Finanzkonflikte: Koalition mitten im Sommertief

Mitterlehner, Faymann, Bures, Spindelegger
Mitterlehner, Faymann, Bures, Spindelegger (c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Rot und Schwarz reizen einander. ÖVP-Wirtschaftsminister Mitterlehner fürchtet das Ende der Koalition. Kanzler Faymann sieht statt Krise nur „normale“ Regierungsarbeit.

Wien. Die rot-schwarze Regierung rettet sich in die Sommerferien. Die Stimmung ist aber ein halbes Jahr nach Neuauflage des Kabinetts Faymann höchst gereizt, es gibt gegenseitige Sticheleien und Provokationen. Die SPÖ bringt Finanzminister Michael Spindelegger wegen der Millionen für den Breitbandausbau unter Druck. Sie antwortet damit darauf, dass der ÖVP-Chef SPÖ-Minister, voran Sozialminister Rudolf Hundstorfer, wegen des Budgetvollzugs öffentlich an den Pranger gestellt hat. Bundeskanzler Werner Faymann versuchte die Konflikte um das Einhalten des Sparkurses am Dienstag herunterzuspielen: „Zwischen Schweigen und Krise liegt ein Unterschied, nämlich die tägliche Arbeit.“ Denn, so Faymann: „Regieren nennt man das.“

Vorwahlkampfstimmung: Die Aussagen der Regierungsmitglieder zeichnen allerdings ein ganz anderes Bild, als es der Regierungschef tut. Spindelegger verbreite „Horrorstimmung“, empörte sich Hundstorfer, weil der Finanzminister ihm bei den Pensionen ein Abweichen vom Budgetkurs vorgeworfen hatte. Bei der SPÖ herrscht generell Unverständnis, weil Spindelegger mit unnötigem „Budgetalarmismus“ nur Irritationen stifte und damit lediglich der Opposition in die Hände spiele. Spindelegger hat vor einer guten Woche mit öffentlichen Mahnungen alle Regierungsmitglieder zu einer Überprüfung des Budgetvollzugs 2014 ins Finanzministerium gebeten. Danach hat er am vergangenen Freitag nachgelegt und erklärt, es würden hunderte Millionen Euro zur Einhaltung des Finanzkurses fehlen.

Wirtschaftsminister ÖVP-Vizechef Reinhold Mitterlehner hält zwar das Klima in der Regierung selbst grundsätzlich für „relativ gut“. Allerdings bekräftigte er in Anspielung auf die ständigen Rufe aus der SPÖ nach einer baldigen Steuerreform, diese Partei sei im „Vorwahlmodus“. Er warnte deswegen am Dienstag am Rand des Ministerrats indirekt schon vor einem vorzeitigen Ende der SPÖ-ÖVP-Regierung. „Wahrscheinlich wird man stolpern“, meinte Mitterlehner, wenn dies in der Koalition so weitergehe.

Sticheleien. Spindelegger hat die Nerven der SPÖ-Politiker strapaziert, weil er die größten „Sünder“ beim Budgetvollzug in erster Linie aufseiten des roten Regierungspartners ausgemacht hat. Eine Retourkutsche fuhr die Kanzlerpartei am Dienstag zum Auftakt des dreitägigen Kehraus vor der Sommerpause im Parlament. Entgegen üblichen Gepflogenheiten in einer Koalition drängten SPÖ-Parlamentarier („Her mit der Milliarde für den Breitbandausbau“) den Finanzminister unverblümt, die Mittel für eine Internetoffensive freizugeben. Dafür möchte Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) bis 2020, beginnend ab dem kommenden Jahr, in Summe eine Milliarde Euro bereitstellen. Auf ÖVP-Seite wächst bei schwarzen Landes- und Gemeindepolitikern ebenfalls die Ungeduld, weil sie befürchten, dass der ländliche Raum abseits der Ballungszentren ins Hintertreffen gerät.

Entschärfungsversuch. Bundeskanzler Faymann war bemüht, die Situation nach dem Ministerrat zu entschärfen. Es sei eine „sinnlose Übertreibung“ der Medien, sein routinemäßiges Treffen mit Spindelegger vor der Regierungssitzung zu einem „Krisengespräch“ hochzustilisieren: „Was soll denn da so eine Riesenaffäre sein?“ Indirekt gab es eine Kopfwäsche für den beim Pressefoyer danebenstehenden Vizekanzler, der mit seiner Mahnung zur Budgetdisziplin die Stimmung in der Regierung angeheizt hat. „Wenn man zu 99 Prozent in der Spur ist und ein Prozent Schwankungsbreite zu behandeln hat, ist das die Normalität einer Regierung.“ Spindelegger wischte Fragen nach dem Klima in der Koalition hörbar mürrisch weg: Er sei keiner, der ein „Stimmungsbarometer“ eingepackt habe.

• Punktlandung auf dem Budgetweg. Fragen nach dem genauen Fehlbetrag im Budget 2014 ließ Spindelegger offen. Man habe den „Weg“ vereinbart, um heuer eine „Punktlandung“ zu schaffen, so der Finanzminister, der sich damit zufrieden zeigt. Unklar blieb, wie dieser Weg aussieht, fix sind aber weitere interne Gespräche mit einzelnen Ministern. Damit soll erreicht werden, dass zumindest nach außen hin die Regierung ein geschlosseneres Bild abgibt.

Reibepunkte bleiben. Trotz der unverhohlenen Zurechtweisung Faymanns für den Finanzminister wegen des Budgetalarms sind schon im Sommer weitere Auseinandersetzungen garantiert. Das gilt für das Budget ebenfalls, weil Hundstorfer den Vorwurf, aus dem Budgetkurs auszuscheren, nicht auf sich sitzen lässt. Umgekehrt rückt die ÖVP-Spitze bei den Pensionen nicht vom Ruf nach weiteren Reformen ab.

Alles blickt auf die Steuerreform. Differenzen in der Koalition sind außerdem programmiert, weil sich der Konflikt um Termin und Inhalt der Steuerreform in den kommenden Monaten zuspitzen wird. Die SPÖ erachtet eine Steuerentlastung der Arbeitnehmer samt Gegenfinanzierung über Millionärssteuern beziehungsweise Vermögensteuern als Mittel zur Profilierung gegenüber dem Koalitionspartner ÖVP. Mit dem Näherrücken der Landtagswahlserie in Wien, Oberösterreich, der Steiermark und im Burgenland 2015 wird der Druck ebenso wie durch die bis Ende September 2014 erwarteten Pläne zur Steuerreform und der Vorarlberger Landtagswahl am 21. September noch steigen. Spindelegger und die ÖVP werden im Gegenzug weiter auf Reformen und Einsparungen pochen. Die Frage ist, ob die Bürger der Volkspartei dies abnehmen, die immerhin seit mehr als einem Jahrzehnt den Finanzminister stellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2014)

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