Steuerreform: Schwarzer Klassenkampf

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Führende Vertreter des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB verlangen – wie die SPÖ – eine baldige Steuerentlastung samt Millionärsabgabe. Ihre Obfrau, Johanna Mikl-Leitner, stürzt das in ein Dilemma: Eigentlich will sie Parteichef Michael Spindelegger nicht in den Rücken fallen.

Viel zu reden, ohne dabei etwas zu sagen, ist eine politische Kunst, die auch Johanna Mikl-Leitner von der Pike auf gelernt hat, also in ihrer Zeit als Landesparteisekretärin der niederösterreichischen Volkspartei. Sie kommt immer dann zur Anwendung, wenn der Politiker die Aussage zwar nicht verweigern, mit seiner Meinung aber hinterm Berg halten will. So er denn eine hat.

Mikl-Leitner hat das vor zehn Tagen anhand des Dauerdebattenthemas Vermögensteuer vorexerziert. Wie denn nun ihre Position dazu sei, wollten einige Journalisten am Rande des EU-Innenministertreffens in Brüssel wissen. Die Millionärssteuer, antwortete Mikl-Leitner, werde seit drei Jahren von der SPÖ gepredigt, sei aber bestimmt „kein Allheilmittel“. Bis heute gebe es keine „konkreten Fakten, Zahlen und Daten dazu“. Und deshalb brauche es zunächst einmal „einen Faktencheck“.

Das war kein Ja und kein Nein, noch nicht einmal ein Jein, sondern der Abwehrmechanismus einer routinierten Politikerin, die in einem Dilemma steckt. Denn der Klassenkampf, der entlang der Steuerdebatte ausgetragen wird, hat sich von der Regierung auf die ÖVP übertragen. Aus einem koalitionsinternen Problem wurde eines, das auch die Volkspartei entzweit. Und Mikl-Leitner steht genau in der Mitte.

Einerseits will sie ihrem Parteiobmann, der Vermögensteuern prinzipiell ablehnt und eine Steuerentlastung im nächsten Jahr für unleistbar hält, nicht in den Rücken fallen. Immerhin ist es Michael Spindelegger gewesen, der seine Landsfrau – nach einem dringlichen Hinweis von Landeshauptmann Erwin Pröll – bei seinem Amtsantritt als Vizekanzler im April 2011 in die Bundesregierung geholt hat.

Andererseits ist Mikl-Leitner auch Obfrau des Arbeitnehmerbundes in der Volkspartei, des ÖAAB. Und als solche kommt sie in der Steuerdebatte zunehmend unter Druck. Etliche hochrangige Vertreter der – gemessen an den Mitgliedern – zweitgrößten ÖVP-Teilorganisation (die größte ist der Seniorenbund) haben sich inhaltlich zuletzt auf die Seite der SPÖ geschlagen und Spindelegger damit öffentlich brüskiert.

Volks- oder Vermögendenpartei? Der oberösterreichische ÖAAB-Obmann etwa, Landeshauptmannstellvertreter Franz Hiesl, hätte keine Einwände gegen eine Millionärssteuer, wenn das Eigenheim davon ausgenommen wird. Mit den Einnahmen könnte eine Lohnsteuerentlastung finanziert werden. Es müsse „dringend etwas passieren“, nicht erst 2016, meint Hiesl. Denn das Leben werde immer teurer, „das Netto aber nicht mehr“. Ein Sozialdemokrat hätte es nicht anders formuliert.

So ähnlich argumentierten auch die ÖAAB-Chefs von Tirol und Vorarlberg, Landesrätin Beate Palfrader und Bundesrat Edgar Mayer. „Wir müssen uns fragen, ob wir noch die Volkspartei oder eine Vermögendenpartei sind“, stichelte Mayer in Richtung Spindelegger. Der Tiroler Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl, auch ein Vertreter des ÖAAB, empfahl der ÖVP sogar, sich von ihrem Obmann zu trennen: „Wenn die Volkspartei das Volk auf ihrer Seite haben will, dann muss man etwas ändern.“

Parteiintern überraschte die scharfe Kritik dann doch. Immerhin kommt auch Spindelegger aus dem Arbeitnehmerbund, zwischen 2009 und 2011 war er sogar dessen Obmann. Wobei – andererseits – ÖVP-Politiker noch nie Skrupel hatten, sich auf Kosten ihres Obmanns zu profilieren. Im Zweifelsfall gehen Bünde- vor Parteiinteressen.

Im aktuellen Fall ist die Lage jedoch nicht eindeutig. „Bei der Vermögensteuer geht die Bruchlinie mitten durch die Organisation“, sagt ein ÖAAB-Mitglied. Einige, wie die Wiener Landesobfrau Gabriele Tamandl, würden auch Spindeleggers Position unterstützen: Die Steuerentlastung solle nicht durch neue Steuern, sondern durch Reformen in der Staatsverwaltung finanziert werden. Und die brauchten eben Zeit.

Machtwort erforderlich. Auf Dauer kann sich der Arbeitnehmerbund diese Meinungsvielfalt nicht leisten, er schwächt sich damit selbst und seine Obfrau, die ÖVP sowieso. Mikl-Leitner will daher ein Machtwort sprechen. Für Ende Juni hat sie eine Klausur angesetzt, der genaue Termin steht noch nicht fest. Dort soll eine gemeinsame Position gefunden werden, ein Kompromiss. Wie auch immer dieser aussehen mag.

Ein wenig erinnert die Situation an das Jahr 2011. Auch damals musste die Regierung sparen, auch damals wollten Kanzler Werner Faymann und die SPÖ die Reichen zur Kasse bitten, und auch damals war die ÖVP-Spitze dagegen. Doch dann kam der ÖAAB-Bundestag im November, bei dem Mikl-Leitner als Obfrau gewählt werden wollte (und schließlich auch wurde). In ihrer Rede entfuhr ihr der mittlerweile berühmte Satz: „Her mit den Millionen, her mit dem Zaster, her mit der Marie.“

Im darauffolgenden Februar einigte sich die Bundesregierung auf eine Solidarabgabe für Spitzenverdiener.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2014)

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