ÖVP: Sommerausflug mit Störungen

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Michael Spindelegger wollte eigentlich nur an einem Festakt im Burgenland teilnehmen. Doch dann kam ihm Kritik aus den eigenen Reihen dazwischen.

Sankt Margarethen/Wien. Die Mittagssonne schien über dem Grenzübergang Sankt Margarethen/Sopronköhida, der Wein und die Schmalzbrote (manche nennen das ein burgenländisches Frühstück) waren angerichtet, als ÖVP-Obmann Michael Spindelegger am Donnerstag einem Reisebus entstieg und historischen Boden betrat.

Vor 25 Jahren, am 19. August 1989, fand hier das „Paneuropäische Picknick“ statt, eine Friedensdemonstration der beiden Nachbarstaaten, die durch den Eisernen Vorhang getrennt waren. Das Grenztor wurde für drei Stunden geöffnet, und hunderte DDR-Bürger nahmen die Einladung zur Flucht in den Westen dankend an.

Spindelegger war mit Nationalratspräsident Karlheinz Kopf, EU-Mandatar Othmar Karas und dem halben ÖVP-Regierungsteam zur Gedenkfeier angereist. Man wollte die Gelegenheit nützen und das Image der Europapartei pflegen, dabei die Regierungskrise kurz vergessen machen und sich auch einmal dem hingeben, was Maria Fekter einen Wohlfühltermin genannt hätte.

„Das Ereignis vor 25 Jahren soll uns Motivation sein“, sagte Spindelegger in seiner Rede. Denn es zeige, „dass alles gelingen kann“. Das klang irgendwie ironisch, womöglich war es auch so gemeint. Immerhin hatte die ÖVP erst wenige Stunden vor dem Sommerausflug ins Nordburgenland gezeigt, wie man die Dinge zum Misslingen bringt. Sogar einen Termin wie diesen.

Frühmorgens hatte Josef Pühringer dem Parteichef die Leviten gelesen: Die Regierung und damit auch die ÖVP habe zu arbeiten, nicht zu streiten, sagte der oberösterreichische Landeshauptmann im ORF-Radio. Konkret will Pühringer, der im Herbst 2015 eine Landtagswahl zu schlagen hat, eine baldige Lohnsteuerentlastung, also möglichst schon im nächsten Jahr. Zwecks Gegenfinanzierung schloss er eine Millionärssteuer nicht mehr aus: Er sei „nicht der Verteidiger der Millionäre“. Die SPÖ solle nun endlich ihre Pläne auf den Tisch legen.

Schon in der Vorwoche hatte der Landeshauptmann einen „Turnaround“ von Spindelegger gefordert, weil die ÖVP in den Umfragen bei fast schon apokalyptischen 20 Prozent liegt. Dem Begehr seines Amtskollegen schloss sich gestern auch der Tiroler Günther Platter an (siehe Bericht unten).

Spindelegger bleibt gelassen

Im Reisebus, der das ÖVP-Team von Wien nach Sankt Margarethen gebracht hatte, sollen diese netten Botschaften aus den Ländern natürlich Thema gewesen sein, auch wenn dergleichen eine gewisse Tradition in der Volkspartei hat – fast möchte man sagen: zur Normalität geworden ist. Vielleicht erklärt das die (nach außen hin) einigermaßen entspannte Reaktion des Vizekanzlers: Jeder in der Partei, sagte Spindelegger so ruhig, als hätte er seine Stimmlage dem milden pannonischen Klima angepasst, möge doch „vor der eigenen Türe kehren und sehen, welchen Beitrag er leisten kann, damit es wieder nach vorn geht“.

Beim Thema Steuerreform wiederholte sich der Finanzminister: Keine neuen Belastungen, also auch keine Millionärssteuer. Eine Lohnsteuerentlastung bleibe das Ziel, aber um sie finanzieren zu können, brauche es „Einsparungen in den Ländern, im Bundesbudget und bei den großen Kostentreibern“ wie den Bundesbahnen.

Spindeleggers Begleiter blieben lieber wortkarg. Klubobmann Reinhold Lopatka verwies bloß auf seine Aussagen in einem „Presse“-Interview vor einigen Tagen. Schon damals hatte er Pühringer und seinesgleichen zum verbalen Abrüsten aufgefordert. Finanzstaatssekretär Jochen Danninger wiederum antwortete dem oberösterreichischen Landeshauptmann auf der sachpolitischen Ebene, im Sinne seines Chefs: Eine Vermögensteuer sei ein „No-go“ für die ÖVP, nicht einmal für einen Kompromiss namens Erbschaftssteuer sei man zu haben.

Verkauft man sich nur schlecht?

Im erweiterten Parteikreis wurde einstweilen eifrig getuschelt. Die Einschätzungen gingen dabei weit auseinander. Franz Steindl, Vizelandeshauptmann und ÖVP-Chef im Burgenland, meinte etwa, die Regierung mache einen guten Job. Nur verkaufe sie ihre Erfolge schlecht. Andere wiederum glauben, dass die Koalition nur noch mit einem Personalwechsel zu retten sei – an der Spitze beider Parteien. Wobei das der Minderheitsmeinung entspricht.

Über allem lag eine seltsam anmutende Stimmung, eine Mischung aus Galgenhumor, Resignation und Zweckoptimismus. Als würde man sich längst nicht mehr ärgern, weder über den Koalitionspartner noch über die Besserwisserfraktion in den eigenen Reihen. Dazu passte, dass der ÖVP-Tross nach dem Festakt in ein Weingut weiterzog, womöglich nach dem Motto: Wenn schon in der Regierung nichts weitergeht – ein Glas Wein geht immer.

AUF EINEN BLICK

Michael Spindelegger hat am Donnerstag Kritik an der Arbeit der Bundes-ÖVP zurückgewiesen: „Jeder soll vor seiner Tür kehren und selbst sehen, welchen Beitrag er leisten kann, damit es wieder nach vorn geht.“ Zuvor hatten die Landeshauptleute Josef Pühringer und Günther Platter eine „Kurskorrektur“ eingefordert, damit sich die Umfragedaten – die ÖVP liegt bei rund 20Prozent – bessern. Pühringer schloss auch eine Millionärssteuer nicht aus. Spindelegger lehnt diese jedoch nach wie vor ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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