Im "Wauld", wo ein Ja ein Ja und ein Nein ein Nein ist ...

THEMENBILD / WAHLEN IN VORARLBERG / L�NDERPORTR�T: BREGENZERWALD
THEMENBILD / WAHLEN IN VORARLBERG / L�NDERPORTR�T: BREGENZERWALD(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
  • Drucken

Doch, doch, ein paar Besonderheiten aus dem Bregenzerwald würden auch dem übrigen Österreich ganz gut tun.

Was hatte das auch heute noch tonangebende Vorarlberger Lokalblatt damals, in den 1960er- und 1970er-Jahren, doch unaufhörlich agitiert, aufgewiegelt, getrommelt: Gegen diese Schmarotzer in Wien, die auf Kosten von uns fleißigen und sparsamen Vorarlbergern leben, aber uns dennoch ständig vorschreiben wollen, was wir zu tun haben! Dabei, so die Botschaft, sind wir Vorarlberger doch viel, viel, viel besser als die übrigen Österreicher.

Dass der damalige Chefredakteur dieses Blattes gebürtiger Oberösterreicher war, wurde nicht weiter beachtet: Wer hätte es im Land auch gewagt, sich mit diesem eifernden Konvertiten zum Alemannentum anzulegen.

Aber genervt hat die Anti-Wien-Agitation, die uns die Zeitung täglich mit dem morgendlichen „Riebel“ (vorarlbergerisch für Sterz) einlöffeln wollte, schon einigermaßen. Die mediale Hetze hat freilich auch bei manchen einen Nachdenkprozess darüber ausgelöst, ob wir Vorarlberger denn tatsächlich so viel besser als die anderen sind. So wie viele andere Landsleute habe auch ich mich auf den Weg nach Wien gemacht, um mir selbst ein Bild von den „Schmarotzern“ zu machen.

1979 initiierte der erwähnte Chefredakteur gemeinsam mit dem Landesamtsdirektor – einem Mann mit bedenklich brauner Vergangenheit, aber das erregte damals noch kaum jemanden – sogar eine Art separatistischer Bewegung: „Pro Vorarlberg“ hieß sie, gemeint war eigentlich eher „Kontra Österreich“. Von Wien aus betrachtet wirkte diese Abspaltungsbewegung ziemlich komisch, sie war dann auch von ziemlich kurzer Lebensdauer.

Jetzt also will mein heutiger Chefredakteur, dass ich einen Text zu der These beisteuere, dass Vorarlberg das bessere Österreich sei. Sorry, Herr Chefredakteur, geht leider nicht, da habe ich einfach zu viele Antikörper gegen das „Wir-Vorarlberger-sind-die-besten“-Virus in mir.

Wälder-Spezialitäten. Ende Juli war ich wieder einmal auf Heimatbesuch. Im Bahnhof Dornbirn aus dem Railjet, im „Wälderbus“ in den Bregenzerwald. So grün waren Wald und Wiesen schon lange nicht mehr, kein Wunder bei dem verregneten Sommer. Unbestreitbar, ein herrlicher Landstrich. Und wo sonst gibt es in Österreich eine Talschaft, die allein für das Wort spielen drei Varianten kennt? „Bäslo“ heißt's im hinteren, „hüslo“ im mittleren, „spila“ im vorderen Wald.

Einmal berichteten die lokalen Radionachrichten von der Reaktion eines Landespolitikers auf den Vorstoß des Bundesgesundheitsministers, auch an öffentlichen Spitälern in Tirol und Vorarlberg so wie in den anderen Bundesländern Schwangerschaftsabbrüche durchführen zu können. Dieser Politiker lehnte die Initiative des Ministers doch tatsächlich mit dem Argument ab, diese sei „ideologisch“ motiviert. Als ob das Nein der Regierenden in Vorarlberg und Tirol zu Abtreibungen in öffentlichen Spitälern nichts mit Ideologie zu tun hätte – kohlrabenschwarzer Ideologie halt. Da war sie wieder, diese Scheinheiligkeit.

Oh doch, es gibt Dinge, die ich an Vorarlberg schätze oder in den vergangenen fast vier Jahrzehnten, die ich in Wien lebe, zu schätzen gelernt habe. Eigentlich sind's nur im weiteren Sinn Vorarlberger Dinge, konkret verbinde ich sie eher mit dem Bregenzerwald: Käse, Sig (eine Art Karamell aus dem Rückstand beim Käsen), Kalbsbratwürste und Landjäger sowieso (schmecken besonders gut mit scharfem Lustenauer Senf), vor allem aber die Wälder Handwerker. Gäbe es diese kreativen, präzisen, zuverlässigen, effizient arbeitenden Gesellen überall in Österreich – das ganze Land würde bestimmt viel besser funktionieren.

Vor allem aber eines hat man als „Wäldar“ gelernt (ich bin nicht sicher, ob das fürs übrige Vorarlberg auch gilt): dass man mit seiner Meinung nicht hinterm Berg halten, dass man offen sagen soll, was man denkt und nicht um den Brei herumredet; dass ein Ja ein Ja ist und ein Nein ein Nein. Das macht uns „Wäldar“ zuweilen zu ziemlich unangenehmen, ja verletzenden Zeitgenossen. Immerhin sind wir dadurch berechenbar.

Ja, mehr Offenheit, Direktheit und Aufrichtigkeit täte dem übrigen Österreich vermutlich auch ganz gut. Das ganze Land lügt sich eh schon lange genug in den eigenen Sack ...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

THEMENBILD / WAHLEN IN VORARLBERG / L�NDERPORTR�T: BODENSEE
Innenpolitik

Die Neuen Alemannen: Vom Aufwachsen am Bodensee

Theoretisch funktioniert die Integration in Vorarlberg vorbildlich, praktisch auch – manchmal zumindest. Der Wille ist jedenfalls da.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.