Erhard Busek: "Ich war nicht immer ein Charmebolzen"

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PK'DEMOKRATIEVOLKSBEGEHREN MEINOE':BUSEKAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Erhard Busek blickt zurück auf sein politisches Leben. Der Ex-Vizekanzler erinnert sich an sein Scheitern als ÖVP-Obmann, an den "Hutschenschleuderer" Helmut Zilk, an Kreisky, Vranitzky und Viktor Klima.

Kennen Sie Waldorf und Statler aus der „Muppet Show“?

Erhard Busek: Einmal gesehen, ich bin aber kein großer Kenner.

Das sind die zwei älteren Herren, die das Geschehen von der Loge aus kommentieren. Woher kommt Ihre Lust, sich auch nach dem Ende Ihrer Politikerlaufbahn vor 19Jahren immer wieder zu Wort zu melden?

Ich bin ein politischer Mensch und lebe sehr stark mit. Wenn mich etwas aufregt, muss ich etwas sagen.

Fällt man anfangs in ein Loch, wenn man aus der Politik ausscheidet?

In ein Loch nicht, aber man hat von einem Tag auf den anderen keine Termine mehr.

Sie schreiben am Ende Ihres neuen Buchs, „Lebensbilder“, dass Sie darunter leiden, nie ein klärendes Gespräch mit Wolfgang Schüssel geführt zu haben. Wie kam es aus Ihrer Sicht zum Bruch dieser Freundschaft?

Das müssten Sie Schüssel fragen, an mir ist es sicher nicht gelegen. Vielleicht war es eine strategische Überlegung. Die Entsorgung des Vorgängers ist ein altes politisches Prinzip.

Es hat Sie getroffen, weil Sie Schüssel über viele Jahre verbunden waren.

Er war mein bester Freund.

Warum haben Sie ihm den Wunsch nach Versöhnung in einem Buch ausgerichtet und ihn nicht einfach angerufen?

Schüssel war in drei oder vier Funktionen mein Nachfolger, ich war ein sehr unterstützender Freund, ich habe für ihn mehr getan als umgekehrt: Ich hätte eigentlich gerechnet, dass das seine Geschichte gewesen wäre.

Michael Spindelegger bezeichnen Sie unverblümt als Nichtfreund.

Das stimmt. Schüssel machte mich darauf aufmerksam, dass Spindelegger als Kabinettschef von Verteidigungsminister Lichal eine Gruppe leitete, die auf meine Ablöse hinarbeitete.

Feindschaften werden in der ÖVP offenbar intensiv wie Freundschaften gepflegt.

Angesichts der sinkenden Bedeutung der ÖVP wird das Problem geringer. Es gab immer Konkurrenzverhältnisse, es spielte immer eine Rolle, ob man dem CV angehörte. Als ich 1963 bei Klubobmann Felix Hurdes anfing, begrüßte mich dessen Klubsekretär mit den Worten: „Ein CVer wäre mir lieber gewesen.“ Das merkt man sich lebensbegleitend.

Woran sind Sie 1995 als ÖVP-Chef letztlich gescheitert?

Wir haben uns auf den EU-Beitritt konzentriert und sind nicht dazugekommen, unser eigenes Profil zu entwickeln. Ich wurde seinerzeit nur mit 57Prozent gewählt. Meine Gegner haben nur gewartet, mich bei der nächsten Gelegenheit aus dem Weg zu räumen. Außerdem: Ich war nicht immer ein Charmebolzen und stets sehr outspoken. Aber dazu bekenne ich mich, damit habe ich leichter gelebt.

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer hat angemerkt, Sie seien zu gescheit für die Politik. Das kann man auch als Kompliment auffassen.

Ich habe versucht, ihm das zu erklären. Man sagt doch immer, dass die Politiker zu blöd seien.

Pühringer meinte offenbar auch, dass Sie eine gewisse Arroganz ausstrahlen.

Das ist richtig. Das akzeptiere ich.

Was hatten Sie für ein Verhältnis zur „Kronen Zeitung“?

Gar kein schlechtes anfangs. Als aber dann Helmut Zilk 1979 Kulturstadtrat wurde, sagte mir („Krone“-Herausgeber; Anm.) Hans Dichand: „Über Sie schreiben wir nichts Positives mehr, Zilk ist mein Freund.“ Ich bin mit der „Krone“-Linie kollidiert – Ausländerfrage, EU. Ich wäre nie bereit gewesen, einen Brief zu schreiben, wie Gusenbauer und Faymann das gemacht haben.

Ihr Vater war Protestant, Sie sind der erste männliche Katholik in der Familienfolge. Wie hat Sie der Protestantismus beeinflusst?

Bessere Bibelkenntnisse, eine gewisse Arbeitsethik und Toleranz gegenüber Minderheiten.

Sie sind als Einzelkind aufgewachsen. Wirkte sich das auf Ihre sozialen Fähigkeiten aus?

Mein Vater schickte mich in Jugendorganisationen und sagte: „Du bist ein Einzelkind und brauchst Kinder um dich.“

Wie verliefen Ihre ersten Begegnungen mit Politikern?

Politiker, die in der Pfarre auftraten: nicht sehr begeisternd. Ich kritisierte immer herum. Bis einmal ein Politiker sagte: „Wenn du so gescheit bist, dann mach es besser.“ Das überzeugte mich.

Apropos Kirche: Weihbischof Kurt Krenn wollten Sie 1991 im Ministerrat ablehnen, was laut Konkordat möglich gewesen wäre.

Das machte man nicht publik. Alois Mock hat mir vorgeweint, dass St.Pölten seine Diözese sei, und wie er denn dastünde: Er hatte den Zustimmungsbrief schon vor der Ministerratssitzung abgeschickt.

Wann dachten Sie zum ersten Mal, dass es mit Kurt Waldheim als Präsident schwierig werden könnte?

Da war ich beeinflusst von einem Mitarbeiter, der Waldheim im ersten Bundespräsidentenwahlkampf 1971 begleitet hatte. Er sagte mir: „Der ist unmöglich, für den kannst du nicht stimmen – wie der die Leute behandelt.“

Waldheim bat Sie später, ihm beim Texten seiner berühmten TV-Erklärung zu seiner eigenen Wehrmacht-Biografie zu helfen.

Othmar Karas war eine Gesprächsbrücke. Er war als Waldheims Schwiegersohn in spe natürlich engagiert. Auch Karas wollte diesen Satz „Ich habe nur meine Pflicht erfüllt“ aus Waldheims Manuskript heraushaben. Ich habe die Szene vor mir: Karas stand bei mir im Vizebürgermeisterbüro und sagte: „Jetzt hat er es wieder reingeschrieben.“ Danach weigerte ich mich, auch nur irgendetwas für Waldheim zu schreiben.

Sie waren Vizekanzler unter Franz Vranitzky (SPÖ). Wie sind Sie mit ihm ausgekommen?

Unser Verhältnis war fair und ordentlich, aber er hat nie richtig aufgemacht. Meine Ablehnung der FPÖ ist bekannt und durch spätere Ereignisse bestätigt worden. Vranitzky und ich haben uns auch noch zu Zeiten von Schüssel und Klima bemüht, die Große Koalition zusammenzuhalten. Aber das ging nicht mehr. Da habe ich ihn angerufen: „Wenn Sie bei den letzten Regierungsverhandlungen 1995 ein bisschen flexibler gewesen wären, wären wir nie in diese Situation gekommen.“ Darauf hat er den Hörer auf die Gabel geknallt. Zehn Minuten später rief Vranitzky wieder an und sagte: „Sie haben recht.“

Über Viktor Klima schreiben Sie, es sei schwierig gewesen, ihm etwas zu erklären.

Er war streckenweise dumm, nicht gesprächsfähig, ohne innere Flexibilität. Er war ein brauchbarer Administrator bei der OMV, aber kein politischer Mensch. Er weinte dann vor dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder, weil es ihm nicht gelang, die Koalition fortzusetzen. Das weiß ich von einem Augenzeugen.

Sie hatten lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs enge Kontakte zu Dissidenten. Wie nahmen das Ihre Kollegen auf?

Mit glatter Ablehnung. Man warf mir vor, ich sei ostanfällig. Im Außenamt nannten sie mich den Beauftragten für befreite Ostgebiete.

Was ist das Spezifikum österreichischer Politik?

Eine innere Stabilität, ein Zusammenhalt – und Provinzialismus als geistiger Zustand, den ich bis heute bekämpfe.

Halten Sie es SP-Kanzler Kreisky zugute, sich bemüht zu haben, das Land zu öffnen?

Durchaus. Ich hatte ein ausgezeichnetes Gesprächsverhältnis zu Kreisky. Als Zilk Bürgermeister wurde, rief mich Kreisky an: „Sie Armer, jetzt haben Sie den Zilk. Das ist ja furchtbar.“ Sag ich: „Sie kennen ihn ja.“ Und er: „Der Hutschenschleuderer mit seiner Tschinellenfifi.“ Zilk war ihm zu unseriös.

Sie beklagen den Provinzialismus. Österreich hat doch auch weltoffene Seiten.

Das gilt für Wirtschaft, Wissenschaft, für die Politik überhaupt nicht. Sie brauchen sich nur die TV-Bilder aus Brüssel anschauen. Faymann geht immer hinter bedeutenden Personen, damit er ins Fernsehen kommt. Faszinierend.

Auch das kann eine Zielsetzung sein.

Aber es reicht nicht.

Sie kommentieren gern. Hätte es Sie gereizt, Journalist zu werden?

Nein. Ich kommentiere zwar viel, bin aber der Meinung, dass man selbst etwas tun muss. Der Frustrationspegel ist bald erreicht bei Journalisten...

Matschkern ist ein Wiener Wesenszug, wie Sie wissen.

Aber zwischen Matschkern und Zynismus besteht ein Unterschied.

Steckbrief

Erhard Busek (geboren 1941 in Wien) war von 1991 bis 1995 für die ÖVP Vizekanzler in einer Großen Koalition mit der SPÖ. Gleichzeitig bekleidete der damalige ÖVP-Obmann das Amt des Wissenschafts-, später das des Unterrichtsministers.

Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung leitete er jahrelang das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) sowie das Europäische Forum Alpbach.

erschienen

Erhard Buseks neues Buch „Lebensbilder“ ist im Verlag Kremayr& Scheriau erschienen.

Herr Busek, darf man Sie auch fragen...


1... ob Ihre Baumeister-Familie Sie nicht dazu drängte, Architekt zu werden?

Meine Mutter hat versucht, mir das einzureden. Immerhin hat mein Großvater das Hotel Imperial aufgestockt. Aber mein Vater ist ein praktischer Mensch gewesen. Und er hat gesagt: Du bist kurzsichtig, da tust du dir beim Zeichnen schwer, lass das bleiben.

2... welche Rolle der Alkohol in der österreichischen Politik spielt?

Eine immer geringere. Als ich einstieg, musste man trinkfest sein. Heute nicht mehr so. Früher fiel manchen die Kommunikation auf lokaler Ebene durch den Alkohol leichter. Ich habe übrigens viel im Gespräch mit normalen Bürgern gelernt. Dafür wenden Politiker heute zu wenig Zeit auf.

3... warum Sie Ihre Frau in Ihren Memoiren nur äußerst knapp in der Danksagung erwähnen?

Weil ich dann schreiben hätte müssen, dass sie ein Opfer der Politik ist. Was ja richtig ist. Aber ich mache mir das lieber persönlich mit ihr aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

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