EU-Spitzenkandidaten: Stiller Abschied in Richtung Brüssel

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Mlinar(c) ORF (Günther Pichlkostner)
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Zwei Wochen nach der EU-Wahl ist es ruhig um die Spitzenkandidaten geworden. Einige suchen eine Wohnung, andere politische Verbündete – und manche auch noch etwas Erholung.

„Es war ein kurzes Vergnügen. Aber es war mir eine Freude.“ Besonders viel Wehmut lag nicht in Angelika Mlinars Stimme, als sie vergangene Woche ihre (vorerst) letzte Rede im Nationalrat hielt. Vielleicht, weil die meisten Abgeordneten eine betont gelangweilte Miene aufgesetzt haben – wie so oft, wenn ein fremdes Klubmitglied im Plenum spricht. Vielleicht aber auch, weil auf die Neos-Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl ohnehin schon das nächste Parlament wartet. Dieses Mal aber in Straßburg und Brüssel.

Ihr Kollege aus der FPÖ, Harald Vilimsky, erschien gar nicht erst im Hohen Haus – und ließ sich von Belgien aus entschuldigen. „Eines der wenigen Male in meinen acht Jahren als Abgeordneter“, wie er betonte. Er habe zu viel Arbeit in Brüssel zu erledigen.

Doch wie sieht der Alltag eines frisch gewählten EU-Abgeordneten nun aus? Zwei Wochen nach dem Urnengang ist es still um die Spitzenkandidaten geworden. Dabei haben sie vor der konstituierenden Sitzung des Parlaments in Straßburg in der ersten Juliwoche genug zu tun. Vilimsky etwa versucht zusammen mit anderen Rechtsparteien eine Fraktion zu gründen: „Zurzeit wird wie wild verhandelt, das ist ziemlich anstrengend,“ sagt er. Spätestens am 24.Juni soll der Zusammenschluss stehen.

Nebenbei ärgert sich Vilimsky noch über hohe Hotelpreise („Das kostet eine Lawine, es gibt nichts unter 240 Euro pro Nacht“). Eine Wohnung mieten wolle er sich trotzdem nicht, aus praktischen Gründen.

Solche Probleme hat Mlinar nicht. Eine Bleibe hat sie bereits, ein Bündnis ebenso – die Neos sind bei der liberalen Alde-Fraktion dabei. Allerdings wird auch dort verhandelt, über Komitees und Delegationsleiter zum Beispiel. Außerdem werden auch die Sitze in den verschiedensten Ausschüssen vergeben. Mlinar will unter anderem in jenen für „bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres“ (Libe) – ebenso wie Vilimsky.

Fokus Menschenrechte

Sollten sie tatsächlich dafür nominiert werden, werden sie auf eine alte Bekannte treffen: Ulrike Lunacek. Die Delegationsleiterin der Grünen sitzt bereits seit 2009 in diesem Ausschuss. Auch in Zukunft will sie sich auf ihr „angestammtes Arbeitsgebiet“, wie sie es nennt, konzentrieren: Außenpolitik und Menschenrechte.

Für die 57-Jährige ging der Wahlkampf nach dem 25.Mai übrigens weiter: Vergangenen Mittwoch wurde sie von ihrer Fraktion für das Amt einer Vizepräsidentin im EU-Parlament nominiert. 14Stellvertreterposten gibt es insgesamt. Dass Lunacek einen bekommt, gilt als wahrscheinlich. Im Juli wird die Liste endgültig gewählt.

Auch ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas reiste gleich am Montag nach der Wahl nach Brüssel und kann gar nicht mehr aufhören zu erzählen, woran er seither arbeitet: Die Fraktion wird neu geordnet, das Arbeitsprogramm der Kommission muss festgelegt werden, außerdem wird das Wahlbüro in Wien aufgelöst und ein neues in Brüssel installiert.

Freund schreibt ein Buch

Und Eugen Freund? Der reiste vergangenen Sonntag erstmals nach der Wahl nach Brüssel. Gestern, Dienstag, gab es die ersten internen Sitzungen. Zudem ist er auf der Suche nach Mitarbeitern, die ihn im Parlament unterstützen. „Die Vorbereitung ist sicher eine andere als bei Abgeordneten, die schon länger im Europäischen Parlament sitzen“, meint er.

Vor seinem Brüssel-Besuch hat er sich außerdem etwas vom Wahlkampf erholt. Was er daraus mitnimmt, hat er nicht verraten wollen: „Über meine Erlebnisse werde ich auch ein Buch schreiben.“ In der Zwischenzeit konzentriert er sich allerdings auf das Lesen: Als Bettlektüre etwa Stefan Zweigs „Die Welt von Gestern“ – und eine Willkommensbroschüre vom Europäischen Parlament. Die hat immerhin 200 Seiten.

AUF EINEN BLICK

In der ersten Juliwoche findet die konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments in Straßburg statt. Bis dahin verhandeln die (zukünftigen) Abgeordneten über die Zusammenstellung ihrer Fraktionen, aber auch darüber, in welchen Ausschüssen sie in Zukunft sitzen werden. Für Eugen Freund (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ) und Angelika Mlinar (Neos) ist es die erste Legislaturperiode im EU-Parlament.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2014)

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