Neos: Warum der Startbonus weg ist

PK NEOS 'STELLUNGNAHME UND ANALYSE DER EU-WAHL': MLINAR / STROLZ
PK NEOS 'STELLUNGNAHME UND ANALYSE DER EU-WAHL': MLINAR / STROLZ(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Die Ablöse von Niko Alm als Religionssprecher zeigt, dass in der Fraktion nicht alles rund läuft. Den Nimbus als neue, unverbrauchte Partei ist man aber auch aus anderen Gründen los.

Wien. Die Abberufung von Niko Alm als Religionssprecher, die Neos-Chef Matthias Strolz bei einer Diskussion mit Mitgliedern des der ÖVP nahestehenden Cartellverbands bekannt gegeben hat, sorgt weiterhin für Aufregung. Alm mit dieser Funktion zu betrauen sei ein „Fehler“ gewesen, sagte Strolz, der diese Agenden nun selbst übernimmt. Auch sonst lief bei den Neos zuletzt nicht alles rund. Doch welche Probleme hat die Partei, und was bedeutet dies für die Landtagswahlen in Vorarlberg und Wien? „Die Presse“ hat fünf Thesen entworfen.

1 Der Charme einer neuen Partei ging auffallend früh verloren

Es war klar, dass die Neos nicht auf Dauer den Nimbus als unverbrauchte Partei behalten können. Doch man hat ihn auffallend früh verloren. Zu Beginn des Jahres lag man bei bis zu 15 Prozent Wählerzuspruch. Doch im EU-Wahlkampf zeigte sich, dass eine Angelika Mlinar nicht das Format eines Matthias Strolz hat. Die EU-Spitzenkandidatin wirkte bei Themen nicht sattelfest. ÖVP und Grüne nutzten das aus, um die Neos im Wahlkampf erfolgreich anzugreifen. Für die Pinken war es Neuland, in der Defensive zu sein, sie kamen damit nicht zurecht. Ergebnis: Nur acht Prozent für die Neos bei der EU-Wahl.

2 Neos-„Watergate“ und der folgende Zickzackkurs irritieren Wähler

Man solle über die Privatisierung der Trinkwasserversorgung diskutieren, meinte Neos-Chef Strolz im Februar. Als Mlinar dies im EU-Wahlkampf wiederholte, war die Aufregung groß. Die „Kronen Zeitung“ startete eine Kampagne gegen die Neos. Protestwähler, die erwogen hatten, für die Neos zu votieren, kamen nun von dieser Idee ab. Die Partei ruderte beim Thema Wasser halbherzig zurück.

Der Zickzackkurs aber irritiert nun auch wirtschaftsliberale Wähler. Die von den Neos gewünschte Botschaft, dass die Gemeinde Wien über Wassergebühren versteckte Abgaben einhebt, hat durch den unklaren Kurs bisher jedenfalls kaum Gehör gefunden.

3 Die Außenwirkung des Spaghettimonsters wurde unterschätzt

Dass Alm Religionssprecher wurde, ist einem Missverständnis zu verdanken. Nach Einzug ins Parlament lag den Neos eine Liste vor, laut der es einen Ausschuss für Religions- und Sektenfragen gibt. Dafür nominierte man Alm. Dass Alm gegen Kirchenprivilegien auftritt und der Religionsparodie „Pastafari“ angehört, störte in der Fraktion (säkular ausgerichtet, auch wenn sie einige religiöse Abgeordnete hat) niemanden. Nur den Religionsausschuss gibt es im Nationalrat gar nicht, Alm behielt seine Sprecherfunktion trotzdem. Doch in Mails an die Neos protestierten Bürger, dass Alm, der dem „fliegenden Spaghettimonster“ huldigt, das Amt ausfüllt.

4 Die Aufmerksamkeit dreht sich stark um Nebenschauplätze

Statt mit ihren Wirtschafts- oder Bildungsthemen fallen die Neos nun wieder auf einem Nebenschauplatz auf. Die eigene Kommunikation ist daran mit schuld: Im Zuge personeller Wechsel (Mlinar ins EU-Parlament, Sepp Schellhorn in den Nationalrat) sollten mehrere Agenden neu geordnet werden. Diese Bekanntgabe hätte weniger Aufsehen erregt als der von Strolz isoliert erwähnte Wechsel der Religionsagenden. Ein Journalist (der sich laut seinen Angaben zu erkennen gab) hatte die Diskussion auf der CV-Bude mitverfolgt und darüber berichtet.

5 In Vorarlberg und Wien sind die Neos trotzdem nicht zu unterschätzen

Trotz der Probleme: Bei der Vorarlberger Landtagswahl im September haben die Neos gute Chancen. Zwar gab es Streit bei der Listenerstellung. Aber die Pinken sind im Heimatland von Strolz bei den bisherigen Wahlen immer besonders stark gewesen. Dass Alm nicht mehr Religionssprecher ist, könnte im eher frommen Westen nützen.

Auch im urbanen Wien könnten die liberalen Neos 2015 reüssieren. Die Partei will sich auf die SPÖ einschießen und die Gebühren anprangern. Eine Privatisierung der Wasserversorgung in Wien sei aber kein Thema, betont Wiens Neos-Chefin, Beate Meinl-Reisinger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2014)

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