Todesstoß für die "Wiener Zeitung"?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die ÖVP propagiert Reformen für eine Steuerentlastung. Darunter die Abschaffung der Pflichtveröffentlichung in der "Wiener Zeitung", was diese nicht überleben würde.

Wien. Im Jahr 1703 wurde die „Wiener Zeitung“ – damals „Wiennerisches Diarium“ – gegründet. Sie ist eine der ältesten noch erscheinenden Tageszeitungen der Welt. Damit könnte es bald vorbei sein, wenn es nach Vizekanzler Michael Spindelegger geht: Der ÖVP-Chef will die Veröffentlichungspflicht von Unternehmen im Amtsblatt der Zeitung abschaffen. Die Bekanntmachung von Firmengründungen und Bilanzen könnten auch im Internet stattfinden, so Spindelegger. Damit würden sich die Betriebe 15 Millionen Euro im Jahr sparen.

Die „Wiener Zeitung“ würde eine derartige Maßnahme wohl nicht überleben. Für den ÖVP-Chef kein Problem: Man müsse sich fragen, ob es die Zeitung wegen ihrer Pflichtveröffentlichungen oder wegen ihres Inhalts gebe. Im Büro von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ), zuständig für die im Eigentum der Republik befindliche Zeitung, wollte man den Vorstoß nicht kommentieren. Man warte auf konkrete Vorschläge des Vizekanzlers. Ein Sprecher wies aber darauf hin, dass im Regierungsprogramm von einer „Durchforstung der Pflichtveröffentlichungen“ die Rede sei. Sprich: Von einer Abschaffung steht dort nichts.

Spindeleggers Vorstoß ist Teil der ÖVP-Pläne für eine Ankurbelung der Wirtschaft und eine Senkung der Staatsausgaben, mithilfe derer die Volkspartei einen Steuerreform finanzieren will. Während die SPÖ ja die Einführung von Vermögenssteuern sowie eine rasche Entlastung propagiert, will die ÖVP die Steuern erst senken, wenn genügend Spielraum im Budget vorhanden ist. Dafür sollen Reformen her, die die Volkspartei in vier Bereichen umsetzen will:

Entbürokratisierung. Neben der Abschaffung der Veröffentlichungspflichten will Spindelegger die Unternehmen noch entlasten, indem die Lohnverrechnung vereinfacht wird. Außerdem sollen Verordnungen künftig automatisch nach fünf Jahren außer Kraft treten. Damit müssten bürokratische Vorgaben ständig auf Sinnhaftigkeit überprüft werden.

ÖBB. Es ist wohl nicht zufällig eine SPÖ-Domäne, in der Spindelegger großes Einsparungspotenzial sieht. Mit jährlich 4,7 Milliarden Euro aus dem Budget sei die Bahn der größte Kostentreiber. Die ÖVP will ein „zeitgemäßes neues Dienstrecht“, um das durchschnittliche Pensionsantrittsalter von 53Jahren deutlich anheben zu können. Die automatische Frühpensionierung nach einem Jahr Krankenstand will Spindelegger völlig abschaffen.

Sparmöglichkeiten sieht die ÖVP auch beim Neubau: Der Bau eines Schienenkilometers komme in Österreich nämlich um 30 Prozent teurer als anderswo. Hier müsse man mit einem Controlling gegensteuern. Außerdem sollen die ÖBB 900 Hektar nicht betriebsnotwendige landwirtschaftliche Nutzfläche verkaufen. Dies könne „hunderte Millionen Euro“ bringen.

Bei den ÖBB bezweifelt man Spindeleggers Angaben. Die Berechnung, dass die ÖBB 30 Prozent teurer baue, sei zehn Jahre alt und längst überholt. Heute seien Investitions- und Instandhaltungskosten der Infrastruktur bereits deutlich billiger als in der Schweiz. Und bei den landwirtschaftlichen Flächen handle es sich nahezu ausschließlich um Schrebergärten, die entlang von Bahndämmen situiert sind und für die die ÖBB Pachterlöse erzielen würden. „Ob deren Verkauf ein wirtschaftlich besseres Ergebnis bringt, ist zu bezweifeln“, so eine ÖBB-Sprecherin.

Frühpensionierungen. Eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters um ein Jahr bringt für das Budget eine Einsparung um eine Milliarde Euro. Die Anstrengungen in diese Richtung müssten intensiviert werden. So sei das Pensionsmonitoring, das derzeit von der Wirtschaftskammer blockiert wird, ein „absolutes Muss“. Aber auch in diesem Bereich hat Spindelegger die SPÖ im Visier: Die Stadt Wien müsse rasch die Pensionsreform für Beamte umsetzen.

Förderungen. Während viele der genannten Reformen erst langfristig Einsparungen bringen, will der ÖVP-Chef im Bereich der Förderungen rasche Effekte erzielen. Zur Disposition stehen Subventionen des Bunds in der Höhe von 4,5 Milliarden Euro. Wobei Spindelegger auch da Ausnahmen machen will – zufälligerweise bei typischer ÖVP-Klientel: Nicht zur Disposition stünden Förderungen für Familien, die von der EU ko-finanzierten Agrarförderungen sowie Zuschüsse für den Wirtschaftsstandort. Letztere könnten allerdings in rückzahlbare zinsenlose Darlehen umgewandelt werden. In allen anderen Bereichen will Spindelegger Doppelförderungen aufspüren und generell kürzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2014)

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