Mitterlehner übernimmt die ÖVP

Reinhold Mitterlehner: Übernimmt er Spindeleggers Positionen?
Reinhold Mitterlehner: Übernimmt er Spindeleggers Positionen?(c) APA (Helmut Fohringer)
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Der ÖVP-Vorstand hat Reinhold Mitterlehner einstimmig als neuen Parteiobmann designiert. In den nächsten Tagen soll geklärt werden, ob er Michael Spindelegger auch als Finanzminister folgt.

Wien. Die Entscheidung fiel am späten Dienstagabend nach einer dreistündigen Sitzung des ÖVP-Parteispitze: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner folgt Michael Spindelegger als Parteichef nach. Der Vorstand designierte ihn einstimmig für diese Funktion, nachdem Spindelegger am Vormittag überraschend seinen Rücktritt als ÖVP-Chef, Vizekanzler und Finanzminister erklärt hatte.

Ob Mitterlehner auch das Vizekanzleramt und das Finanzministerium übernehmen wird, blieb vorerst offen. Er werde das erst in den nächsten Tagen entscheiden, sagte der 58-jährige Oberösterreicher in einer ersten Stellungnahme nach der Sitzung.

Dabei schloss er auch nicht aus, dass es weitere Änderungen im Regierungsteam der ÖVP geben wird, auch wenn er dieses im Kern unverändert lassen will. Sein Vertrauen sprach Mitterlehner Generalsekretär Gernot Blümel und Klubobmann Reinhold Lopatka aus. Das bedeutet auch, dass Letzterer nicht Finanzminister wird – dieses Gerücht hatte im Laufe des Tages die Runde gemacht.

Bis spätestens 2. September will der neue ÖVP-Chef alle Personalentscheidungen getroffen haben. An diesem Tag werden auch die neuen Regierungsmitglieder der SPÖ angelobt.

Vermögenssteuern: Kein Kurswechsel

Beim Streitthema Steuerreform plant Mitterlehner keinen grundsätzlichen Kurswechsel: „Vielleicht wird da und dort in der SPÖ schon die Geschichte erzählt: das ist der Pflegeleichteste, den wir als Partner haben können. Das bin ich nicht.“ Bei den Vermögenssteuern gehe er „konform mit dem, was wir bisher gemacht haben“, sagte der designierte ÖVP-Chef. Man müsse aber sondieren, wo man zu einer Einigung mit der SPÖ kommen könne, denn: „Nur im Gegeneinander werden wir die notwendige Profilbildung beim Publikum nicht haben können.“

Eigentlich, sagte Mitterlehner, hätte er heute den Filmstar Tom Cruise, der wegen Dreharbeiten in Wien weilt, treffen sollen. So hoffe er wenigstens, dass die Führung der ÖVP keine „mission impossible“ werde. Die Partei habe mit der raschen Entscheidung für ihn jedenfalls ihre Handlungsfähigkeit und jene der Regierung unter Beweis gestellt.

Formal ist Mitterlehner der logische Erbe Spindeleggers. Seit 2011 ist er Vizeparteichef – der einzige, der noch Minister ist. Die anderen beiden, Maria Fekter und Nikolaus Berlakovich, wurden in der neuen Regierung nicht mehr berücksichtigt. Josef Pühringer, Oberösterreichs Landeshauptmann, brachte Mitterlehner bereits am Nachmittag als neuen ÖVP-Chef ins Spiel. Allerdings gibt es in der ÖVP auch einige Skeptiker, die aufgrund von Mitterlehners Sozialpartner-Vergangenheit in der Wirtschaftskammer befürchten, dass sich die Volkspartei künftig zu wenig vom Koalitionspartner SPÖ abgrenzen werde.

Wesentliche Teile der Partei forderten am Dienstag auch eine Ämtertrennung, weil sie die Dreifachbelastung – Parteiführung, Vizekanzlerfunktion und Finanzministeramt – für zu hoch halten. Das habe sich nicht erst bei Spindelegger, sondern schon bei dessen Vorgänger, Josef Pröll, gezeigt. Dieser war 2011 gesundheitlich angeschlagen zurückgetreten.

Für eine Ämtertrennung sprach sich etwa die Tiroler Landesrätin Beate Palfrader aus. Als Finanzminister müsse man auf die finanzielle Situation der Republik Rücksicht nehmen, als ÖVP-Chef sei man aber gleichzeitig „mit den Forderungen der Bünde konfrontiert“. Ergo sei das „keine ideale Lösung“. Für den Fall, dass sich Mitterlehner gegen das Finanzministerium entscheidet, wurden Hauptverbands-Chef Hans Jörg Schelling und der Klagenfurter Ökonom Gottfried Haber als Alternativen gehandelt.

Am Nachmittag war auch eine „Totalreform der Partei“ diskutiert worden. Dabei hätte Sebastian Kurz eine führende Rolle eingenommen. Zwischen Wien und Alpbach, wo gerade das Europäische Forum mit etlichen ÖVP-Politikern stattfindet, haben einige, vor allem junge Parteikreise, für den Außenminister lobbyiert.

Prinzipiell gibt es bei den Kurz-Anhängern zwei Lager – die einen, die meinen: „Jetzt oder nie.“ Die anderen, die glauben, dass ein Aufstieg zum Vizekanzler und Parteichef verfrüht käme: Damit würde man den 28-Jährigen nur verheizen. Kurz solle lieber Außenminister bleiben und bei der nächsten Nationalratswahl Spitzenkandidat werde

Spindeleggers Zukunft offen

Und was macht Michael Spindelegger nun? Nach seinem Abgang tauchten Spekulationen auf, er könnte sich doch noch Hoffnungen auf den Posten eines EU-Kommissars statt des bereits von Österreich nominierten Johannes Hahn machen. Diese Variante wurde allerdings der „Presse“ gegenüber dementiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2014)

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