Groteske um Gerichtsfusionen

PK 'KONSEQUENZEN AUS DER NSA-AFFAeRE': KARL
PK 'KONSEQUENZEN AUS DER NSA-AFFAeRE': KARL(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Der Verfassungsdienst habe keinen Einwand gehabt, sagt Ex-Ministerin Karl. Doch er war mit der Prüfung gar nicht betraut.

Wien. Überraschend war es für viele Juristen nicht, als der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im April bekannt gab, dass die Zusammenlegung oberösterreichischer Bezirksgerichte rechtswidrig sei. Denn die aufgehobene Verordnung sah vor, dass die neuen Gerichtsbezirke quer durch die politischen Bezirke gehen. Dabei steht in der Verfassung, dass dies nicht so sein darf. Doch wer war für die Verordnung verantwortlich? Die Frage erhält nun nach einer parlamentarischen Fragebeantwortung neue Brisanz.

Die 2012 beschlossene Zusammenlegung fiel unter die Ägide der früheren Justizministerin Beatrix Karl, jetzt Nationalratsabgeordnete der ÖVP. Als die Causa heuer im März – also kurz vor dem VfGH-Erkenntnis – im parlamentarischen Verfassungsausschuss debattiert wurde, rechtfertigte Karl noch die Verordnung. Und zwar unter anderem damit, dass der Verfassungsdienst des Kanzleramts die Verordnung nicht beanstandet habe.

Neos-Vizeklubobmann Nikolaus Scherak stellte darauf eine parlamentarische Anfrage an Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ), um zu klären, was der Verfassungsdienst genau gesagt hatte. Ostermayers Antwort: Eine Begutachtung durch den Verfassungsdienst sei hier „nicht erfolgt“. Scherak schließt daraus, dass Karl „die Unwahrheit gesagt hat“. Für ihn stellt die Vorgangsweise „ein Sittenbild“ für den Umgang der Regierung mit der Verfassung dar. Man ignoriere sie und sage dann auch noch, man habe ohnehin alles geprüft.

Karl rechtfertigt sich: Zwar habe das Justizministerium den Input für die Verordnung gegeben. Doch es handle sich im Endeffekt nicht um eine Verordnung des Justizministeriums, sondern um eine der Bundesregierung. „Und ich konnte davon ausgehen, dass der Verfassungsdienst sehr wohl von einer Verordnung der Bundesregierung Kenntnis hat“, sagt Karl im Gespräch mit der „Presse“.

Aus dem Kanzleramt heißt es hingegen, dass der Verfassungsdienst die Verordnung dann geprüft hätte, wenn sie das Justizministerium in Begutachtung geschickt hätte. Was jedoch nicht der Fall war. Auch Ostermayer hat im März noch im Verfassungsausschuss erklärt, dass er davon ausgehe, dass die Bezirksgerichte-Verordnung rechtskonform sei.

Insider: Nicht alles wird geprüft

In der Praxis, so berichtet wiederum ein Regierungsinsider, gehe nicht jede von der Koalition geplante Norm über den Schreibtisch des Verfassungsdiensts. Das sei vielleicht vor Jahrzehnten noch so gewesen, als es viel weniger Gesetze gegeben habe. Nun gelte: „Alles steht und fällt mit der Begutachtung.“ Wenn es eine Begutachtung gibt, werde der Verfassungsdienst auch um seine Meinung gebeten.

Karl hatte ihre Maßnahme auch damit gerechtfertigt, dass bereits unter dem früheren Justizminister Dieter Böhmdorfer Bezirksgerichte über politische Bezirksgrenzen hinweg zusammengelegt worden seien. Doch diesmal wehrten sich die Richter gegen die Zusammenlegung. Sie beriefen sich dabei auf die Bestimmung aus dem Übergangsgesetz aus dem Jahr 1920, also aus den Anfängen der Ersten Republik. Und darin heißt es in §8, Absatz 5, literad: „Die Grenzen der politischen Bezirke, der Gerichtsbezirke, der autonomen Bezirke und der Ortsgemeinden dürfen sich nicht schneiden.“

Ob diese Norm sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. „Fragen Sie mich nicht, warum es diese verfassungsrechtliche Regelung gibt“, meinte selbst VfGH-Präsident Holzinger.

Wie löst man das Problem?

Eine Lösung in der Causa wäre es, die Verfassung in diesem Punkt zu ändern. Dafür braucht die Koalition genügend Stimmen der Opposition, um eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Im März war ein Versuch, noch vor dem Urteil die Mehrheit für eine Novelle zu finden, gescheitert. Der VfGH gestand der Regierung aber eine Übergangsfrist bis zum 30.9.2015 zu: Ab dann müssen die Gerichtsgrenzen in Oberösterreich rechtskonform sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2014)

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