Wie Spindelegger an der Westachse verzweifelte

Abgekühlte Stimmung zwischen Tirols Landeshauptmann, Günther Platter, und Ex-Parteichef Michael Spindelegger.
Abgekühlte Stimmung zwischen Tirols Landeshauptmann, Günther Platter, und Ex-Parteichef Michael Spindelegger.(c) APA (Herbert Pfarrhofer)
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Von der Schul- zur Steuerreform: Die Landeschefs im Westen konterkarierten die Linie der Bundes-ÖVP – und sorgten damit letztendlich für den Sturz des Parteichefs.

Wien. Die letzten Angriffe der Parteifreunde waren dann doch zu viel. Der Tiroler Landeshauptmann, Günther Platter, wollte eine „Aussprache“ mit dem Parteichef und vermisste die christlich-soziale Linie der Partei. Sein oberösterreichischer Amtskollege, Josef Pühringer, forderte eine „Vorwärtsstrategie“ der Partei ein. Vorarlbergs Markus Wallner verlangte „mehr Tempo bei der Steuerreform“. Und auch der Salzburger Landeschef, Wilfried Haslauer, zeigte sich unzufrieden mit der Bundespartei. Diese gehöre „neu aufgeladen“.

Jeder, der das Innenleben der ÖVP kennt, konnte die verklausulierten Botschaften deuten: Diese Form der öffentlichen Kritik wird nur angewandt, wenn man mit dem Parteichef höchst unzufrieden ist. Das beliebte Obmann-Abschießen war in vollem Gange.

Querschüsse hören nicht auf

Das weiß natürlich auch Michael Spindelegger, dessen Rolle beim Abschießen des Parteichefs das damalige Opfer, Erhard Busek, gerade in seinem Buch beschrieben hat. Für ihn musste klar sein: Er kann sich vielleicht noch eine Zeit lang an der Spitze der Partei halten. Aber die internen Querschüsse werden nicht mehr aufhören.

Eigentlich ist es ja schon erstaunlich, dass Spindelegger, der von Beginn an mit dem Stigma eines schwachen Parteichefs behaftet war, nicht schon nach dem eher bescheidenen Ergebnis der Nationalratswahl mit einer Obmanndebatte konfrontiert war. Aber er hat auch – was den Erhalt der Macht betrifft – vieles lehrbuchmäßig richtig gemacht: Erstens hat er sich mit einer Truppe treu ergebener Mitarbeiter umgeben, die aus dem Cartellverband (CV) rekrutiert wurden. Das gilt vor allem für Generalsekretär Gernot Blümel, der sogar in derselben Verbindung ist (Norica), und Finanzstaatssekretär Jochen Danninger, der auch für die Regierungskoordination zuständig ist.

Und zweitens hat er für neu zu besetzende Spitzenpositionen niemanden geholt, der ihm gefährlich werden konnte. Eine Vorarlberger Landesrätin und der Burgenländer Nikolaus Berlakovich als Stellvertreter in der Partei würden sich sicher nicht gegen ihren Chef wenden. Und auch bei drei Ministern, die nicht in der Partei verankert sind (Sophie Karmasin, Wolfgang Brandstetter, Andrä Rupprechter) besteht da wenig Gefahr.

Dass sich der von ihm geholte Sebastian Kurz innerhalb kürzester Zeit zum Parteichef-Kandidaten entwickeln würde, war so sicher nicht abzusehen.

Streitfall Schulpolitik

Aber es war nicht Kurz oder ein anderer seiner Minister, die sich gegen Spindelegger aufgelehnt haben, sondern jene Landeschefs, die er nur unzureichend einbinden konnte. Der mächtigste ÖVP-Landespolitiker, der niederösterreichische Landeshauptmann, Erwin Pröll, hat sich zwar nie gegen den Niederösterreicher Spindelegger gewandt. Dafür hat sich eine „Westachse“ gebildet, die die Bundespartei ausgerechnet dort kritisierte, wo die ÖVP ein klares Profil und eine von der Basis goutierte Meinung hat: in der Schulpolitik.

Die Landeshauptleute von Salzburg, Tirol und Vorarlberg plädierten mehr oder weniger stark für eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen und begaben sich damit ganz ins Fahrwasser von SPÖ und Grünen, die diese Schulform schon seit Jahrzehnten fordern. Ähnliches wiederholte sich nun bei der Steuerreform: Wohl nicht zufällig war es der Oberösterreicher Josef Pühringer, der nächstes Jahr eine Wahl zu schlagen hat, der eine rasche Steuersenkung einforderte. Dass Pühringer dabei seine Sympathie für die SPÖ-Forderung nach Millionärssteuern erkennen ließ, muss Spindelegger aber schwer getroffen haben. Schließlich ist die Ablehnung der Vermögensteuern Kernpunkt seiner Politik.

ÖVP-Probleme auch im Westen

Wobei es ja nicht unbedingt so ist, dass hier eine strahlend erfolgreiche Landespolitik die Bundespartei korrigieren würde. Die Erosion der Volkspartei findet ja nicht nur in den Städten statt, sondern auch auf dem Land – wenn auch durch besondere Umstände manchmal abgeschwächt. Wilfried Haslauer in Salzburg galt lange Zeit als spröder Landespolitiker mit wenig Chancen, den Landeshauptmannsessel zurückzuerobern, ehe sich der von der SPÖ zu verantwortende Finanzskandal als Glücksfall erweisen sollte.

Günther Platter war in der Bundesregierung als Minister eher unauffällig. Auf der bundespolitischen Bühne ist er erst wirklich aktiv, seit er nach der Landtagswahl – trotz des historisch schlechtesten Ergebnisses für die ÖVP – wieder Landeshauptmann wurde. Und Markus Wallner hat in Vorarlberg zwar eine absolute Mehrheit – die dürfte aber bei der Landtagswahl im September weg sein.

Ob die Westachse die Ablöse Spindeleggers gezielt wollte? Zumindest zum aktuellen Zeitpunkt war es jedenfalls nicht so geplant. Sonst hätte Salzburgs Landeshauptmann Haslauer nicht seinen Spanien-Urlaub für den gestrigen ÖVP-Parteivorstand abbrechen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2014)

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