„Mehr Sozialpartner, mehr Schmäh, mehr 21.Jahrhundert“

Mitterlehner
Mitterlehner(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Reinhold Mitterlehner agiert anders als Michael Spindelegger. Er gilt als liberaler, im Ton aber auch als härter.

Wien. Auf den ersten Blick könnten einander Michael Spindelegger und sein Nachfolger als ÖVP-Parteichef, Reinhold Mitterlehner, sehr ähnlich sein. Beide sind schon lange in der Politik, entstammen dem katholischen Cartellverband (CV) und sind in kleineren Gemeinden zu Hause. Wobei Mitterlehners Heimatort, Ahorn im oberösterreichischen Mühlviertel, mit rund 500 Einwohnern kleiner ist als Spindeleggers Hinterbrühl mit 4000 Einwohnern im Wiener Umland. Und doch gilt Mitterlehner als urbaner als Spindelegger. Und das ist nicht der einzige Unterschied.

„Ich glaube, dass Mitterlehner ein typischer Vertreter eines liberalen CVers ist“, meint Andreas Khol, einstiger Nationalratspräsident und nun Seniorenbund-Chef. Der ÖVP-Obmann werde sein Amt auch mit dem einem „CVer eigenen Auftreten“ bestreiten. „Man tritt an und nimmt die Herausforderung an“, beschreibt Khol die Mentalität Mitterlehners. Spindelegger hingegen entstamme einer „nicht so liberalen Ecke im CV“, sagt Khol, selbst langjähriger (konservativer) Mastermind der ÖVP, zur „Presse“.

Mitterlehner gilt gesellschafts-, aber auch wirtschaftspolitisch als liberaler als Spindelegger. Auch in der Bildungspolitik sind von Mitterlehner neue Akzente zu erwarten. Der CV wird weiter eine Rolle spielen, Mitterlehner betont, dass er die Studentenverbindung schätzt. Aber dieser wird nicht mehr so wichtig sein, wie er es unter Spindelegger war, der fast alle wichtige Posten mit Cartellbrüdern besetzte. „Ich habe nicht einmal gewusst, dass Mitterlehner beim CV ist“, sagt der steirische Landesrat, Christopher Drexler. Das sage doch schon alles, meint Drexler, der zum liberal-urbanen Flügel der ÖVP zu zählen ist.

Mehr links und mehr rechts?

Was unterscheidet für ihn Mitterlehner von Vorgänger Spindelegger? „Man hat den Eindruck, dass Mitterlehner mehr im 21.Jahrhundert steht“, sagt Drexler. Er hofft, dass die Partei sich nun gesellschaftspolitisch linker, wirtschaftspolitisch aber rechter positioniert. Wobei links und rechts ohnedies überholte Termini seien, wie Drexler betont.

Ein Unterschied zu Spindelegger sei zudem, dass Mitterlehner „mehr Schmäh hat“, berichtet Drexler. Ein Eindruck, den auch Khol hat. Der neue Parteichef sei ein anderer Typ – keiner, der „zum Lachen in den Keller geht“. Und noch ein Aspekt kristallisiert sich für beide ÖVP-Experten heraus: Mitterlehner ist ein Mann der Sozialpartnerschaft.

Der aus dem schwarzen Arbeitnehmerbund ÖAAB kommende Beamte Spindelegger suchte etwa beim Thema Steuerreform durchaus den Konflikt mit Wirtschaftskammer, Gewerkschaft oder Arbeiterkammer. Tirols Arbeiterkammerpräsident, Erwin Zangerl – ein Parteifreund –, forderte sogar öffentlich Spindeleggers Rücktritt. Der aus Wirtschaftsbund und -kammer stammende Mitterlehner sei hingegen „durch die erfolgreiche Schule der Sozialpartner gegangen“, meint Khol. Auch Drexler erwartet sich, dass Mitterlehner „die Tugenden der Sozialpartnerschaft“ anwendet. „Harte Verhandlungen – und dann erst mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit treten“, skizziert das der steirische Politiker.

Evolutionsprozess der Partei startet

Im Umgangston gilt Mitterlehner als rauer als Spindelegger, der neue ÖVP-Chef ist jemand, der durchaus laut werden kann. Auch in der Vergangenheit meldete er immer wieder Widerspruch gegen die Linie der eigenen Partei an. Meist aber nur in internen Sitzungen, während er nach außen hin die Parteilinie vertrat. „Er hat manchmal gegen den Strich gebürstet“, formuliert es Khol. Gleichzeitig gilt Mitterlehner aber als Pragmatiker, wenn es darauf ankommt. Und die Grundpositionen der Partei, so Khol, würden unter einem Parteichef Mitterlehner auch nicht anders werden als unter Spindelegger.

Eine Mischung aus Pragmatismus und dem Wunsch, etwas Neues zu wagen, erwartet sich Khol aber von Mitterlehner. Das eingeleitete Projekt „Evolution Volkspartei“, das die Volkspartei weiterentwickeln soll, werde von Mitterlehner daher sehr forciert werden. Die Auftaktveranstaltung dazu findet am Donnerstag nächster Woche statt. „Wir wollen die Volkspartei als moderne bürgerliche Bewegung des 21.Jahrhunderts verankern“, heißt es auf der bereits verschickten Einladung. Unterzeichnet hat sie noch ein gewisser Michael Spindelegger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2014)

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