Regierung: Im neuen Gleichschritt zur Steuerreform

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Faymann und Mitterlehner betonen Gemeinsamkeit. Konfliktpunkte wie Vermögenssteuern werden vorerst ausgeklammert, "Tabus" wie die Gesamtschule diskutiert.

Wien. Neue Töne nach der Regierungsumbildung und dem Wechsel an der ÖVP-Spitze zum neuen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wurden gleich zu Beginn beim ersten Pressefoyer nach dem Ministerrat angeschlagen. Bundeskanzler Werner Faymann dankte dem „lieben Reinhold“ dafür, dass die Zusammenarbeit in der rot-schwarzen Koalition „so rasch, so intensiv und so gut“ begonnen habe. Mitterlehner versprach, die ÖVP werde mit dem Regierungspartner verstärkt das Gemeinsame in den Vordergrund stellen. Damit soll Vertrauen der Bevölkerung in die Politik zurückerobert werden.

Äußeres Zeichen dieser demonstrativen Harmonie wird eine Regierungsklausur am 26./27.September sein. Dabei werden von der Koalition, wie in der „Presse“ angekündigt, erste inhaltliche „Leitlinien“ fixiert.

Der neue Gleichklang manifestierte sich nach der Regierungssitzung am Dienstag ganz besonders beim bisherigen Dauerkonfliktthema Steuerreform. In dieser Frage werden die Weichen jetzt so gestellt, dass es letztlich eine Einigung und damit eine Steuerentlastung geben soll. Bundeskanzler und Vizekanzler versprachen, dass bis spätestens März kommenden Jahres eine Lösung gefunden werden müsse. „Es nützt uns beiden, wenn wir ein Ergebnis zustande bringen“, so Mitterlehner. Im Gegensatz dazu hatte Ex-ÖVP-Chef und Finanzminister Michael Spindelegger zwar eine Steuerreform „so rasch als möglich“ angekündigt, Steuersenkungen jedoch immer vom finanziellen Spielraum durch Einsparungen abhängig gemacht.

Kein frühzeitiges Blockieren

Der neue ÖVP-Obmann möchte die Steuerdebatte nicht mit Festlegungen führen, mit denen das Vorhaben letztlich nur blockiert wird. Übereinstimmung besteht demnach darin, dass die Arbeitnehmer von einer steuerlichen Entlastung profitieren sollen. Das wurde von Faymann ausdrücklich positiv registriert: Dies stehe im Vordergrund.

Der Hauptkonfliktpunkt bei der Steuerreform, die von der SPÖ vehement verlangten Vermögenssteuern zur Gegenfinanzierung eines Teils der Entlastungen, werden zunächst ausgeklammert und auch von der SPÖ-Spitze in der Öffentlichkeit nicht in den Vordergrund gerückt, um den neuen Gleichschritt nicht sofort zu stören. So fiel auf, dass die bisherige ÖGB-Vizepräsidentin und neue Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) sowohl am Montagabend in der „ZiB2“ als auch am Dienstag vor dem Ministerrat eine Festlegung vermied, dass eine Steuerentlastung für Arbeitnehmer durch Vermögenssteuern gegenfinanziert werden müsse. Woher das Geld komme, sei ihr egal: „Wesentlich ist die Lohnsteuersenkung.“ Auch Faymann wollte sich bezüglich der Gegenfinanzierung nicht von vornherein eingraben.

„Eventuell eine Gegenfinanzierung“

Die Frage bleibt allerdings, ob die SPÖ-Funktionäre und die Basis einen etwaigen Verzicht auf Vermögenssteuern akzeptieren werden. Auf dem Weg zu einer Steuerreform-Lösung bis März 2015 liegt immerhin der SPÖ-Bundesparteitag am 28.November, bei dem Faymann wiedergewählt werden soll. Für den Gewerkschaftsbund (ÖGB), der inzwischen 500.000 Unterstützer für seine Aktion zur Senkung der Lohnsteuer gesammelt hat, waren Vermögenssteuern und die Wiedereinführung der Erbschaftsteuern stets Fixpunkt in einem Steuerkonzept.

Ausgeräumt ist der Steuerkonflikt in der Koalition nach der Regierungsumbildung und Spindeleggers Abgang allerdings nicht. Denn auch sein Nachfolger Mitterlehner, der sich nach der Übernahme der ÖVP-Obmannschaft ablehnend zu Vermögenssteuern geäußert hat, stellte klar, das Volumen einer Steuerreform könne „rein rechnerisch“ nicht durch Vermögenssteuern aufgebracht werden. Eine Hintertür ließ er sich freilich offen: „Eventuell bleibt da noch irgendeine Gegenfinanzierung über.“ Aber darüber werde man erst am Schluss diskutieren.

Die Regierung werde daher auch „langfristige Reformen mit aller Kraft angehen müssen“. In der Vergangenheit waren Eingriffe in der Verwaltung, bei Förderungen oder bei den Pensionen jedoch stets von heftigen Widerständen bis hin zur glatten Ablehnung begleitet gewesen.

Um das schlechte Image der Regierung zu verbessern, soll der Bevölkerung mit Reformen deutlich gemacht werden, wofür diese steht. Der neue Vizekanzler strebt in der Bildungspolitik ein „Durchstarten“ und ein Ende der „Pattstellungen“ auf beiden Seiten an. Das gilt für die SPÖ-Seite bei Korrekturen bei der Neuen Mittelschule, auf ÖVP-Seite soll aber auch über die Gesamtschule der Zehn- bis 14-Jährigen zumindest diskutiert werden. Mitterlehner sagte darauf angesprochen: „Es gibt keine Tabus.“ Zuerst wird allerdings intern mit Bünden und Ländern debattiert, dann mit dem Koalitionspartner.

Noch ein Umstand wird angesichts der internationalen Krisen betont: Grundsätzlich sind beide Parteichefs bemüht, den Österreichern vor Augen zu führen, wie wichtig eine „handlungsfähige“ Regierung gerade in solchen Zeiten ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2014)

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