖ will unter anderem Vermögen und Erbschaften ab einer Million Euro belasten. Das lehnt jedoch die ÖVP ab. Spindelegger verlangt stattdessen Strukturreformen bei den Frühpensionen, den Förderungen, bei den ÖBB und in der Staatsverwaltung.

6 Wie geht es nun weiter? Auf welcher Ebene wird weiterverhandelt?

Die von der Regierung eingesetzte Steuerreformkommission hat sich am Dienstag konstituiert. Spätestens im Oktober soll das elfköpfige Gremium seine Empfehlungen abgeben. Beide Parteien haben Experten nominiert. Die SPÖ entsendet unter anderem Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm und den Linzer Finanzrechts-Professor Georg Kofler. Für die ÖVP verhandeln Finanzsprecher Andreas Zakostelsky und der Steuerberater Heinz Harb. Geleitet wird die Kommission von Gunter Mayr, dem Chef der Steuersektion im Finanzministerium (siehe Porträt links).

7 Könnte der Steuerdisput zwischen SPÖ und ÖVP auch zum Ende der Koalition führen?

Theoretisch: ja. Einige Landesparteichefs der SPÖ – Michael Häupl, Hans Niessl und Peter Kaiser – wollen die Koalition infrage stellen, wenn sich die ÖVP weiterhin einer Steuerreform im nächsten Jahr verweigert. Dieser Meinung schloss sich am Dienstag auch der Vorarlberger SPÖ-Chef Michael Ritsch an. Soweit wollten Faymann und Spindelegger nach der Ministerratssitzung am Dienstag allerdings nicht gehen. Er rede nicht „vom Ende der Koalition“, sagte etwa der Vizekanzler. „Es geht um den Beginn von Verhandlungen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2014)

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