Ein Urwald für sporadische Piraten

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Nördliche Sporaden. Alonnisos, Skopelos, Skiathos und die anderen 123 Inseln des griechischen Archipels sind gut zum Verstecken: Die einen tauchen ab, die anderen entern mit dem Kanu geheime Buchten.

Einmal größer, einmal kleiner und oft nur ganz winzig liegen die nördlichen Sporaden in der Ägäis. Die meisten Inseln sind unbewohnt und dicht bewaldet. Die Höhlen entlang ihrer rausteinigen Küsten, die versteckten Naturhäfen und Strände bieten viele Rückzugsmöglichkeiten. Ja, man kann sich heute noch sehr gut vorstellen, dass dieser Archipel mit seinen über 130 Inseln bis ins 19. Jahrhundert ein Beute- und Versteckparadies für Piraten war.
Mittlerweile haben sie nur mehr museale Bedeutung. Auf der Sporadeninsel Alonnisos hat der geschichtsbegeisterte Autor Costas Mavrikis den Piraten eine ganze Abteilung in seinem vierstöckigen Privatmuseum gewidmet, das den kleinen Hafenhauptort Patitiri überblickt und mit Ausstellungsstücken voll gestopft ist: vom Enterhaken bis zur Kanone. Manches aus diesem Sammelsurium wurde von anderen Inselbewohnern gespendet, manches hat Mavrikis gegen andere Gegenstände eingetauscht. „Ein Großteil sind jedoch eigene Fundstücke, denn bereits als Kind hab ich zu tauchen begonnen“, sagt der stämmige 45-Jährige, der später als Tauchfischer eben nicht nur Fische, sondern auch kleine Schätze aus dem glasklaren Wasser geholt hat. Er entdeckte sogar Schiffwracks auf dem Grund, von denen nun einige für touristische Tauchgänge freigegeben werden sollen.
Statt der Piraten treibt sich in diesen Gewässern um die Insel, die kürzlich für ihren alternativen Naturtourismus ausgezeichnet wurde, nun verhältnismäßig häufig die sonst so seltene Mittelmeermönchsrobbe herum. „Von den rund 400 Exemplaren, die es nach Schätzungen noch gibt, wurden hier allein um die 50 gezählt“, erzählt Spiros Iossifidis vom National Marine Park. Für die Mönchsrobbe wurde 1992 daher das größte Meeresschutzgebiet Europas eingerichtet, das Ausflugsboote von Alonnisos aus ansteuern. Doch selbst wenn sich die Mönchsrobbe nicht zeigen sollte: „Hier gibt es um die 300 Fischarten, Delphine, Meeresschildkröten und viele Vogelarten, von denen man einige zu sehen bekommen kann“, fügt Iossifidis hinzu und deutet, kurz bevor er wegen des windigen Wetters umkehren will, auf die Insel Kyra Panagia in der stärker geschützten Parkzone B. „Dort lebt nur ein einziger Mensch: ein Mönch in einem Kloster.“
Alonnisos hat zwar deutlich mehr Einwohner, ist aber dennoch die ruhigste, ursprünglichste Insel der größeren nördlichen Sporaden – trotzdem bietet sie im Verhältnis dazu recht viele Restaurants wie die Ouzerien in Patitiri. Sie funktionieren nach folgendem Prinzip: Bestellt wird nur der Ouzo oder Tsiporo, und mit jeder neuen Flasche – je nach Größe – kommen neue Mezes auf den Tisch, sodass bald kaum noch Platz ist: Auberginenröllchen, Oktopus-Stifado, Garnelen mit Schafskäse in Tomatensauce oder die Inselspezialität, den Alonnisos-Thunfisch. Dimitri, der kräftige Koch aus dem Archipelagos, hat um die 50 unterschiedliche Mezes in Rotation. Evangelos, der seine Ouzerie Kamaki mit Livemusik zum Pulsieren bringt, spricht stolz davon, dass er im Sommer über 100 dieser Vorspeisen in der Auslage hat.

Filmschauplatz


Wie gut, dass es auf Skopelos, der nur eine kurze Fährfahrt entfernten Nachbarinsel, zum Abtrainieren aufs Wasser geht. Neil McAra kam dort als Erster auf die Idee, Wanderkajaktouren anzubieten. „Das hat sich förmlich aufgedrängt“, sagt der Ex-Feuerwehrmann aus Birmingham, der mit seiner Frau Yvonne vor sieben Jahren auf der Insel ausstieg. Schließlich kann man Skopelos so auf eine Weise entdecken, wie es vom Land aus nicht möglich ist. Und nach ein paar erfolgreichen Probepaddelzügen geht es los: Zunächst entlang der Nordküste, im entspannten Tempo vorbei an Buchten und Stränden, die von den hohen Kalksteinfelsen schroff abgeschirmt werden, und mit illuminierter Stirnlampe in ein paar der finsteren Höhlen, die ebenfalls nur vom Wasser aus zu erreichen sind. Der Lunch mit Badepause findet dann bereits eine Insel weiter statt, bevor man eine längere Passage im meditativen Rhythmus zurück nach Skopelos-Stadt paddelt.
Einen kleinen Bekanntheitsschub erfuhr Skopelos, als vor ein paar Jahren einige Szenen für „Mamma Mia!“ dort gedreht wurden. Die Kirche Agios Ioannis, die sich nach ein paar Serpentinen beim hübschen Dorf Glossa an die Spitze eines hohen Felsen klammert, steht heute nicht auf dem Plan. Der „Mamma Mia!“-Kastani-Strand mit seiner großen Beach-Bar ist jedoch auf der letzten Tagesetappe kurz zu sehen, bevor Neil in der vom Wald abgeschotteten Nachbarbucht das Nachtlager aufschlägt. Dort gibt es Pasta aus der Campingküche, Wein aus der Plastikflasche, und die Zivilisation ist bei dieser kleinen Inselkreuzfahrt weit weg.

Wandern mit Heckenschere


Ein Einsame-Insel-Gefühl hat man auf der nahen Insel Skiathos nicht, die meisten Besucher kommen vor allem wegen der ausgezeichneten Strände und dem Partynachtleben her. Weit weniger bekannt ist allerdings, dass die Insel, eine der grünsten Griechenlands, auch eine ideale Wanderdestination hergibt. Dass Pfade erschlossen wurden, liegt vor allem an einem Mann: Ortwin Widmann, einem mittlerweile 66-jährigen Aussteiger, der sich mit seiner Frau, Ursula, in den 1990ern in Skiathos verliebte. Noch während des ersten Urlaubs kauften die beiden Deutschen ein Grundstück und bauten ihre „Villa Widmann“. Seitdem leben sie auf der Insel, auf der der passionierte Wanderer vor einigen Jahren begonnen hat, ein rund 200 km umfassendes Netz mit zwei Dutzend Routen zu installieren, auszuschildern und in einem Wanderführer zu beschreiben. Allein 50 km zugewucherter Eselpfade schnitt er zum Teil auf allen vieren frei, nahm blutige Arme, zerrissene Hemden und eine stichhaltige Auseinandersetzung mit Bienen in Kauf.
Eine seiner Lieblingswanderungen führt in den sogenannten Zauberwald. Widmann geht mit einem ziemlich zügigen Schritt voran, mit Indiana-Jones-Hut auf dem Kopf und den Fingern immer an der Heckenschere. Mit Wurzelstolperfallen macht er im Vorbeigehen ebenso kurzen Prozess wie mit Zweigen, die sich den Wanderweg zurückerwuchern wollen. Zwischendurch hält er kurz an und erklärt die Kräuter und Blumen, die im Frühjahr blaue, gelbe, rote Farbtupfer in die grüne Landschaft setzen. Er stellt selbst Salben her, aus dem Johanniskraut etwa extrahiert er Öl. „Ein Wundermittel, das die Blutungen offener Wunden stoppt und für eine schnellere Heilung sorgt.“ Blau angesprühte Steine auf dem Boden markieren zudem die besonders schönen Ausblicke über die Olivenhaine und die buschig grünen Pinienwälder hinweg auf die Küste der Ägäis.
Nach einer kurzen Rast beim Kloster Kechria, das aus dem 16. Jahrhundert stammt und wo heute ein alter Torpedokopf als Glocke dient, wird der Wald viel dichter. „Hier ist die Zeit stehen geblieben, ein Urwald! Da fehlen nur noch die Dinos“, meint Widmann begeistert. Ein kleiner Bach plätschert dahin, Sonnenstrahlen fallen zwischen den Ästen auf den Boden, die bemoosten Steine und die märchenhaft illuminierten Schachtelhalme. Hauptattraktion sind jedoch die Platanen, die seit über 1000 Jahren wachsen und von Widmann Namen aus der Mythologie bekommen haben: Der „Hades“ hat eine kleine Höhle im Stamm, die Auswüchse des „Herkules“ erinnern an kraftstrotzende Bizepse. Dieses Stückchen Wald mit seiner untypischen Vegetation führt für kurze Zeit in eine Welt, in der nichts daran erinnert, dass man auf einer griechischen Insel ist – und die früher sicherlich ein gutes Piratenversteck abgegeben hätte.

Einkehr auf den nördlichen Sporaden

Alonnisos. Im Archipelagos und im Kamaki gibt es viele Mezés, oft mit Fisch. Im O Panoulis kocht Eleni mit Leidenschaft. Im Helios wird mediterrane und asiatische Küche kredenzt. Alonissos Beach: Viersternehotel mit Tennisplatz, Pool, Sandstrand und Suites mit Privatpool. Beliebt bei Italienern, www.alonissosbeach.com. Alkyon Hotel: Vor einigen Jahren modernisiert, www.thealkyonhotel.gr, www.alonissostravel.com. Skiathos. La Piscine: geschmackvolles Hotel, www.lapiscinepalace.gr. Bourtzi Boutique Hotel: Neu, modern, nah am Nachtleben, www.hotelbourtzi.gr. Platanos: Spektakuläre Aussicht. Profitis Ilias: Typisch im Inselinneren, www.platanos-restaurant.net. Amfiliki: Viel frischer Fisch und toller Ausblick; Goldie Hawn und Kurt Russell sollen hier gewesen sein, www.amfiliki.gr. Bakaliko: Tante-Emma-Laden-Optik, Traditionsrezepte mit frischem Dreh.

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