Asyl: Notsituation nach Aufnahmestopp

SITZUNG IM INNENMINISTERIUM ZU AUFNAHMESTOPP IN TRAISKIRCHEN: MIKL-LEITNER
SITZUNG IM INNENMINISTERIUM ZU AUFNAHMESTOPP IN TRAISKIRCHEN: MIKL-LEITNER(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die von Niederösterreichs Landeshauptmann Pröll verhängte Aufnahmesperre bringt die Innenministerin in eine Zwickmühle. Jetzt müssen Notquartiere dringend gefunden werden.

Wien. Dienstag, zwölf Uhr, in der Wiener Herrengasse: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) trommelt ihre Asylexperten zu einer Krisensitzung zusammen. 24 Stunden bleiben ihnen, um Notunterkünfte für Flüchtlinge zu organisieren. Denn ab heute, Mittwoch, werden keine zusätzlichen Asylsuchenden mehr im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen aufgenommen. Den Stopp veranlasste Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) am Dienstag. Das stellt Ministerium, Bund und Länder vor gewaltige Herausforderungen.

1 Wie geht es nach dem Aufnahmestopp in Traiskirchen weiter?

Heute, Mittwoch, will das Innenministerium einen Notfallplan präsentieren. Ministerin Mikl-Leitner will bis dahin „alle Optionen prüfen, um Notquartiere so schnell wie möglich auf die Beine zu stellen“. Sie will dafür auch mit der Kirche, Diakonie und Caritas sprechen. Letztere winkte allerdings bereits am Montag ab. Bis das Asylverfahren beginnt, ist aber jedenfalls der Bund für Flüchtlinge zuständig. Daher liegt es an der Regierung, genügend Plätze zur Verfügung zu stellen.

2 Warum ergreift Niederösterreich so drastische Maßnahmen?

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll begründete im ORF den „Akt der Notwehr“ mit „menschlichen und sicherheitstechnischen“ Gründen. Zum einen sei die Unterbringung der Flüchtlinge in Traiskirchen unter den gegebenen Umständen „menschenunwürdig“. Zum anderen sei auch die Sicherheit der Personen – etwa wenn ein Feuer ausbreche – nicht mehr gegeben.

3 Wie konnte es in Traiskirchen überhaupt so weit kommen?

Das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen ist für 480 Menschen konzipiert. Derzeit sind aber knapp 1400 Asylwerber dort untergebracht. Rund 700 könnten laut Innenministerium längst in anderen Bundesländern untergebracht werden. Denn ihr Asylverfahren laufe bereits. Das Problem: Viele – eigentlich die meisten – Bundesländer erfüllen ihre Betreuungsquote nicht. Mikl-Leitner stellte den säumigen Ländern ein Ultimatum: Sollte sich das bis Anfang August nicht ändern, würde der Bund auf eigene Faust Zentren einrichten. Das wird aller Wahrscheinlichkeit auch nötig sein. Durch den Aufnahmestopp ist Mikl-Leitner nun also gleich doppelt gefordert.

4 Wie reagiert die Innenministerin auf die Situation in Traiskirchen?

„Ich habe Verständnis für den Landeshauptmann Erwin Pröll“, meint Mikl-Leitner zur „Presse“. Kein Wunder, schließlich handelt es sich dabei um einen engen Parteifreund. Weniger freundlich sind dafür die Töne zwischen Innen- und Verteidigungsressort (siehe eigenen Bericht unten). Denn Mikl-Leitner will bis auf Weiteres leer stehende Kasernen als Notunterkünfte benutzen. Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) lehnt dies aus Kostengründen aber weiter ab.

5 Was machen die anderen Bundesländer?

Fünf Bundesländer (Salzburg, Steiermark, Vorarlberg, Oberösterreich und Tirol) erfüllen nicht einmal die 88-Prozent-Grenze, die Mikl-Leitner den Ländern 2012 als Übergangsmarke bei der Betreuungsquote gewährt hatte. Sie kündigten zwar die Schaffung von weiteren Betreuungsplätzen an – allerdings werde man es nicht bis August schaffen, die Quote zu erfüllen. In Oberösterreich rechnet man damit etwa im September. Bis dahin hofft die zuständige Landesrätin Gertraud Jahn (SPÖ) noch auf Verständnis: Sie fordert Pröll auf, seine Maßnahme zurückzunehmen und kurzfristig doch noch Flüchtlinge aufzunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)

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