SPÖ-Spitzenkandidat Michael Ritsch stellt sich oft gegen die Bundespartei. Ihm droht der Absturz in die Bedeutungslosigkeit.
Bregenz/Hohenems. Es wird geklärt, welche Gebiete zu Österreich gehören. Oder besser: gehört haben. Im Eingangsbereich des Jüdischen Museums in Hohenems stehen Kanzleramtsminister Josef Ostermayer sowie der Spitzenkandidat der SPÖ in Vorarlberg, Michael Ritsch, und lassen sich vom Direktor des Museums eine kleine Geschichtsstunde geben. Es ist Donnerstag, Tag vier vor der Landtagswahl, und Ritsch hat seinen Besuch aus Wien demonstrativ ins Museum gelotst – als Antwort auf die FPÖ-Kritik am Direktor („Die Presse“ berichtete).
Bund und Land zeigen im Museum also Einigkeit, und das fällt deswegen auf, weil Ritsch gern aus der Reihe tanzt. Der routinierte Ex-Gendarm und Gewerkschafter ist im Wahlkampf mit energischen Auftritten aufgefallen, er kämpft schließlich gegen das Abrutschen in die Einstelligkeit. Bei den Wahlen 2009 erreichte die SPÖ zehn Prozent und fiel vom zweiten auf den vierten Platz. Nun will Ritsch ein viertes Mandat dazugewinnen.
Dem Regierungsprogramm auf Bundesebene hat Ritsch als Einziger im SPÖ-Präsidium nicht zugestimmt, weil die gemeinsame Schule nicht Teil des Programms war. „Bei aller Wertschätzung der Bundespartei gegenüber: Nur, um die Macht zu erhalten und um den Kanzler zu stellen, ist mir das zu wenig.“ Einen Tag vor der Abstimmung ist ebendieser Kanzler noch nach Vorarlberg geflogen, um die Parteimitglieder umzustimmen. Ritsch habe die Anwesenden vor Werner Faymann abstimmen lassen. Ergebnis: ein eindeutiges Nein zum Regierungsprogramm.
Was Ritsch bereits vergangenen Herbst auf Bundesebene als Alternative gefordert hat, träumt er nun auf Landesebene: eine Rot-Grün-Neos-Regierung, auch wenn es extrem unrealistisch ist, dass dafür rechnerisch eine Mehrheit zustande kommt. Als in der SPÖ die Nachfolge der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer noch geheim diskutiert wurde, war es Ritsch, der mit den Rochaden an die Öffentlichkeit ging.
Als Querschläger will sich der 46-jährige Vater zweier Töchter aber nicht bezeichnen. Vielmehr wünsche er sich mehr Courage von den Genossen. Dass beispielsweise die SP-Abgeordnete Daniela Holzinger bei der namentlichen Abstimmung über einen U-Ausschuss rund um den Hypo-Skandal den Saal verlassen hat, anstatt für Ja zu stimmen, findet Ritsch „auch nicht so mutig“. Er selbst habe schließlich im Landtag die Hand gehoben.
Zwerge gehen um die Welt
Die Sozialdemokraten haben in Vorarlberg trotz bester Voraussetzungen aufgrund der entwickelten Industrie nie Fuß fassen können. Dafür war die Volkspartei viel zu umtriebig – auch innerhalb der Gewerkschaft.
Ritsch geht also davon aus, dass seine SPÖ am Sonntag zweistellig bleiben wird. Man habe einen ungewöhnlichen Wahlkampf geführt, viel Rückmeldung erhalten, nur 30 Plakate aufgehängt, dafür eben jene Gartenzwerge verteilt, die es bis zur BBC und „Washington Post“ geschafft haben. 400 Zwerge wurden gestohlen, stattdessen hingen an manchen Stellen Plakate des VP-Landeshauptmanns Markus Wallner – es folgte ein verbaler Schlagabtausch. „Wenn sich das nicht im Ergebnis niederschlägt“, sagt Ritsch über seinen Wahlkampf, „dann weiß ich nicht, was die Sozialdemokratie in Vorarlberg tun soll.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2014)